Freitag war noch grandios: kalt, aber klar und sonnig. Nach Einbruch der Dunkelheit knipste jemand der üblichen Lichtverschmutzung über Holland zum Trotz sogar ein paar müde und kalt blinkende Sterne an. Im Licht der Straßenlaternen glitzerten auf dem Straßenbelag erste Eiskristalle auf. Doch die Herzogin ließ schon mit ihrer Miene keine Ausflucht zugunsten heimisch-heimeliger Gemütlichkeit am Kamin zu. Sie hatte schließlich Karten für ein Konzert besorgt. Und weder daß sie am nächsten Morgen zeitig zum Flughafen mußte noch eine frostige Winternacht waren da Grund genug, uns zuhause im Warmen bleiben zu lassen.
Als wir vor die Tür traten, hatte sich die Luft draußen mit Feuchtigkeit von der Nordsee richtig vollgesogen, und auf dem Fahrrad fühlte es sich an, als würde uns der böige Wind fortwährend in Eiswasser getränkte kalte Umschläge ins Gesicht klatschen.
Dafür durfte im “Trojanischen Pferd” zum Aufwärmen kräftig geschunkelt werden! So etwas wie eine Fortsetzung des niederländisch-rheinischen Karnevals mit Pedal-Steel-Guitar und Mariachi-Trompeten war im Gange. Oh boy, was ist denn aus Calexico geworden? Sind die in den letzten Jahren nur noch bei Country Festivals und Square Dance Jamborees aufgetreten? Nachdem sie bei Giant Sand ausgeschieden waren, haben Joey Burns & Co. doch durchaus ein paar ganz nette Lieder eingespielt, nichts Aufregendes aber ganz gut nebenher zu hören; doch was sie hier ablieferten, klang manchmal schon wie Jahrmarktsmusik. Da schrömmelten die Gitarren, schmetterten die Trompeten im höchsten Diskant und nagelte Schlagzeuger John Convertino im Zweivierteltakt Polkas und Pasodobles. Nur selten lief diese Sound factory zu guter Form auf. Ich begann schon bald, Kälte hin oder her, mich auf den Heimweg zu freuen. Das Quecksilber hatte sich draußen noch weiter zusammengezogen, der Hygrometerzeiger dafür kräftig Viagra eingeworfen.
Samstagmorgen lag Schnee, mittags taute er weg, Grauwetter, gemeiner Wind, schneidend aus Nord, kein Spaß, am Strand spazierenzugehen, mußte aber sein. Frontal anfliegende Schneekörner schlugen ins Gesicht. Heute morgen alles weiß, um Mittag dasselbe Tauspiel wie gestern, Regen, Schnee, Schneeregen, horizontal. Allein, mache ich endlich den Kamin an und gestatte mir, an den kurzen Ausflug in den Pariser Frühling zurückzudenken, wo leichte, bunte Kleider beschwingt durch sonnenwarme Mailuft tanzten. Ach ja...
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Schnee, Regen, Eis. Draußen ist es alles andere als einladend.
Was kann man da Besseres unternehmen, als sich mit ein paar netten Leuten zu einem guten Essen und guten Gesprächen zusammenzusetzen?
Die Geschmacksrichtungen der Gerichte wandern im Verlauf der Gänge vom Mittelmeer über Indien Richtung Thailand, die Musik kommt von überall her, die Gesprächsthemen bleiben europäisch, da gibt es genug zu bereden. Der Wein stammt aus Regionen mal nördlich, mal südlich der Pyrenäen, bis am Ende jemandem vom ganzen Hin und Her fast ein bißchen schwummerig wird. Für den Heimweg kommt nur noch ein Taxi in Frage. Draußen Schnee, Regen, Eis.
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Es gibt Momente in unserem Alltag, die beleuchten sonst einigermaßen unerklärlich im Dunkeln liegende Phänomene schlaglichtartig mit einer ganzen Flutlichtbatterie.
Vor einiger Zeit hatte ich mit meiner überwiegend vom Balkan zusammengemixten Truppe (außer einem Südafrikaner und mir alles Bosnier, Serben und Kroaten) ein Volleyballspiel gegen eine holländische Freizeitmannschaft. Die Holländer waren auch nicht schlecht, und so wurde nach einigen hart umkämpften Bällen nicht mehr geplänkelt. Einsatz und Konzentration nahmen auf beiden Seiten zu. Der erste Satz ging verloren, den zweiten gewannen wir knapp, im dritten wurde um jeden Punkt gekämpft, keine Mannschaft konnte sich absetzen. Besonders der Block der langen Holländer war unangenehm effektiv. Doch einmal stellte unser Zusteller einen Ball rückwärts über Kopf hoch und steil übers Netz, ideal. Unser rechter Außen, ein athletischer Kroate im vollen Saft seiner frühen Dreißiger, schnellte vom Boden ab, stieg und streckte sich wie ein Deuserband, stieg höher als der gegnerische Doppelblock und nagelte den Ball mit voller Wucht hinter dem Block in die gegnerische Spielhälfte. Ein Traum von einem Schmetterschlag.
Unser Mann landete, drehte sich zu uns um, riß beide Arme in die Höhe und den Mund auf und brüllte in einem Triumphschrei: “Testosteron!”
Noch Fragen zu den Geschehnissen auf dem Balkan?
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Als ich das Objektiv durch die Hecke schob, guckte jemand ziemlich indigniert darüber, daß der kleine Fischteich im Garten, in dem es sonst immer schnell ein Häppchen zu holen gibt, immer noch mit einer Decke aus Eis zugedeckt ist.
