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Sonntag, 28. September 2014
Jowalbinna. Holprige Piste in die Traumzeit
Andere in der Gruppe schienen in den kleinen, halboffenen Wellblechhütten auf der Waldlichtung nicht so herrlich zu schlafen wie wir. Als die ersten Strahlen der Morgensonne rotgolden durch den Fliegendraht einfielen und ich aufstand, hatte schon jemand Holz auf die Glut vom Vorabend gelegt und das Feuer für den Frühstückstee angefacht. Blauer Rauch stieg kräuselnd zu den Baumwipfeln auf.
Nach dem Frühstück fuhren wir zum Farmhaus der Tresizes. Es stand auf einer niedrigen Anhöhe ebenfalls auf einer allerdings vollkommen gerodeten Lichtung im Wald, ein breiter, flacher Holzbungalow unter einem tief herabgezogenen und weit vorspringenden Wellblechdach, unter dem eine Menge unaufgeräumtes Gerümpel lagerte, ein ausrangierter Kühlschrank, ein altes Bettgestell, mehrere Bretterstapel. Der staubbraune, kahle Erdboden rund um das Anwesen ließ es auch nicht wohnlicher erscheinen.
Ulla-Lena ging darauf zu und erschien bald in Begleitung eines Mannes auf stämmigen Beinen in Khakishorts und den kurzen australischen Buschgamaschen, die die Knöchel umschließen wie Achsmanschetten. Sein hellblaues Hemd sah aus der Ferne sauberer aus, als es in der Nähe roch. Früher hätte man gesagt, dem Haus und dem Mann fehlten die ordnende und pflegende Hand einer Frau. Ein erster Eindruck, der später noch durch manches bestätigt wurde.
Nach einem kurzen ‟Hi” warf Steve Tresize einen Seitenblick auf Wendys SUV und schlug vor, daß wir besser in seinen Wagen umsteigen sollten. ‟Parts of the track can be a bit rough”, erklärte er.

They were indeed. An einem übel von groben Baumwurzeln und Steinbrocken durchsetzten Hang rutschte auch seine Karre in mächtigen Staubwirbeln ab und setzte ein paarmal derbe auf. Als sich ein hochgeschleuderter Stein zwischen Querlenker und Achsschenkel verkeilte, hielt auch ein Tresize lieber erst einmal an. Wir stiegen aus und füllten die tiefsten Löcher mit kleineren Steinen. Die aber schleuderten die Räder beim Anfahren nur prasselnd gegen den Unterboden oder ins Gebüsch. Größere Brocken mußten bewegt werden. In der Zwischenzeit hatte ein solider alter Nissan Patrol zu uns aufgeschlossen, ‟Toby”, stellte sich der Fahrer vor, ‟all right if I join you?”


Wir gingen mit vereinten Kräften an die Arbeit, bis auch Steves Wagen den Anstieg unter schmerzlichen Achsverschränkungen schaffte. Oben ging es noch eine ganze Weile weiter durch mehr oder weniger dichten Eukalyptuswald mit etlichen Kängurus, bis wir die Wagen an einem Abhang stehen ließen und zu Fuß weitergingen. Steve führte uns durch den Busch und machte uns auf Pflanzen aufmerksam, die die eingeborenen Jäger und Sammler nutzen, wie zum Beispiel die Nondapflaume, deren Früchte anders als viele andere in der Trockenzeit reif werden und deshalb willkommen waren. Ich fand, sie schmeckten fad wie eine Kreuzung aus Birne und Kartoffel. Ein andermal bückte sich Steve, sammelte eine Handvoll kleiner, rötlichgelber, kirschgroßer Beeren auf und verteilte sie zum Probieren. ‟Quinine bush”, sagte er, ‟obwohl das Zeug kein Chinin enthält und deshalb auch nicht gegen Malaria hilft. Die Eingeborenen meinen, es sei gut zur Schwangerschaftsverhütung. Just in case”, grinste er und ging weiter. ‟Ich brauche es zur Zeit nicht, aus Mangel an Gelegenheit.”
Wendy zog einen Flunsch, die Herzogin hob eine Augenbraue.

