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Sonntag, 7. Oktober 2007
Auf die Säule getrieben
Oft wird hervorgehoben, dass alle drei großen monotheistischen Weltreligionen aus der Wüste hervorgegangen seien und nach dem Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion als Reaktion darauf ebenso das Mönchtum in der Wüste entstand. Nun ja, warum soll nicht auch in der Wüste Unfug gedacht und getan worden sein? Davon abgesehen darf man aber ein großes Fragezeichen dahinter setzen, ob die Anachoreten (griech.: Die, die sich zurückgezogen haben) tatsächlich in die Wüste gingen. Das Wadi an-Natrun oder Natrontal, in dem die ersten Christenklöster entstanden, lag auf halbem Weg zwischen Alexandria und Kairo direkt an der Karawanenstraße zur Oase Siwah und soll bis zu 5000 Mönche beherbergt haben. Das hört sich nicht sehr nach Wüste an, und die Wasser- und Vegetationsverhältnisse dürften damals noch um einiges günstiger gewesen sein als heute.
Auch die anderen Extremasketen, die berühmten Säulenheiligen, haben die kolossalen Säulen, auf denen sie sich niederließen, wohl meist nicht selbst erbaut, sondern vorhandene genutzt, sich also inmitten alter Städte auf den Sockel gestellt. Die beiden berühmtesten von ihnen, beide hießen Simeon mit Beinamen Stylites, Säule, ließen sich gleich in der Nähe von Antiochia nieder, immerhin der drittgrößten Stadt des oströmischen Imperiums, in einer Landschaft, die William Dalrymple mit Umbrien vergleicht. “Visiting these pillar saints was a popular afternoon's outing for the pious ladies of Antioch's more fashionable suburbs.” Zu Zeiten des jüngeren Styliten, Mitte des 6. Jahrhunderts, stand die Säule seines Vorgängers längst im Zentrum von vier dreischiffigen Basiliken, “built with deliberate extravagance and ostentation. It was strange: a hermit famed for his ascetic simplicity punishing himself in the finest setting money could buy. It was like holding a hunger strike in the Ritz.” (W. Dalrymple: From the Holy Mountain, 1997)

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