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Dienstag, 15. September 2015
Das Ende der freien Langobarden

”Das Plateau fiel in einem Steilhang nach Süden ab. Er ging über graues Moos und rauhe Steine. Er blickte in die Tiefe auf das Land der Leidenden, der noch Lebenden, der Verlierer und der Sieger... Das ist mein Land, aber meine Zukunft liegt nicht mehr hier.
Er sah: Wir sind besiegt. Das kleine Fleckchen, auf dem er stand, war vielleicht einer der letzten Orte, wo noch ein Langobarde als freier Mann stand, vielleicht der letzte... Nur wenige würden noch die Kraft aufbringen, das Schwert zu einem sinnlosen Aufruhr zu erheben. Vielleicht würden aus dem Zwang und den Herzen noch einmal neue Revolten hervorbrechen. Sie würden niedergeschlagen werden. Diese Aufstände würden dem blinden Tappen des Schlafwandlers ins Verderben ähneln. Überleben, dachte er."

"Im Krieg gab es Grausamkeit, sie war ein Teil des Krieges, eine schnelle, schneidende, stechende Grausamkeit, eine Grausamkeit des Tötens, eine Grausamkeit der Trophäen, eine des Raubens und eine Grausamkeit der unmittelbaren Vernichtung: Brennen, schänden, Leben nehmen. Aber das war noch nicht alles. Die Grausamkeit entleerte darin nicht ihre gesamte Kraft. Ihre Kräfte reichten auch noch für Nachkriegsgrausamkeiten, für langanhaltende, sichere, besser berechnete und ausgetüftelter kalkulierte. Die Mühlen der Macht zermalmten den Willen der Besiegten.
Türen, die vorher geöffnet aussahen, schließen sich langsam, langsam, die Scharniere kreischen nicht, kein Knarren. Kaum jemand sieht oder hört es, so langsam schließen sie sich. Doch mit einem Mal oder ganz allmählich, man kann nicht sagen, wann und wie, wissen die Ein- und die Ausgeschlossenen, daß die Tore verschlossen sind, und zwar schon seit einer Weile – ein Jahr? Zwei Jahre? Zehn Jahre? So war es doch immer schon, sagen die Heranwachsenden. Gerade, daß die Tore geschlossen sind, bedeutet doch Freiheit; sie sperren eine Art Unfreiheit aus... – Sind wir unfrei? Weiß nicht. Was ist denn Freiheit, Vater, Mutter, mein Lehrer? Hat sie etwas mit Türen zu tun? Oder war da noch etwas anderes?”

(Eyvind Johnson: Hans nådes tid)

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