Wer uns weiter zu den steinalten Felsmalereien am Sandy Creek begleiten möchte, klicke bitte hier.

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Sandy Creek, Jowalbinna. Tief in die Traumzeit eindringen

Nach einer weiteren Viertelstunde erreichten wir die uralten Regenzeitwohnplätze am fast ausgetrockneten Sandy Creek. Von einer Felswand leuchtete uns ein fetter weißer Aal entgegen. ‟Dieser prächtige Phallus hatte früher schon die gleiche Wirkung wie heute”, erläuterte Steve. ‟Wie ein Warnzeichen. Es signalisierte den Frauen: Bleibt weg! Der Ort hier oben ist Männern vorbehalten. Dahinter kommen wir nämlich zu einer Höhle oder einem engen Felsdurchlaß, der nach Meinung meines Vaters für die Initiation von Jungen genutzt wurde.”


‟Warum aber sind an den Eingang zu diesem steinernen Geburtskanal ein Mann und eine Frau gemalt?”, fragte er, als wir vor dem schmalen Spalt standen. ‟Wir wissen es natürlich nicht mehr, aber mein Vater hatte die Vermutung, daß es mit dem kosmogonischen Zwei-Brüder-Mythos zu tun haben könnte, und dann hätten wir hier die beiden Brüder Mond und Venus abgebildet. Zu Anbeginn der Zeiten gab es nämlich noch keine Frauen. Der Mond war ein Mann, und Venus war sein Bruder. Weil aber der Mond fruchtbar sein und zeugen wollte, lockte er seinen Bruder Venus zu sich – man sieht die beiden ja manchmal in Konjunktion am Abendhimmel – und dann kastrierte er Venus und machte die erste Frau aus ihr.”
‟Der Mond ein Mann, die Venus ein Mann”, schüttelte Ulla-Lena den Kopf. ‟Das Denken der Aborigenes scheint wirklich so patriarchalisch geprägt zu sein, wie man immer liest.”
‟Yeah”, sagte ich und ahmte die Stimme von Roy nach.
‟Das Thema Fruchtbarkeit scheint hier bei vielen Bildern eine Rolle zu spielen”, fuhr Steve fort. ‟Aber das liegt ja auch nahe. Ihr müßt euch den Ort hier mal in der Regenzeit vorstellen. Dann ist der Sandy Creek ein schäumender Fluß, und es quillt hier überall von Leben. Guckt euch nur das Paar Fische hier an. Es kann natürlich auch ein Totemzeichen sein. Kann sein, daß die Barramundi-Leute von weiter unterhalb am Creek hier ihren Versammlungsplatz hatten. Eigentlich sind mein Vater und ich aber davon überzeugt, daß es hier ein Emu-Heiligtum gab. Die alten, initiierten Männer vom Emu-Clan verfügten über das größte geheime Wissen. Sie waren von allen in die meisten Geschichten aus der Traumzeit eingeweiht, und dafür hat mein Vater hier einige Anzeichen gefunden. Der Zwei-Brüder-Mythos – wenn er denn hier abgebildet ist – ist nur eins davon, der stammt nämlich gar nicht von hier, sondern gehörte eigentlich anderen Stämmen viel weiter nördlich am Kap York.”

