Gefährlicher noch für die demokratischen Grundlagen Deutschlands und anderer europäischer Staaten scheinen derzeit die Maßnahmen zu sein, mit denen gerade die Regierung Merkel ebenso wie viele weitere Regierungen von EU-Ländern unter dem Decknamen verschiedener “Schutzschirme” die demokratische Kontrolle ihrer Finanzmaßnahmen aushebeln wollen. Schon einmal in diesem Monat hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zu einer diesbezüglichen Verfassungsklage festgestellt, daß die Regierung mit ihrer Nicht-Informationspolitik das Parlament umgangen und mißachtet hat. Was jetzt an Bestimmungen in den unterzeichneten Entwurf für den “Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus” (ESM) eingefügt wurde, soll eine Finanzinstitution für die Euro-Mitgliedsstaaten schaffen, die von jeglicher Kontrolle und Mitsprachemöglichkeit etwa so exemt ist wie der Papst. SPD und Grüne spielen natürlich wieder einmal mit, und bei der traditionellen Unwirksamkeit außerparlamentarischer Opposition in Deutschland muß man wohl wieder einmal allein auf das unabhängige Urteil des Bundesverfassungsgerichts hoffen, das die Fraktion der Linken wohl nach Durchwinken des Fiskalpakts im Bundestag anrufen wird.
In diesem Video werden einige der neuralgischen Punkte herausgehoben:
Fußnote: Und zu allem Überfluß hat sich die deutsche Nationalelf einmal mehr von römisch abgezockten Italienern aus einem Turnier und der Bahn werfen lassen. "Sohn einer Terroristen-Hure", hat Materazzi damals zweimal zu Zidane gesagt.
Auf jeden Fall weiß man jetzt, wo Gomez die Anregung zu seiner geeligen Frisur herhat:
Aus der Verbrecherdatei der Sydneyer Polizei. Da hatten sie damals übrigens einen bemerkenswerten Fotografen.
Ach, wie schön war Helsinki!
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Aber die andere Welt ist überraschenderweise auch noch da. So erfahre ich, daß am Wochenende mal wieder die Bilderberger tagten, in Chantilly, Virginia, keine 40 Kilometer vom Hauptquartier der CIA in Langley entfernt, und gerade mal 1700 Meter vom US-Satellitenspionagedienst NRO. Praktisch, oder? Gleichzeitig lese ich, daß US-Präsident Obama (2008 kurz vor seiner Wahl eingeladen zum Bilderberg-Treffen in, ach, Chantilly, Virigina, again) derzeit täglich in Pakistan Menschen von Fernlenkwaffen (“Drohnen”) der CIA hinrichten läßt wie ein “George W Bush on steroids” (Aaron David Miller: Barack O’Romney, in: Foreign Policy). Von deutscher Seite war übrigens der Kriegsbefürworter Trittin auf den diesjährigen Bilderberg geladen.
Hier außer den üblichen Verdächtigen noch ein paar Namen aus der offiziellen Teilnehmerliste : Josef Ackermann natürlich, General Keith B. Alexander, Direktor der National Security Agency, des größten militärischen Spionagediensts der USA. EU-Wettbewerbs-Kommissar Almunia und seine Kollegen, Karel de Gucht (Handel) und Neelie Kroes (Medien und Informationsgesellschaft), der britische Justizminister und Lordkanzler Kenneth Clarke, Weltbank-Präsident Robert Zoellick, Michael J. Evans, Vizepräsident von Goldman-Sachs, und sein Kollege Peter Orszag von der Citigroup, Fu Ying, stellvertretender Außenminister der VR China, Garry Kasparov, Anastasios Giannitsis, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger griechischer Außenminister, der irische Finanzminister Michael Noonan und Spaniens stellvertretende Ministerpräsidentin Sáenz de Santamaría. Der diesmal fehlende amtierende italienische Ministerpräsident Monti gehörte vor seiner Ernennung dem Vorstand von Bilderberg an. Pascal Lamy, Generaldirektor der World Trade Organization, unser alter Spezi Roland Koch, Eric E. Schmidt, Obama-Berater aus dem Verwaltungsrat von Google, natürlich die Chefs führender Tageszeitungen wie Le Monde, El País, Financial Times, und Matthias Naß von der Zeit, sowie auch Bassma Kodani, die von der Ford Foundation ausgebildete Führerin des oppositionellen syrischen Nationalrats. (Und hier Stichworte zu weiteren Teilnehmern.)
