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Mittwoch, 3. Oktober 2007
Weitergehen
Die Wüste also ist einfach, aber komplex; Vielheit, aus Einfachem erwachsen; viel aus wenig. Ein gutes Prinzip.

Der erste Blick über die isländischen Sandwüsten zeigt wenig, sehr wenig. Abgezogenes Land im doppelten Verstand des Wortes. Abgezogen von den Gletschern, die darüber schrammten und es auf ihrem Rückzug buchstäblich abzogen. Weggeschlämmt von den Wassermassen der Gletscherläufe im Gefolge der Vulkanausbrüche unter dem Eis. Zersprengt von Wasser und Frost. Weggeblasen vom ewigen Wind aus dem Hochland oder vom offenen Meer.
Geblieben sind endlose Flächen von schwarzem Sand. Selbst der warme rotbraune Ockerton der südlichen Wüsten fehlt ihm. Zu schwarzen Fahnen reißen ihn Stürme empor. Vorhänge aus schmirgelnden Körnern. Im Winde klirren die Fahnen hier tatsächlich.



Abgezogen auch im übertragenenen Sinn: Das Abstraktum einer Landschaft, reduziert auf Linie, Farbe, Fläche. Kühle Farben: Schwarz, Weiß, Blau. Sand, Eis, Äther.
Die Wasserläufe farblos klar, den Himmel spiegelnd. Wo sie stiller fließen, in flachen Mulden, erwartet einen lautlos schreiend die erste Sensation: ein Moospolster. Lebendiges in dieser Kältewüste. Fluoreszierend grell sein Grün in der tiefschwarzen Umgebung. Einen Wasserlauf weiter, wieder in einer Mulde, sodass sie nicht über die Umgebung ragt, eine einzige Engelwurz mit den Füßen im Wasser. Auf dem kräftigen Stengel eine sternförmig prangende Dolde. Marzipanduft. Leben behauptet sich, hier, und verströmt und verduftet sich, saugt Lebenskraft aus der Dürftigkeit und gibt Leben, Samen, Duft. Leben geht über sich hinaus.
Man geht in die Wüste, um Reduktion und Leere zu suchen, und findet das Wunder, das man anderswo so leicht übersieht. Man geht und findet. Was findet man, wenn man nicht geht?
P.S.: "Wir sind nichts; was wir suchen, ist alles." (Hyperion)

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