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Donnerstag, 3. September 2015
Vom Sieger behandelt
Im Jahr 775 besuchte der Diakon Anselmus von Benevent zu Studienzwecken Johannes (oder Johanniperto) Lupigis' Geburtsstadt Forum Iulii, eine Nachbarstadt von Utina oder Udine im Herzogtum Friaul, wo er auch zu Gesprächen mit seinen Verwandten und anderen langobardischen Großen zusammentraf.
Udine, Rathaus

„Mit unschuldiger Miene und gesenkten Lidern erkundigte sich der listige Stabilinus, der lange, sehnig magere und bekanntermaßen ausdauernde Mann, was denn an den Nachrichten von der Franken, Verzeihung, Karls, des sogenannten Großen beziehungsweise des mit aller Berechtigung sehr Großen, Niederlage gegen die Sarazenen dran sei. War es nicht in Aquitanien, oder war es anderswo? Oder war es gar nicht dieser Kerl, Verzeihung, Karl, der mit Recht der Große – oder war es der Größte? – genannte, sondern sein Vater oder sein Onkel, die da in die Klemme geraten wären?
‘Verzeih meine Unwissenheit, hochgelehrter Anselm!’, sagte er. ‘Ich bin nur ein einfacher Mann, ein bescheidener Anführer, ein ehemaliger Gutsherr, der keinen Gutshof mehr besitzt, von dem er leben könnte, ein Mann, der die Franken nur von einer Seite kennt – ich meine aus dem letzten Jahr, als ich von ihnen behandelt wurde.’
‘Ich habe davon gehört’, sagte der Diakon leise.
‘Dann weißt du vielleicht auch, daß sie mich mit diversen Werkzeugen behandelt haben’, fragte Stabilinus mit unschuldigem Gesichtsausdruck, doch seine Augen waren nun schmal, und seine Blicke stachen. ‘Sie haben mich nach verschiedenen Dingen befragt. Sie fragten lange und ich darf wohl sagen: gründlich. So daß ich selbst ein Fragender geworden bin. Jedenfalls, beruhte diese Niederlage in Aquitanien – sofern es sich denn, wie die Gerüchte besagen, tatsächlich um eine Niederlage handelt – auf Schwäche, Fehlern oder Unwissen in der Kriegsführung? Aber eine solche Schwäche oder solche Fehler sind in diesen hohen Kreisen wohl undenkbar, oder? Derartiges darf man von dem bedeutenden und guten König Carolus, sicher mit aller Berechtigung der Große genannt – oder war es der Allergrößte? – sicher nicht glauben. Ich habe nicht verstanden, ich höre nicht mehr so gut. Meine Ohren haben sie auch behandelt... Aber man hört dennoch verschiedentlich Gerüchte. Sie erreichen sogar unsere entlegene Gegend.’"

Udine, Loggia del Lionello

"Anselms Lippen berührten den Wein, als ob er ihn küßte, oder segnete; als ob er den Wein stärkte und nicht der Wein ihn.
‘König Karl hat viel aus seinen eventuellen Niederlagen gelernt’, sagte er und blickte Stabilinus plötzlich scharf an. ‘Es gibt vereinzelt kleine Rebellion gegen ihn... Aber sie sind nie gut vorbereitet, diese kleinen, blutigen Aufstände... Blutig für die, die nicht vorsichtig genug waren, die sich nicht sorgfältig genug vorbereitet hatten, bevor sie ihren Aufruhr angezettelt haben. Männer, die sich nicht rechtzeitig und in aller Stille verlässliche Verbündeten beschafft hatten. Verschwiegenheit kann sehr hilfreich sein. Ich meine, wenn es um einen Aufstand geht. Wie man hört, erfährt König Karl vieles bereits im voraus. Daher ist er der große König.’"

(Eyvind Johnson: Hans nådes tid)

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