Warum nun ausgerechnet Trittin? Es wird spekuliert (und mehr als spekulieren kann man ja nicht über diese derart abgeschotteten Treffen), daß der mögliche nächste Bundesaußenminister prophylaktisch eingebunden und auf Linie gebracht werden soll, sofern das noch nötig sein sollte. – Wann, bitte, geht die nächste Maschine zurück ins Outback?
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„Das Land wird von Sicherheitsbehörden geleitet ... Es wird regiert von Sicherheitsbeamten.“
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Wer arm ist, hat weniger lange zu leben.
Gegen den allgemeinen Trend ist die Lebenserwartung von Arbeitern mit geringem Einkommen in Deutschland im letzten Jahrzehnt erstmals gesunken. 2001 lag sie noch bei 77,5 Jahren, im Jahr 2010 aber nur noch bei 75,5 Jahren. In den östlichen Bundesländern sank die durchschnittliche Lebenserwartung von Geringverdienern sogar von 77,9 auf 74,1 Jahre.
Im Bundesdurchschnitt kostet die Verschlechterung seiner Lebensbedingungen einen Menschen mit geringem Einkommen zwei Jahre seines Lebens.
(So die Auskunft der Regierung auf eine große Anfrage der Fraktion der Linken im Bundestag, berichten FTD, Süddeutsche und andere Zeitungen.)
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Auf den Bodenbarock und das ganze Auf und Ab in den Alpenländern folgen ein paar ruhige Tage in Hamburg. Ich nutze sie u.a., um ein bißchen Zeitungslektüre nachzuholen, und finde besonders interessant einige Artikel, die einmal mehr der umtriebige und gut informierte Don Alphons in seinem Blog verlinkt hat.
Einer stammt von dem amerikanischen Wirtschaftsprofessor Michael Hudson und stand letzten Samstag (3.12.11) in dem bekannt antikapitalistischen Kampfblatt Frankfurter Allgemeine Zeitung unter der Schlagzeile zu lesen:
Hudsons sehr amerikanische Empfehlung zur Lösung der Euro-Krise darf man gern skeptisch sehen; spannend ist es aber doch, die eigenen laienhaften Eindrücke und -schätzungen aus so berufenem Mund aufs Krasseste bestätigt zu sehen. Hudson scheut sich nicht, für die Beschreibung der Lage ebenso deutliche wie längst tabuisierte Begriffe wie “Krieg” und “Klassenkampf” in den Mund zu nehmen. Seine Analyse der akuten Lage beginnt natürlich in Griechenland:
“Die EZB verlangt den Verkauf von Staatsbesitz - Land, Wasser, Häfen - sowie eine Kürzung von Renten und anderen Sozialleistungen. Die „untersten 99 Prozent“ sind verständlicherweise empört, wenn sie hören, dass die Spitzenverdiener 45 Milliarden Euro allein in Schweizer Banken geparkt haben sollen und damit weitgehend für das Haushaltsdefizit verantwortlich sind [...]
Wenn die Troika aus EZB, Europäischer Union und IWF verkündet, dass die Bevölkerung aufkommen müsse für das, was die Reichen sich nehmen, stehlen, am Finanzamt vorbeischleusen, so ist das keine politisch neutrale Haltung. Hier wird unfair erlangter Reichtum privilegiert. Ein demokratisches Fiskalregime würde progressive Steuern auf Einkommen und Grundbesitz erheben und Steuerflucht ahnden. Doch die „Troika“ schreibt eine regressive Besteuerung vor, die nur durchzusetzen ist, wenn die Regierung in die Hände nicht gewählter „Technokraten“ gelegt wird. Die Bezeichnung „Technokraten“ für die Administratoren einer derart undemokratischen Politik ist ein zynischer Euphemismus für Finanzlobbyisten oder Finanzbürokraten, die im Namen ihrer Auftraggeber als nützliche Idioten fungieren [...]