Sandy Creek, Jowalbinna, QLD
Steve Tresize, Sandy Creek, Jowalbinna, QLD
Steve führte im Lauf dieses Tages noch häufiger seinen Vater als Zeugen ins Feld, und das ist keineswegs verwunderlich. Percy Tresize war derjenige, der in den 1960er Jahren die ersten Stätten mit den alten Felsmalereien wiederentdeckte. Nachdem er hier am Sandy Creek in drei Metern Tiefe eine Steinzeitaxt ausgegraben hatte, die sich mit einem Alter von, well, 32.000 Jahren als die älteste zurechtgeschliffene und nicht -gehauene Axt im ganzen australo-asiatischen Raum herausstellte, kaufte er die Farm, zu der das Land am Sandy Creek gehörte, nannte sie mit einem Aborigenewort in Jowalbinna um, was so viel wie Dingoohr bedeuten soll, und machte sich an die weitere Erkundung der Sandsteinfelsen auf seinem Land. Percy Tresize ist der Entdecker der Quinkan-Kunst. An einem Felsüberhang, den er ‟Early Man” nannte, fand er eingravierte Steinritzungen, die vielleicht Fußspuren von Emus symbolisieren und sich durch weitere Grabungen auf ein Alter von mindestens 13.500 Jahren datieren ließen.
‟Ihr steht hier mindestens knöcheltief in der Traumzeit, und das ist eine gewaltige Untertreibung”, sagte Percys Sohn Steve, als wir vor diesen Petroglyphen standen.
Petroglyphen "Emu tracks", Jowalbinna

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Donnerstag, 25. September 2014
Buschcamp oder nicht?

Nicht weit hinter Laura zweigte eine staubige Piste von der Asphaltstraße ab, die uns nach Roys Auskunft zur Farm von Matt und Steve Tresize führen sollte. Sie kurvte als Feldweg oder bald nur noch schmale Fahrspur durch den Busch, mitunter verschwand etwas Erdbraunes in großen Sätzen zwischen den Bäumen: unsere ersten Kängurus auf dieser Reise. Als wir uns allmählich zu fragen begannen, ob wir wirklich den richtigen Abzweig genommen hatten, entdeckten wir an einem Baum ein kleines Brett mit der handgemalten Aufschrift ‟To the station”. (Im australischen Outback ist eine Station kein Bahnhof, sondern eine Farm.) Beruhigt fuhren wir weiter und kamen bald an ein Wasserloch oder eine größere, lehmgelbe Pfütze. Wendy, die buscherfahrene Australierin, fuhr ohne anzuhalten hinein, und fast wären wir stecken geblieben, weil der Grund der Pfütze aus sehr tiefem durchgeweichtem Schlamm bestand. Ein paar Kilometer weiter kam das, was die Australier leicht untertreibend als ‟dip” bezeichnen, was sich aber manchmal als recht tief eingeschnittene Senke mit steilen Seitenwänden herausstellt. So auch diesmal, und an ihrem Grund kreuzte ein kleines Flüßchen unseren Weg. Diesmal schaltete Wendy vorsichtig den Allradantrieb zu, und wir holperten behutsam über die Wackersteine im Flußbett.





Die Sonne hing schon zwischen den obersten Baumwipfeln, als sich der Wald etwas öffnete und wir auf einer Lichtung eine Handvoll kleiner Wellblechhütten verstreut sahen. ‟Ah, unser Buschcamp”, sagte Wendys Tante Jennifer erleichtert.
Wir hielten vor der größten Hütte auf dem offenen Platz in der Mitte und stiegen aus.
‟This is not a bushcamp. It has cabins and a donkey”, stellte Wendy fest. Ein richtiges australisches Bushcamp mußte sich also durch weitaus weniger Luxusausstattung auszeichnen. Jennifer, diese sehr britisch passionierte Sammlerin frühgeschichtlicher Fels- und Höhlenmalerei aus dem Süden Englands, sah sich verstohlen nach einem Esel um und fand aber keinen. Ich folgte Wendys Blick und entdeckte vor einer der Hütten ein altes Ölfaß, unter dem ein offenes Feuer brannte. ‟Wir werden heute abend heißes Wasser zum Duschen haben”, bestätigte Wendy. ‟Der Donkey wird schon geheizt.”
‟Das wird aber auch unser einziger Luxus hier sein”, meinte Ulla-Lena, die bereits die große Hütte inspiziert hatte. ‟Kein Strom, kein Licht, kein Gas.”
‟Nein, gekocht wird auf dem Feuer”, klärte uns Wendy auf.
‟Dann setze ich schon mal Wasser für einen Tee auf”, entschied die Herzogin. ‟Einen Billy habe ich schon gefunden.” Auch sie hatte ihre Robyn Davidson gelesen und wußte, daß die Australier einen Teekessel Billy nennen. Trotz der Affenhitze hielt sie es für das Angebrachteste, erst einmal Tee zu trinken. Bis das Wasser im Billy kochte und der Tee zog, ging die Sonne bereits unter. Zwischen den Bäumen war es schon fast vollständig dunkel, nur im Westen hielt sich in der Höhe noch ein Rest blauer Helle, bis auch dort etwas plötzlich den Himmel verdunkelte. Schrilles Kreischen erfüllte die Luft, und eine einzige Wolke aus großen Flughunden schob sich wie eine Gewitterwand über den Himmel. Dann war es schlagartig Nacht.

