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Freitag, 13. Juli 2012
Ein Freitag zum Schwarzsehen
Abergläubischen Seelchen reicht ja schon das Datum des Tages, um schwarzzusehen. Das allein reicht mir nicht, aber es reicht mir. Ob ich nun wie gestern nach Europa gucke oder den Blick ins Inland richte. Diese Republik hatte, wie andere auch, immer ihre Skandale. Aber hatten wir schon einmal so viele eklatante auf einmal wie nur in den letzten Wochen? Ich erinnere lediglich an:
• den wulffigen Abschied des Bundespräsidenten Wulff

• das Verfahren, wie unter verfassungsgerichtlich festgestellter Mißachtung des Parlaments und unter dem Deckmäntelchen der Stabiliserung der Finanzen in Euro-Europa (ESM) wesentliche demokratische Mitbestimmungs- und Kontrollrechte abgeschafft werden sollen

• die Änderung des Meldegesetzes in letzter Minute

• Abwesenheit bzw. Nicht-Debattier- und Abstimmungsverhalten der “Volksvertreter” im Bundestag

• Niebels “Fliegenden Teppich”, vergleichsweise eine Petitesse oder Spitze eines Eisbergs?

• die Lieferung weiterer atomar aufrüstbarer U-Boote an Israel, aber darüber regt sich ja kaum noch jemand auf

• das Gebaren der Geheimdienste u.a. bei den sogenannten “Fahndungspannen” in der rechten Szene, ganz und gar keine Petitesse, aber fragt jemand nach der politischen Verantwortlichkeit des Innenministers als oberstem Dienstherrn?

• Gestern Ermittlungen gegen Ex-Ministerpräsident Mappus wegen Verfassungsbruch und Veruntreuung von Millionen. Anscheinend ein besonders schwerer Fall von unbelehrbarer Arroganz der Macht, wie man heute seinen ersten Äußerungen nach der Razzia der Staatsanwaltschaft in der Bildzeitung entnehmen kann. (“Ich habe vom ersten bis zum letzten Tag meiner Amtszeit alles in meiner Macht stehende getan, um zum Wohle unseres Landes zu arbeiten.” – “Ich stehe selbstverständlich weiterhin zu dem, was ich auch im Untersuchungsausschuss gesagt habe: Ich halte den Erwerb der En-BW Anteile von der EdF weiterhin für politisch und ökonomisch richtig. Natürlich habe ich zu respektieren, dass der Staatsgerichtshof den Rechtsweg, den uns die Kanzlei Gleiss Lutz gewiesen hat, für verfassungswidrig erklärt hat.” – “Bild: Die Ermittlungen können Monate dauern. Wie wollen Sie da beruflich wieder auf die Beine kommen? Mappus: Gehen Sie davon aus, dass Sie sich darüber keine Sorgen machen müssen.”)
Mit seiner letzten Aussage dürfte Mappus recht haben. Das ist es ja gerade. Wer in diesem Land reich und mächtig genug ist, kann mit der Justiz immer einen Deal schließen, der mit gerechter Bestrafung für nachweisliche Vergehen nichts zu tun hat.
Und welcher Schwindel fliegt morgen auf?




Wenn man die Zeit aufwendet, auch die vielen, vielen Leserzuschriften unter den jeweiligen Meldungen in den Medien zu lesen, bekommt man rasch den Eindruck, es gibt nur noch resigniert sarkastische auf der einen und entrüstete Wutbürger auf der anderen Seite. Keiner, aber auch keiner verteidigt noch, was Berufspolitiker in und mit diesem Land derzeit verbrech anstellen. Doch weil sie sich für alternativlos halten, betreiben Politiker vor allem anderen den persönlichen Machterhalt oder lassen sich weiterhin bereitwillig vor die Karren diverser Lobbies und kleiner, aber potenter Interessengruppen spannen, wechseln im Fall eines ungünstigen Ausgangs sogenannter “Denkzettelwahlen” mal eben die Koalition und mauscheln weiter wie zuvor (oder wechseln, wenn gar nichts mehr geht, auf einen üppig dotierten Posten in der Wirtschaft). Angesichts all dessen regt sich in mir eine spontane Wunschvorstellung. Wie wäre es, wenn bei der nächsten Bundestagswahl die Mehrheit nicht den Urnen resigniert fernbliebe, sondern jede und jeder zur Wahl ginge und wirklich jede(r) einen ungültigen Wahlzettel abgeben würde? Vertreter sämtlicher Parteien: abgewählt.
Das ist natürlich keine Lösung und es würde noch nichts wirklich ändern, aber ein gehöriger Schreckschuß vor den Latz der Politikerkaste wäre so ein unisono NEIN schon. Vielleicht könnte es sogar zum Startschuß für ein gründlicheres Nachdenken darüber werden, wie wir unsere Gesellschaft denn anders und besser einrichten könnten.
Jedenfalls ist es längst an der Zeit, den guten Lichtenberg wieder in Erinnerung zu rufen:

„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen,
es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“

(Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher, Heft K, 1793-96)

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