Aus Sicht des Finanzsektors besteht die „Lösung“ der Eurokrise darin, die Errungenschaften der Reformer im letzten Jahrhundert rückgängig zu machen. Das Bankensystem sollte der Wirtschaft dienen und nicht umgekehrt. Doch nun ist der Finanzsektor zu einer neuen Form der Kriegsführung angetreten [...] Wer sich vorgenommen hat, Einsparungen durchzusetzen, Sozialleistungen zu kürzen, Staatseigentum zu privatisieren, den Arbeitsmarkt zu liberalisieren, Löhne und Renten zu kürzen und Einschränkungen im Gesundheitswesen durchzusetzen, muss den Leuten sagen, dass es keine Alternative gibt. Die Wirtschaft, so heißt es, werde ohne profitablen Bankensektor (wie räuberisch auch immer) einbrechen, da Verluste der Banken bei faulen Krediten und Risikogeschäften das gesamte Finanzsystem zum Einsturz bringen. Da hilft keine staatliche Aufsicht, keine bessere Fiskalpolitik, man muss die Kontrolle vielmehr den Lobbyisten überlassen, damit die nicht mit ihren angehäuften finanziellen Forderungen im Regen stehen [...]
Natürlich gibt es eine Alternative. Es ist das, was die europäische Zivilisation - seit dem Mittelalter über die Aufklärung und die Hochzeit der klassischen politischen Ökonomie - zu schaffen bestrebt war: eine Wirtschaft ohne Einkommen aus Vermögen, frei von Sonderinteressen und Privilegien zur Erzielung von „Renten“ [...]
Privatisierung führt nicht zu mehr Preisstabilität (die angebliche Priorität der EZB), sondern zu Preiserhöhungen in der Infrastruktur, auf dem Wohnungsmarkt und bei anderen Lebenshaltungskosten und im Geschäftsleben, insofern Zinsen und andere Kosten - sowie deutlich höhere Managergehälter - umgelegt werden [...]
Seit den sechziger Jahren sind Haushaltskrisen eine gute Gelegenheit für Banken und Investoren, Kontrolle über die Fiskalpolitik zu erlangen - die Steuerlast wird auf die Arbeitnehmer abgewälzt, und die Sozialausgaben werden gekürzt, alles zum Vorteil ausländischer Investoren und der Finanzwirtschaft. Eine Schuldenkrise ermöglicht es der lokalen Finanzelite und ausländischen Banken, den Rest der Gesellschaft zu verschulden, indem sie ihr Kreditprivileg nutzen, um sich Vermögen anzueignen und die Bevölkerung in Schulden-abhängigkeit zu bringen [...] Damit diese verwegene Strategie Erfolg hat, müssen die politischen und legislativen Prozesse, die das verhindern könnten, aufgehoben werden. Politische Panik und Anarchie erzeugen ein Vakuum, in das Finanzhaie rasch eindringen und ihre eigenen Lösungen als alternativlos präsentieren [...]
Banken wollen ihr Privileg der Kreditvergabe nutzen, um an der Finanzierung staatlicher Defizite Geld zu verdienen. Sie haben also ein eigenes Interesse daran, die Option einer Monetarisierung des Haushaltsdefizits zu begrenzen. Zu diesem Zweck fahren Banken massive Attacken gegen Staatsausgaben und gegen den Staat überhaupt – der als Einziger die Macht hat, sie in die Schranken zu weisen oder alternative Finanzoptionen anzubieten [...]
Wenn der Euro kollabiert, dann deswegen, weil verschuldete Staaten der Eurozone Geld bezahlen müssen, das sie sich borgen müssen und nicht durch die Notenbank beschaffen können... Also müssen sich die Staaten Geld von Geschäftsbanken leihen. Das bietet den Banken die Gelegenheit, eine Krise zu schaffen – einzelnen Staaten mit Rauswurf aus der Eurozone zu drohen, wenn sie nicht die Bedingungen des neuen Klassenkampfs der Banken gegen die Beschäftigten akzeptieren.