(Luxusdomizil im australischen Busch)

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Montag, 22. September 2014
Quinkan Art






Am nächsten Morgen geht es von der Küste landeinwärts in die Berge. Ein paar Anstiege, ein paar Serpentinen durch Regenwald und wir kommen auf eine offene Hochebene, auf der vor allem Mangos und Kaffee angebaut werden; dahinter Savanne mit allmählich wieder dichter werdendem Busch- und Baumbestand, bis sich aus dem grünen Wald das Sandsteinplateau von Laura erhebt. Es ist an die zehntausend Quadratkilometer groß, und seine steilen Randklippen sind von etlichen Schluchten zerfurcht. Darin Felsüberhänge, ausgewaschene Höhlen und am Fuß Trümmerfelder von großen, tonnenschweren Felsblöcken, überall öffnen sich Wölbungen und Hohlräume im Sandstein, die in der Regenzeit Schutz vor den massiven Wolkenbrüchen und ergiebigen Regenfällen bieten. Die Aborigenes haben sie seit Anbeginn ihrer Landnahme als Versammlungsplätze, als Wohnorte in der Regenzeit und als geheiligte Stätten der Initiation junger Männer und geheimer Riten eingeweihter Männer genutzt.

Am regionalen Kulturzentrum in Laura treffen wir Roy. Er ist als Ranger und Guide beim Zentrum angestellt und wird uns zu einigen der mehr als tausend Fundstellen alter und sehr alter Felsbilder führen. Leider hat Roy keinen Führerschein, und so dürfen wir selbst das große Buschtaxi über schmale, sandige und teils felsige Waldpfade steuern. Der hochrädrige LandCruiser wühlt sich wie auf Schienen durch Sand und tiefe Furchen, während Zweige auf beiden Seiten gegen Spiegel und Seitenfenster peitschen. Ziel sind die Galerien von Quinkan-Bildern, tief im Busch verstreut. Quinkan sind nach Roys Auskunft böse Geister, die in Felsspalten hausen und Menschen ins Verderben locken wollen. Sie sind auf den Felsbildern sehr dünn dargestellt, haben große, runde Augen und eigentümliche Schlappohren. Abgebildete Tiere bezeichnet Roy als Totemtiere bestimmter Clans: Krebs, Fisch, Yamswurzel, Känguru und Emu. Letztere sollen besonders hoch angesehene Clans bezeichnen, weil ihre Mitglieder in sehr viele Geschichten aus der ‟Traumzeit” eingeweiht waren. Roy kennt sie nicht und überhaupt auch nur Versatzstücke der Geschichten, die die Bilder möglicherweise erzählen. Er benennt meist Motive, die man mit ein bißchen Vorwissen fast auch allein von ihnen ableiten könnte. ‟This Flying Foxes, yeah. They live here, sleep in the cave, hanging upside down, yeah.”

