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Mittwoch, 14. Mai 2008
Abend über Maskat


Gegen halb sieben am Abend rufen die Muezzine überall in der Stadt die Jungen und Männer von den staubigen Plätzen, auf denen sie sich nach dem Abklingen der allergrößten Hitze (bei nur noch 35°) zum Fußballspielen trafen, zur abendlichen Waschung und zum Abendgebet in die Moscheen. Längst nicht alle folgen ihrem Ruf. Viele nutzen die Zeit lieber für den Einkauf im Suk der Altstadt oder flanieren auf der Suche nach einem kühlenden Luftzug die Corniche von Matrah entlang. Selbst Pärchen kommen einem hier entgegen. In den weiten Falten der langen schwarzen Übergewänder der sorgfältig geschminkten, aber nicht verschleierten jungen Frauen scheint es hier und da zu verstohlenem Händchenhalten zu kommen. Im Hafen liegen zwei alte Dhaus vor Anker, um an die stolze Seefahrertradition des Oman zu erinnern, der einmal den Seehandel die ganze arabische und ostafrikanische Küste hinab bis Mombasa und Sansibar beherrschte. Selbst der Mann, der 1498 Vasco da Gama an die Hand nahm und ihm die von den Portugiesen so lange ersehnte Segelroute hinüber nach Indien zeigte, kam aus dem Oman. Nachdem die anwesenden arabischen Seehändler da Gamas Schiffe blutig aus Mosambik und Mombasa verscheucht hatten, traf er, welch ein glücklicher Zufall für die Portugiesen, in Malindi auf Ahmad ibn Majid, einen der bedeutendsten arabischen Geographen seiner Zeit. Möglicherweise ließ er sich von da Gama persönlich als Navigator (mu'allim) gewinnen und führte die kleine Flotte von drei Schiffen in drei Wochen nach Kalikut an der Malabarküste. Für die Rückfahrt ohne den Lotsen brauchten die Portugiesen drei Monate. Sie litten an Skorbut, und von den anfangs 150 Männern kehrten nur 55 lebend in die Heimat zurück. Nur zwei Jahre später wehte die portugiesische Fahne wieder im Indischen Ozean; diesmal gleich auf 13 Schiffen mit 1200 Männern an Bord. Wieder zwei Jahre später segelte erneut da Gama mit einer noch größeren Flotte nach Indien. 1509 schaltete ein Geschwader unter Francisco de Almeida vor Diu die zur Abwehr der Portugiesen ausgelaufene arabische Flotte aus, und 1510 eroberte d'Albuquerque die Insel Hormuz, den Schlüssel zum Persischen Golf. Noch zehn Jahre weiterer solcher Blitzüberfälle, und Portugal kontrollierte den gesamten Fern- und Gewürzhandel im Indischen Ozean.
Doch nach dieser Eroberungsphase hektischer Gewaltakte scheint die Hitze in der Region den Portugiesen allmählich das Hirn weichgekocht zu haben. Zumindest im arabischen Raum erwecken sie den Eindruck, recht indolente Eroberer gewesen zu sein, die sich damit begnügt zu haben scheinen, von kleinen, aber gut befestigten und kanonengesicherten Felsennestern wie den beiden Forts, die noch heute die enge Bucht von Maskat flankieren, Häfen und strategisch wichtige Punkte wie Hormuz oder den Golf von Aden kontrolliert zu haben, ohne sich groß für die Menschen, das Leben oder die Kultur im Hinterland zu interessieren. Da lebten ohnehin nur verhasste Moslems, die man erst vor drei, vier Generationen aus dem eigenen Heimatland über die Meerenge von Gibraltar zurückgetrieben hatte. Worum es den Portugiesen im arabischen Raum vornehmlich ging, war, ihren Seeweg nach Indien und zu den Gewürzinseln für die eigenen Handelsschiffe zu sichern. Den machten ihnen bald die Holländer und dann die Engländer erfolgreich streitig, und in deren Windschatten eroberten die Omanis nach und nach ihr altes Handelsnetz an der Küste Ostafrikas zurück, das sie noch im 19. Jahrhundert mit ihren schnittigen und schnellen Dhaus beherrschten.
Inzwischen sinkt der im Abenddunst verblassende Sonnenball über den Hafenkränen zügig einer Scharte im Gebirge entgegen, die genau für seinen Durchmesser ausgespart zu sein scheint. Straßenlaternen und die Lichter in den Häusern gehen an, helle Scheinwerfer tauchen das albern überdimensionierte und deplaziert wie ein UFO wirkende Weihrauchgefäß auf dem Felsgipfel über dem Riyam-Park und die alten Forts in kitschiges rosarotes und pistaziengrünes Licht. Dort oben lungerten sie also auf Wache, stocherten zwischen den Zähnen und langweilten sich, bis endlich wieder ein Schiff mit dem Kreuz Portugals auf dem Segel am Horizont aufstieg, das Nachrichten aus der Heimat oder molukkischen Pfeffer mitbrachte, mit dem sich sicher ein paar Schwarzmarktgeschäfte treiben ließen. Kein einziger informierter oder auch nur interessierter Bericht über die Weihrauchländer im Süden Arabiens aus der Feder eines Portugiesen ist je bekannt geworden, das wissbegierige Europa musste lange warten, bis es endlich den ersten Augenzeugenbericht eines abendländischen Reisenden über den unzugänglichen und geheimnisvollen Herrschaftsbereich des Imam von Oman lesen konnte. Vorgelegt wurde er 1772 vom Sohn eines friesischen Bauern aus Westerende-Lüdingworth bei Cuxhaven.

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