Was wir heute sehen, ist eine Art Krieg. Es handelt sich im Grunde um einen Finanzkrieg, aber die Ziele sind die gleichen wie bei militärischen Eroberungen – zuerst Land und Bodenschätze, dann die öffentliche Infrastruktur, deren Nutzung kostenpflichtig gemacht wird, und schließlich andere staatliche Unternehmen oder Vermögenswerte [...]
Die staatliche Politik wird in die Hände supranationaler Finanzagenturen gelegt, die im Auftrag der Banken agieren – und im Interesse der obersten Schicht der einheimischen Bevölkerung. Wenn Schulden nicht zurückbezahlt oder umgeschichtet werden können, kommt die Zeit der Zwangsvollstreckung. Regierungen müssen mit dem Erlös aus Privatisierungen Gläubiger befriedigen. Privatisierung ist nicht nur ein Bereicherungsinstrument, es geht auch darum, Staatsbedienstete durch Arbeiter zu ersetzen, die gewerkschaftlich nicht organisiert, schlechter versichert sind und kaum Mitspracherecht haben. Der alte Klassenkampf ist also wieder da [...]
Wirtschaftskrisen verstärken Arbeitslosigkeit, und die wiederum schwächt die Position der Beschäftigten. Die Hochfinanz reibt sich die Hände, während die arbeitende Bevölkerung auf Ersparnisse verzichten und Rentenkürzungen hinnehmen muss. Die Großen fressen die Kleinen. Das ist es, was sich die Finanzbranche offenbar unter guter Wirtschaftsplanung vorstellt. ”
Zwei erhellende Beispiele dafür, wohin diese “Wirtschaftsplanung” führt, lassen sich in Counterpunch und im Blog der Financial Times nachlesen: How Germany is paying for the Eurozone crisis anyway
Kernaussagen:
Der unter dem Dach der EZB etablierte Zahlungsverbund der europäischen nationalen Notenbanken (“Target2") sieht vor, daß die Gewinne, die nationale Notenbanken in einem Land machen, denen in europäischen Ländern zur Verfügung gestellt werden, die Defizite finanzieren müssen.
Die Zahl der letzteren überwiegt spätestens seit Ausbruch der derzeitigen Finanzkrise 2008 bei weitem die der Guthaben verwaltenden Notenbanken. Eine einzige von ihnen, so FT, ist mittlerweile der Schlüsselversorger für das gesamte Eurosystem geworden, die deutsche Bundesbank. Wie eine neue Untersuchung jetzt zeigt, haben die nationalen Notenbanken der PIIGS-Staaten ihre Kreditvergabe in ihren Ländern seit Anfang 2008 um annähernd 300 Milliarden Euro erhöht. Im gleichen Zeitraum hat die Bundesbank mehr als dieselbe Summe innerhalb des Euro-Systems Target2 diesen anderen Notenbanken geliehen und sind dadurch ihre eigenen Vermögensanlagen auf den tiefsten Stand ihrer Geschichte gesunken, von 268 Mrd. € Ende 2007 auf heute noch 21 Mrd. €. Es geht ihr also selbst das Geld aus. Mittlerweile stehe sie vor der Tatsache, “that the Bundesbank will soon exhaust the stock of securities that it can sell to fund further loans to the Eurosystem. At that point, the Bundesbank could sell its gold or increase the deposits it takes from the private sector.” Letzteres hat sie bereits getan, Ersteres zu tun, weigert sie sich noch.
Und jetzt die brisante Schlußfolgerung aus all dem, die im Kern den Zusammenbruch des Euro-Systems prophezeit:
“Before long, however, the Bundesbank’s stock of domestic assets is going to hit zero, and it is highly unlikely that it will agree to sell its gold or borrow more in private capital markets. At that point, the Bundesbank will not be able to lend more funds to the Eurozone TARGET mechanism. As a result we are heading towards the multiple equilibria zone in which beliefs of a breakdown of the Eurozone are self-fulfilling. In such a situation, market participants may transfer funds from financial institutions in fiscally weak countries to other ‘safe’ countries like Germany. If a critical mass of agents were to engage in such capital flight away from fiscally weak countries, the TARGET system would be overwhelmed. In principle, a speculative attack could occur within a day, and the ECB would have to assume all of the marketable securities from countries that suffer the speculative attack. Since the ECB has a relatively small capital base, it would not be able to purchase a large amount of assets from countries that suffer the attack.”