Aber Roy stammt auch nicht aus dieser Gegend, wie die wenigsten Aborigenes, die heute um Laura leben. Die ursprünglich hier ansässigen Eingeborenen standen den Weißen im Weg, die nach der Entdeckung von Gold am Laura River nach 1873 in Scharen in die Gegend strömten. Die meisten Schwarzen wurden deportiert, und wer sich wehrte wurde massakriert. 1922 dezimierte grassierende Lungenentzündung die Eingeborenen weiter. Später siedelte man welche aus anderen Gegenden als billige Arbeitskräfte hier an. Die Kontinuität in der Weitergabe der lokalen Geschichten war abgerissen. Die zugezogenen Aborigenes kannten sie nicht, und sie kannten bald kaum noch die Stätten, an denen ihre Vorgänger ihre Clanzeichen und Geschichten auf den Felswänden ihrer Wohnplätze und geheiligten Stätten verewigt hatten. Sie interessierten sich nicht für sie, es waren nicht ihre Bilder und nicht ihre Geschichten, und die traditionelle Lebensweise war nicht mehr die ihre. Sehr viele langweilten und soffen sich in abgeschotteten ‟communities” langsam zu Tode.

‟We now know that people’s rights to land vary according to the links they have with the ancestral beings that created or traversed the landscape and were transformed into its physical features [...] Their travels are represented by myth sequences (colloquially called ‘songlines’), which form paths linking sites over a wide area and are expressed in song cycles and ceremonial reenactments.”

So faßte Mike Davies in seiner Archeology of Australia’s deserts (2013) den Kern der seinerzeit von Chatwin bei uns bekannt gemachten Songline-Tradition bei den Aborigenes zusammen. ‟Rock paintings and engravings are grounded in a totemic mythology that articulates ritual relationships between people and place [...] Most rock art is conceptually linked in some fashion to the place where it occurs and most relates to the ‘dreaming’. Painting of totemic designs in rockshelters appears to have been exclusively the work of senior initiated men” – und die heute um Laura lebenden Aborigenes kamen aus anderen Gegenden und waren dementsprechend nicht in die Songlines und Place dreamings eingeweiht, die zu den Felsbildern der Quinkan-Kunst gehörten.

Weiße Forscher fanden die bemerkenswerten Felsbilder in den Wäldern wieder und versuchen sie zu rekonstruieren. Als sie die Aborigenes nach ihnen befragten, wollten diese zunächst gar nicht glauben, daß die Bilder von Menschen gemalt worden waren. (Smith:2013, Edwards:1966)
Roy bekräftigt nur mantrahaft das hohe Alter der Quinkan-Kunst, das tief bis ins Dunkel der Vorgeschichte zurückreicht. Es ist allerdings bis heute nicht zweifelsfrei und kaum exakt nachgewiesen, ältere Abbildungen wurden im Lauf der Jahrhunderte immer wieder übermalt, sodaß sich auf den Felswänden oft ein buntes Palimpsest übereinanderliegender Bilder und Farbschichten findet. Die frischeren Darstellungen reichen bis in die Zeit des Goldrauschs oder sind vielleicht noch jünger. Am sogenannten ‟Giant Horse” sieht man nicht nur ein großes Pferd in gelbem Ocker, sondern auch seinen Reiter, der gerade abgeworfen wird und gekleidet und bewaffnet ist wie ein Cowboy. ‟Sorcery, yeah”, stößt Roy hervor. Die Aborigenes, die dieses Bild gemalt haben, wollten den weißen Reitern damit Hals- und Beinbruch auf den Leib hexen. Der Weiße, der diese Bilder heute erforscht, macht uns am nächsten Tag darauf aufmerksam, daß zu der Gruppe auch eine mit demselben Ocker gemalte Frauenfigur gehört. ‟Ich denke, diese Aborigene ist vorher von dem Reiter vergewaltigt worden, und der Schadenszauber des Malens ist Teil oder Wunsch einer Rachehandlung. Aber genau weiß das keiner mehr.”