Im Moor am Tümpel
am leicht vereisten Ufer
ein grauer Reiher
(nach Kito, 1740-89)
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Naßkalter Nebel über allem, als es draußen endlich “hell” wird. Ja, doch, so könnte der Tag des Weltuntergangs aussehen. Es tropft aus dem Nebel, und wenn jetzt noch das Wasser in den Grachten und Kanälen zu steigen begänne...
Aber nein, die Geschichte verläuft eben doch nicht teleologisch, sondern zirkulär: Heute ist nicht der Jüngste Tag, sondern nur der kürzeste eines Jahres, ein weiterer Winter bricht (kalendarisch) an, die trüb graubraungrüne Nordsee wird weiter an den flachen Strand schwappen wie bisher..., doch dann reißt der Nebel über Mittag kurz auf, und die Sonne ist auf ihrem tiefsten Stand des Jahres zu bewundern. Von heute an geht’s aufwärts.
Auf in ein neues Jahr! Die Schiffe liegen bereit.
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Das vollendete Datum schlechthin. 12, die erste und einzige erhabene Zahl unter einer Billion, Zahl kosmologischer Ordnung: 12 Stunden des Tages und 12 Stunden der Nacht, 12 Monate des Jahres, zwölfjähriger Umlauf des Jupiter, 12 Tierkreiszeichen am Sternhimmel. 12 Rauhnächte, 12 olympische Gottheiten, 12 Stämme Israels, 12 Imame in der Nachfolge Mohammeds. 12 = 3x4 = heilige Trias (Körper - Seele - Geist, Ich - Es - Über-Ich) x 4 Elemente, 4 Himmelsrichtungen und Weltenden...
Irgendetwas Rundes, Abgeschlossenes, Perfektes, Vollendetes sollte sich doch heute ereignen. Aber nein, der Wagen springt wieder nicht an. Sonst ein grauer, leicht regnerischer Halbwintertag in einer grauen Stadt an einem grauen Meer – die Apotheose des Alltags schlechthin. Soll vielleicht so ein Durchschnittstag das Vollendete sein?
Zum Teufel mit aller Numerologie und Zahlenmystik!
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Berlin also glücklich entronnen, aber in der Nacht und am Morgen auch hier am Meer 1 kurzer Winterüberfall. Schraffierendes Schneetreiben, fadenscheinige weiße Decke über allem. Meine bisherige Decke erwies sich in der Nacht als zu dünn, ich fror wie ein Schneider. Und prompt springt am Morgen der Wagen nicht mehr an, trotz letzte Woche eingebauter neuer Batterie. Murks, alles.
Ich glaube, ich probier’s mal mit Voodoo und Magie: reiße die nächsten drei Monatsblätter vom Kalender ab und hoffe, daß der Winter nach dem Wochenende vorbei ist und in den Gärten der Frühling ausbricht.
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Berliner Nationalgericht, stilecht in der, Einheimischen zufolge, besten Frittenbude Kreuzbergs verschlungen.
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Es ist unglaublich, wie viele Hochzeitsgesellschaften wir an den paar Tagen in Petersburger Parks und anderen romantischen "posing locations" wie Kriegerdenkmälern, Admiralitätssäulen oder Kriegsschiffankern am Newa-Strand gesehen haben. Daraus läßt sich nur folgern: a) Petersburg ist nach wie vor eine Stadt der Marine, und b) heiraten in Pomp & Pracht & Plüsch muß absolut "in" sein.
Eine kleine Auswahl von Schnappschüssen von Brautpaaren, deren unfreiwilliger Hochzeitsgast ich wurde, möchte ich den FahrtenbuchleserInnen nicht vorenthalten.
Hochzeitskleidfarbe der Saison übrigens, wenn nicht klassisch Weiß: Magenta.
Bei der Ankunft dachten wir gleich auf der ersten Stadterkundung: Heute muß Hochzeitstag in Rußland sein. So viele frisch getraute Paare können kein Zufall sein.
Am nächsten Tag dachten wir: Oh, noch ein Tag der Trauungen.
Am dritten Tag: Hm, same procedure as last day...
Anhäufungen von Brautpaaren scheinen sich nach folgender Regel zu ergeben: Wo der Asiate sich selbst knipst, knipst der Russe seine Braut.
Ich male mir bei einigen aus, wie die Abzüge in mehr als zwanzig Jahren, so kurz vor der Silbernen Hochzeit, auf den Blümchentapeten an den Wohnzimmerwänden oder in der Schrankwand aussehen werden.
Also wenn das nicht allerliebst ist!
Jetzt weiß ich, wenn im krisengebeutelten Westen einmal gar nichts mehr gehen sollte, weil durch weiter zunehmende Überschuldung und Hyperinflation die EU am Ende doch auseinanderbricht, kann ich meine Kamera nehmen und in Petersburg als Hochzeitsfotograf arbeiten. Ein krisenfester Job mit Zukunft.
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Heute zum Hafen geradelt, bißchen Fisch holen fürs Wochenende. Ist sonst eher unromantisch nüchtern dieser kleine Fischereihafen in Scheveningen, heute lag da aber wieder so ein geflügeltes Wasserwesen und setzte gerade Segel... Lockte wie eine Sirene. Mußte mich an den Pfahl einer Hafenlaterne binden. – Jetzt habe ich doch wirklich den ganzen August hier ausgesessen, da wird es langsam wieder Zeit, die Anker zu lichten.
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