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Im Ernst, was geht in EU-Europa eigentlich gerade vor sich? Da wagt es ein Regierungschef, in einer für sein Volk zukunftsentscheidenden Frage eben dieses Volk befragen zu wollen... - und die EU-Oberhäupter berufen einen Krisengipfel ein.
Das allein sagt doch genug über Stand und Wertschätzung von Demokratie in dieser Europäischen Union.
Ich glaube, ich bin wirklich nicht allzu oft mit Herrn Schirrmacher von der FAZ einer Meinung, aber ich danke ihm für seinen Beitrag Demokratie ist Ramsch in der heutigen Ausgabe der Zeitung.
"Dass der griechische Ministerpräsident die Schicksalsfrage seines Volkes diesem selben Volk vorlegt. Darauf reagieren der angeblich vorbildlich sparsame Bundesbürger und seine Politiker mit Panik - aber nur deshalb, weil die Finanzmärkte mit Panik reagieren. Sie alle haben sich zu Gefangenen der Vorwegnahme von Erwartungen gemacht, die an den Finanzmärkten gehegt werden... Sieht man denn nicht, dass wir jetzt Ratingagenturen, Analysten oder irgendwelchen Bankenverbänden die Bewertung demokratischer Prozesse überlassen? Sie alle wurden in den letzten 24 Stunden befragt und bestürmt, als hätten sie irgendwas dazu zu sagen, dass die Griechen über ihre Zukunft selbst abstimmen wollen", ruft Schirrmacher und berichtet, daß in britischen Blättern wie dem Telegraph und dem amerikanischen Finanzmagazin Forbes, noch in die Form von Witzen gekleidet, schon nach einem neuerlichen Putsch und einer Militärjunta für Griechenland gerufen werde!
"Only half in jest is it sometimes said that a better use for Germany’s money than pouring it down the drain of further bail-outs would be to sponsor a Greek military coup and solve the problem that way" (Telegraph, 25.10.2011)
„Dieser Witz ist deshalb so traurig und bitter, weil - wenn wir das kleine Problem ignorieren, dass Griechenland dann eine Militärdiktatur wäre - er in Wahrheit eine gute Lösung für Griechenland zeigt“, stand letzte Woche in Forbes zu lesen, aber es war natürlich nicht so gemeint, versichert Autor Worstall (nomen est omen?) in einer Nachschrift.So platt es auch klingt, aber wenn Kapital und Finanzwirtschaft die Bedingungen bedroht sieht, unter denen sie ungestört Profite einstreichen können, rufen sie nach dem Militär und Diktatur.
"Die angebliche Rationalität finanzökonomischer Prozesse hat dem atavistischen Unterbewussten zum Durchbruch verholfen. Dass man ganze Länder als faul und betrügerisch beschimpfen konnte, schien mit der Ära des Nationalismus untergegangen und vorbei. Jetzt ist dieses Gebaren wieder da", stellt Schirrmacher in deutlicher Anspielung auf das Heraufdämmern des Faschismus fest und fordert, "in dieser neuen Lage müsste Europa alles tun, um die Griechen davon zu überzeugen, warum der Weg, den es zeigt, der richtige ist."
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Warum steht diese kleine, alte Kirche mitten in der idyllischen Holsteinischen Schweiz so wuchtig und gedrungen gebaut da? Die Geschichte interessiert außer mir natürlich niemanden, und die wenigen, die sie vielleicht doch interessieren könnte, kennen sie bestimmt längst; aber man schreibt so ein Blog ja nicht ausschließlich für andere, und darum schreibe ich das folgende trotzdem einmal auf.
Das Kirchlein stand in seiner Anfangszeit, wenn man so will, mitten “im feindlichen Ausland”, im slawischen Wagrien.