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Freitag, 19. September 2014
Ein bißchen Luxus vor dem Aufbruch

Wir landeten am späten Nachmittag in Cairns, die Sonne stand schon tief zwischen einigen grauen Wolkenbänken. Magisches Licht, die Luft samtig warm, wie Feuchtigkeitsbalsam auf der Haut.
Unsere kleine Truppe von Höhlenforschern und Spezialisten für frühgeschichtliche Felsmalerei sammelte sich in einem gemütlichen, kleinen B&B zwischen Cooktown und Cairns. 7 Personen mit 8 Staatsangehörigkeiten: australisch, englisch, finnisch, griechisch, irisch, portugiesisch, serbisch, deutsch. Bevor wir zu unserer ersten Expedition ins Landesinnere und zu den Felsbildern steinzeitlicher Aborigenes aufbrachen, waren wir eingeladen, an einer kleinen Zeremonie im balinesisch inspirierten Garten teilzunehmen, für die Australier nüchtern die Bezeichnung ‟private function” verwenden. Die kleine Feier endete aber gar nicht so nüchtern wie befürchtet, sondern vielmehr als ein recht fröhlicher und gelungener Auftakt für die anschließende Reise und die, die noch kommen sollen.





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Dienstag, 16. September 2014
Endeavour River
Die von Untiefen blockierte Flußmündung war schwierig zu passieren, und die Endeavour lief zweimal auf Grund, bevor die Mannschaft sie mit auflaufender Flut endlich ein Stück weit den später nach dem Schiff benannten Fluß hinauf manövrieren konnte. Ein Landesteg wurde gezimmert und Vorräte, leere Wasserfässer und weitere Ladung und Ausrüstung wurden in ein Zeltlager an Land geschafft. Dann ließ Cook die Endeavour von den Booten auf eine Sandbank ziehen und bei Ebbe auf die Seite legen, um das Leck auszubessern. Die Korallen hatten sieben Planken fein säuberlich durchschnitten – ‟wie von Menschenhand mit einem stumpfen Werkzeug”, staunte Cook. Und der immer etwas vollmundigere Banks brachte sogar die Vorsehung ins Spiel: ‟in the middle was a hole large enough to have sunk a ship with twice our pumps but here providence had most visibly workd in our favour, for it was in great measure pluggd up by a stone”, einem Stück Koralle, das beim Aufprall vom Riff abgebrochen und im Loch in der Bordwand stecken geblieben war. Glück im Unglück.
Wie aber sollten sie nach einer Reparatur des Schiffs den Ort ihrer Rettung wieder verlassen? In Begleitung von Banks und seinen Offizieren erstieg Cook einen 160 Meter hohen, grasbewachsenen Hügel, um sich einen Überblick über ihre Lage zu verschaffen.
‟When we came there the Prospect was indeed melancholy”, schrieb Banks. ‟The sea every where full of innumerable shoals, some above and some under water, and no prospect of any streight passage out. To return as we came was impossible, the trade wind blew directly in our teeth.” Blick über den Endeavour River von Cooks Ausguck auf dem "Grassy Hill" bei Cooktown Fast sieben Wochen sollte die Endeavour in der Flußmündung liegen bleiben. Es war der längste Landaufenthalt der Cook-Expedition in Australien. Im Verlauf der Wochen hatten die Naturforscher reichlich Gelegenheit, viele Pflanzen zu sammeln und Tiere für ihre Sammlungen zu schießen. Baden war nicht sehr angesagt. Immer wieder sichteten sie große Krokodile im Wasser. Wiederholt kam es auch zu vorsichtigen Kontakten mit den Eingeborenen. Allerdings fanden Besatzungsmitglieder die Kleidungsstücke, die sie den nackten Wilden verehrt hatten, Tage später alle auf einem Haufen im Busch wieder.
In seinem ‟Abschlußbericht” über das neu gefundene Land hat Cook Ende August 1770 wieder auf See einen sehr bemerkenswerten (und vielzitierten) Absatz über dessen Ureinwohner eingefügt, der seinen Ursprung sicher im Verhalten der Aborigenes am Endeavour River hat und den nüchternen Seefahrer fast als romantischen Rousseauisten erscheinen läßt.

