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Mittwoch, 24. August 2011
Kleine Zeitreise in die Anfänge der holsteinischen Landesgeschichte (I)

Warum steht diese kleine, alte Kirche mitten in der idyllischen Holsteinischen Schweiz so wuchtig und gedrungen gebaut da? Die Geschichte interessiert außer mir natürlich niemanden, und die wenigen, die sie vielleicht doch interessieren könnte, kennen sie bestimmt längst; aber man schreibt so ein Blog ja nicht ausschließlich für andere, und darum schreibe ich das folgende trotzdem einmal auf.

Das Kirchlein stand in seiner Anfangszeit, wenn man so will, mitten “im feindlichen Ausland”, im slawischen Wagrien.
Jawohl, slawisch. Nach der Abwanderung der Goten, der Wandalen und Burgunder und anderer Germanenvölker im Verlauf der Völkerwanderung rückten allmählich slawische Stämme in die siedlungsleer zurückgebliebenen Räume im Osten und Nordosten des späteren Deutschland ein. Im Lauf des 8. Jahrhunderts erreichte der Stammesverband der Abodriten den Südrand der Ostsee im heutigen Mecklenburg und drängte von da weiter nach Westen gegen die Sachsen. Damit empfahlen sie sich als Wunschbündnispartner Karls des Großen, denn mit ihnen konnte er seine hartnäckigsten Widersacher in die Zange nehmen. Nach einem gemeinsamen Sieg über die Sachsen 798 auf dem Schwentinefeld bei Bornhöved schlossen die Abodriten mit dem Frankenkönig einen Vertrag, der die Grenze zwischen dem jetzt fränkisch beherrschten Sachsen und ihrem Gebiet festlegte. In dem ihnen darin vertraglich zugesicherten Ostteil Holsteins siedelte sich der abordritische Teilstamm der Wagrier an.
Der sogenannte Limes Saxoniae war keine befestigte Grenze wie sein römischer Vorläufer, sondern ein so gut wie menschenleerer Grenzstreifen aus undurchdringlichen Sümpfen und Urwäldern. Ein kleiner Grenzverkehr fand nur sporadisch statt. Schrecklich viel wußte man hüben und drüben anscheinend zunächst nicht voneinander.
Als sich ein Augustinermönch, die einzigen Schriftgelehrten ihrer Zeit in diesem Raum, im späten 12. Jahrhundert (also nach 300 Jahren Nachbarschaft) daran machte, eine “Chronik der Slawen” aufzuzeichnen, schrieb er in einem einleitenden ethnographischen Überblick:

“Die Völker der Slawen sind zahlreich. Sie wohnen am Ufer des Baltischen Meeres, das sich vom westlichen Ozean gegen Morgen hin ausdehnt. Es wird deshalb das Baltische genannt, weil es sich wie ein Balteus (Gürtel) in langem Zug durch die skythischen Gegenden bis nach Griechenland erstreckt.”

Geographie war wohl nicht die starke Seite des Mönchs, der über die Slawen natürlich nur deswegen schrieb, weil sie in der Zwischenzeit interessant geworden waren, als zu beherrschende und zu bekehrende Objekte.

“Es lohnt sich, am Eingang dieses Werks etwas von den Ländern, dem Wesen und den Sitten der Slawen vorauszuschicken und zu schildern, in wie verschlungenen Gewinden des Irrwahns sie gefesselt waren, damit an der Schwere der Krankheit um so leichter die Wirksamkeit des göttlichen Heilmittels erkannt werde.”

Besonders unter den sächsischen Kaisern hatte das sich herausbildende und verfestigende Heilige Römische Reich Deutscher Nation immer weiter nach Osten ausgegriffen und die Slawen östlich der Elbe unter dem Vorwand und mit den Mitteln der Missionierung Stamm für Stamm tributpflichtig gemacht. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Gründung des Erzbistums Magdeburg durch Otto den Großen 967, dessen ostelbisches Vorland durch die Errichtung von Marken und Burgbezirken militärisch gesichert wurde. Die Mark an der unteren Elbe wurde nach ihrem ersten Markgrafen Hermann Billung die Billunger Mark genannt und umfaßte die Siedlungsgebiete vor allem der Abodriten. Noch bevor sie unterworfen und bekehrt waren, stiftete der Kaiser schon neue Bistümer in den Slawengebieten, im Norden sollte eines seinen Sitz in der alten Hauptburg der Wagrier, in der Oldenburg (slaw. Starigrad) nehmen. (Die päpstliche Zustimmung dazu war nicht schwer zu erhalten gewesen.) Die Slawen fügten sich jedoch nicht einfach unter diese deutschen Oberherrschaftsansprüche, sondern warfen die Deutschen in kraftvollen Erhebungen mehrfach wieder hinter die Elbe zurück. Im Jahr 1018 etwa zerstörten sie sämtliche Kirchen in ihren Gebieten, und der Oldenburger Bischof konnte seine Diözese seitdem für lange Zeit nicht mehr betreten. Das Gleiche wiederholte sich nach dem Sturz des Erzbischofs Adalbert von Bremen in den Jahren 1066/67. Damals wurde sogar Hamburg von den Abodriten unter dem heidnischen Wagrierfürsten Kruto geplündert. Das Missionsbistum im wagrischen Oldenburg erlosch für die nächsten 80 Jahre.

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