Jawohl, slawisch. Nach der Abwanderung der Goten, der Wandalen und Burgunder und anderer Germanenvölker im Verlauf der Völkerwanderung rückten allmählich slawische Stämme in die siedlungsleer zurückgebliebenen Räume im Osten und Nordosten des späteren Deutschland ein. Im Lauf des 8. Jahrhunderts erreichte der Stammesverband der Abodriten den Südrand der Ostsee im heutigen Mecklenburg und drängte von da weiter nach Westen gegen die Sachsen. Damit empfahlen sie sich als Wunschbündnispartner Karls des Großen, denn mit ihnen konnte er seine hartnäckigsten Widersacher in die Zange nehmen. Nach einem gemeinsamen Sieg über die Sachsen 798 auf dem Schwentinefeld bei Bornhöved schlossen die Abodriten mit dem Frankenkönig einen Vertrag, der die Grenze zwischen dem jetzt fränkisch beherrschten Sachsen und ihrem Gebiet festlegte. In dem ihnen darin vertraglich zugesicherten Ostteil Holsteins siedelte sich der abordritische Teilstamm der Wagrier an.
Der sogenannte Limes Saxoniae war keine befestigte Grenze wie sein römischer Vorläufer, sondern ein so gut wie menschenleerer Grenzstreifen aus undurchdringlichen Sümpfen und Urwäldern. Ein kleiner Grenzverkehr fand nur sporadisch statt. Schrecklich viel wußte man hüben und drüben anscheinend zunächst nicht voneinander.
Als sich ein Augustinermönch, die einzigen Schriftgelehrten ihrer Zeit in diesem Raum, im späten 12. Jahrhundert (also nach 300 Jahren Nachbarschaft) daran machte, eine “Chronik der Slawen” aufzuzeichnen, schrieb er in einem einleitenden ethnographischen Überblick:
“Die Völker der Slawen sind zahlreich. Sie wohnen am Ufer des Baltischen Meeres, das sich vom westlichen Ozean gegen Morgen hin ausdehnt. Es wird deshalb das Baltische genannt, weil es sich wie ein Balteus (Gürtel) in langem Zug durch die skythischen Gegenden bis nach Griechenland erstreckt.”
Geographie war wohl nicht die starke Seite des Mönchs, der über die Slawen natürlich nur deswegen schrieb, weil sie in der Zwischenzeit interessant geworden waren, als zu beherrschende und zu bekehrende Objekte.“Es lohnt sich, am Eingang dieses Werks etwas von den Ländern, dem Wesen und den Sitten der Slawen vorauszuschicken und zu schildern, in wie verschlungenen Gewinden des Irrwahns sie gefesselt waren, damit an der Schwere der Krankheit um so leichter die Wirksamkeit des göttlichen Heilmittels erkannt werde.”
Besonders unter den sächsischen Kaisern hatte das sich herausbildende und verfestigende Heilige Römische Reich Deutscher Nation immer weiter nach Osten ausgegriffen und die Slawen östlich der Elbe unter dem Vorwand und mit den Mitteln der Missionierung Stamm für Stamm tributpflichtig gemacht. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Gründung des Erzbistums Magdeburg durch Otto den Großen 967, dessen ostelbisches Vorland durch die Errichtung von Marken und Burgbezirken militärisch gesichert wurde. Die Mark an der unteren Elbe wurde nach ihrem ersten Markgrafen Hermann Billung die Billunger Mark genannt und umfaßte die Siedlungsgebiete vor allem der Abodriten. Noch bevor sie unterworfen und bekehrt waren, stiftete der Kaiser schon neue Bistümer in den Slawengebieten, im Norden sollte eines seinen Sitz in der alten Hauptburg der Wagrier, in der Oldenburg (slaw. Starigrad) nehmen. (Die päpstliche Zustimmung dazu war nicht schwer zu erhalten gewesen.) Die Slawen fügten sich jedoch nicht einfach unter diese deutschen Oberherrschaftsansprüche, sondern warfen die Deutschen in kraftvollen Erhebungen mehrfach wieder hinter die Elbe zurück. Im Jahr 1018 etwa zerstörten sie sämtliche Kirchen in ihren Gebieten, und der Oldenburger Bischof konnte seine Diözese seitdem für lange Zeit nicht mehr betreten. Das Gleiche wiederholte sich nach dem Sturz des Erzbischofs Adalbert von Bremen in den Jahren 1066/67. Damals wurde sogar Hamburg von den Abodriten unter dem heidnischen Wagrierfürsten Kruto geplündert. Das Missionsbistum im wagrischen Oldenburg erlosch für die nächsten 80 Jahre.... link (0 Kommentare) ... comment