‟Aus dem, was ich über die Eingeborenen Neu-Hollands berichtet habe, mag mancher den Schluß ziehen, sie seien die elendesten Kreaturen auf Erden; doch in Wirklichkeit sind sie weit glücklicher als wir Europäer. Sie befinden sich in völliger Unkenntnis der überflüssigen wie notwendigen Annehmlichkeiten, welchen das höchste Streben der Europäer gilt, und sie sind glücklich durch ihr Unwissen. Sie leben in einer Ruhe, welche nicht durch die Ungleichheit der Lebensbedingungen gestört wird; das Land und das Meer versorgen sie von selbst mit allen Dingen, die zum Leben notwendig sind. Sie begehren keine prächtigen Häuser, Haushaltsgegenstände etc., sie leben in einem warmen und angenehmen Klima und sind mit einer gesunden Luft gesegnet. So bedürfen sie kaum der Kleidung, und dessen scheinen sie sich voll bewußt zu sein, denn viele, welchen wir Tuch etc. gaben, ließen dieses achtlos am Strand und in den Wäldern liegen, als ein Ding, wofür sie keinerlei Verwendung hatten. Kurz, sie schienen auf keines der Dinge Wert zu legen, die wir ihnen gaben.”

The Honourable Sir Joseph Banks hatte am 25. Juni am Endeavour River Jagdglück: ‟In gathering plants today I myself had the good fortune to see the beast so much talkd of, tho but imperfectly; he was not only like a grey hound in size and running but had a long tail, as long as any grey hounds; what to liken him to I could not tell, nothing certainly that I have seen at all resembles him.”
Mitte Juli erlegte der Zweite Offizier eines dieser seltsamen, nie gesehenen Tiere. ‟To compare it to any European animal would be impossible as it has not the least resemblance of any one I have seen. Its fore legs are extreemly short and of no use to it in walking, its hind again as disproportionaly long; with these it hops 7 or 8 feet at each hop.” – ‟The Beast which was killd yesterday was today Dressd for our dinners and provd excellent meat.”

Um dieselbe Zeit legten die Aborigenes allmählich ihre Scheu vor den weißen Geistern ab. Es kam zu erstem Tauschhandel, und auf Nachfrage nach dem seltsamen Tier nannten sie es ‟Gangarru”. In der Sprache der Guugu Yimidhirr war das der Name für ein Graues Riesenkänguru. ‟Hätte Cook nach einem kleinen roten gefragt, würde die ganze Welt heute ‘Nharrgali’ sagen”, erklärte sein eingeborener Gewährsmann dem Cook-Biografen Tony Horwitz.
Am 4. August des Jahres 1770 war es endlich so weit, daß die Endeavour wieder klar zum Auslaufen war. Captain James Cook soll das letzte Wort zu dieser Episode seiner ersten Weltumsegelung haben:

"In the P.M., having pretty moderate weather, I order'd the Coasting Anchor and Cable to be laid without the barr, to be ready to warp out by, that we might not loose the least opportunity that might Offer; for laying in Port spends time to no purpose, consumes our Provisions, of which we are very Short in many Articles, and we have yet a long Passage to make to the East Indies through an unknown and perhaps dangerous Sea; these Circumstances consider'd, make me very Anxious of getting to Sea. The wind continued moderate all night, and at 5 a.m. it fell calm; this gave us an opportunity to warp out. About 7 we got under sail".

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Sonntag, 14. September 2014
Der Schiffbruch

[Ebbe am Great Barrier Reef, Low Isles]

Am Abend des 10. Juni 1770 glitt die Endeavour plötzlich über eine Bank in nur zwölf Metern Tiefe. Die Männer, die beim Abendessen in der Messe saßen, hielten sie für den letzten Ausläufer der Untiefen, die sie bei Sonnenuntergang gesehen hatten, und gingen in aller Ruhe schlafen. Cook hatte sicherheitshalber angeordnet, während der Nacht mit gerefften Segeln auf Kurs Nordost zu Ost auf weiteren Abstand vom Land zu gehen.

‟But scarce were we warm in our beds”, schrieb Banks später in sein Tagebuch, ‟when we were calld up with the alarming news of the ship being fast ashore upon a rock, which she in a few moments convincd us of by beating very violently against the rocks. Our situation became now greatly alarming: we had stood off shore 3 hours and a half with a plesant breeze so knew we could not be very near it: we were little less than certain that we were upon sunken coral rocks, the most dreadfull of all others on account of their sharp points and grinding quality which cut through a ships bottom almost immediately.”