Es gibt aber auch noch erfreuliche Initiativen in diesem Land (natürlich gehen sie nicht von Politikern aus, daran hat man sich gewöhnt). Der Freitag berichtet, daß der kleine, aber feine Verbrecher-Verlag in Berlin (nomen non est omen) soeben auf höchst innovative Weise die Tagebücher von Erich Mühsam ediert hat. Nette Dinge kann man darin lesen. Kaum wurde das erste Blatt beschrieben ("Bei strömendem Regen war ich eben unten im Dorf, um mir dies Heft zu kaufen. Es soll mein Tagebuch sein."), geht es auch schon zur Sache:
"Château d’Oex, Montag, 22.8.1910
Johannes gab mir 3 Bände der Tagebücher Varnhagens von Ense mit, die ich gierig lese. Damals lohnte es noch Tagebücher zu schreiben! Trotz der Armseligkeit der vormärzlichen Politiker – welche bewegte Zeit! Welche Beziehung zwischen Geistigkeit und Öffentlichkeit! Welche Teilnahme der großen Geister (Varnhagen, Humboldt, Tieck, Bettina v. Arnim usw.) an den Geschehnissen des Tages! – Und heute? Unsre Zeit ist bei Gott nicht minder armselig, unsre Regierungen nicht minder jämmerlich, unsre Politik nicht minder chikanös, knechtschaffen und vormärzlich. Nur eins unterscheidet unsre Tage von Varnhagens: heut ist auch das Volk interesselos, und die Geistigkeit nimmt schon garnicht teil an allem was vorgeht!"
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Gegen Ende seiner ausführlichen und blumigen Bekanntmachung hatte Präsident Obama gesagt:
“On nights like this one, we can say to those families who have lost loved ones to al-Qaeda's terror: Justice has been done.”
Heute korrigierte ein Sprecher des Weißen Hauses erste Meldungen dahingehend, daß Osama bin Laden nicht bewaffnet gewesen ist. Trotzdem wurde er sofort durch zwei gezielte Schüsse in Kopf und Brust erschossen. Das sieht nicht danach aus, als habe Obama ihn lebend bekommen wollen, um ihn vor ein Gericht zu stellen und ihm den Prozeß zu machen, wie man es hier in Europa etwa mit den Kriegsverbrechern der Jugoslawienkriege tut. Es sieht danach aus, als habe der mächtigste Mann der Welt den Befehl erteilt, seinen Widersacher kurzerhand hinzurichten (und die Leiche gleich im Meer zu entsorgen). Das nennt er “Gerechtigkeit üben”. Es muß eine speziell us-amerikanische Art von Gerechtigkeit sein.
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"Am Wochenende habe ich mich erstmals mit dieser Arbeit befasst...”
Auf seiner Homepage laufen immer noch folgende Parolen:
"Politik braucht klare Werte"
"Richtschnur meines Handelns war und ist Prinzipienfestigkeit und Grundsatztreue"
Welche Prinzipien muß man fragen. Anstand, Ehrlichkeit und Konsequenz können nicht dazugehören, denn sonst wäre spätestens jetzt der Rücktritt erfolgt. Daß er sich jetzt noch immer mit Pattex an der Hose auf seinem Ministerstuhl festklammert, zeigt wohl zur Genüge, wie falsch die ganze Zeit über der wohlwollende Irrglaube war, der Mann sei so reich, daß er von politischen Ämtern gänzlich unabhängig sei. Falsch. Der Mann braucht den Glamour des öffentlichen und politischen Lebens wie ein Gigolo den Spiegel.
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