Die Endeavour hatte sich etliche Seemeilen weit vom Land entfernt mit Anlauf auf ein Riff gespießt. Trotzdem behielten alle die Nerven, rühmte Banks: ‟The officers however behavd with inimitable coolness”.
Cook ließ erst einmal ein Boot ausbringen und rund um das mit Wucht gegen das Riff schlagende Schiff loten. Banks: "All this time she continued to beat very much so that we could hardly keep our legs upon the Quarter deck".
Anschließend gab Cook Befehl, Geschütze, Eisen und Ballaststeine, Fässer und entbehrliche Vorräte über Bord zu werfen, "denn dies schien die einzige Möglichkeit, welche uns verblieben war, es loszubekommen, da wir ungefähr auf dem Höhepunkt der Flut strandeten." Doch auch mit der nächsten Flut kam die Endeavour nicht frei. Erst gegen 9 Uhr am Abend des nächsten Tages "richtete sich das Schiff auf, und das Leck gewann in beträchtlicher Weise die Oberhand über die Pumpen. Dies war ein alarmierender und, wie ich sagen darf, höchst fataler Umstand, durch welchen uns sofortige Zerstörung drohte, sobald das Schiff flott war. Dennoch beschloß ich, alles zu riskieren".

Um 22.20 Uhr kam das Schiff endlich vom Riff frei, und sofort begann mehr Wasser einzuströmen, als die Pumpen bewältigen konnten. Einer der Kadetten, Jonathan Monkhouse, der schon einmal die Rettung eines sinkenden Schiffs mitgemacht hatte, machte einen Vorschlag, wie man das Leck provisorisch abdichten könnte. Unter seiner Anleitung wurde ein Segel mit einer Mischung aus Lumpen, Werg und klebrigem Unrat gefüttert und anschließend mit Leinen unter das Schiff bugsiert, bis der Wasserdruck es gegen das Leck preßte. Dann nahm die Endeavour Kurs auf das Land.
Da widriger Wind einsetzte und zunächst kein geeigneter Landeplatz in Sicht kam, mußte das lecke Schiff noch weitere fünf Tage auf See ausharren - "having nothing but a lock of Wool between us and destruction" (Banks) -, bevor es am 18. Juni mit der Flut endlich in eine Flußmündung einlaufen konnte.
"Moor'd her alongside of a Steep Beach on the South side", trug Cook erleichtert ins Logbuch ein.

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Freitag, 12. September 2014
Im Labyrinth der Riffe

Bis dahin hatten sie auf ihrer langen Reise viel Glück gehabt. Patrick O’Brian bezeichnete ihr Schiff später als ein glückliches Schiff. Sie hatten Kap Horn ohne größere Schwierigkeiten umsegelt. Ebenso problemlos hatten sie die erst im Jahr zuvor von Weißen entdeckte Insel der Seligen wiedergefunden: Otahiti. Das war kein so großes Kunststück, denn der Erste Offizier an Bord, Leutnant Gore, hatte zur Besatzung von Kapitän Wallis’ Dolphin gehört, die im Juni 1767 als erstes europäisches Schiff Tahiti erreichte. Auf der Trauminsel hatten sie u.a. den offiziellen Teil ihres Auftrags erfüllt, die Beobachtung des Venus-Durchgangs am 3. Juni 1769. ‟Den ganzen Tag zeigte sich keine Wolke, und die Luft war völlig klar.” Andere ausgesandte Astronomen an den übrigen 75 Beobachtungsorten hatten weniger Glück, und der ganzen weltweiten Operation war kein Erfolg beschieden. James Cook aber führte anschließend auch den geheimen Teil seiner Instruktionen erfolgreich aus: Er umsegelte die beiden Inseln Neuseelands und wies damit zweifelsfrei nach, daß sie nicht die Ostküste eines von Dalrymple und vielen anderen postulierten Großkontinents auf der Südhalbkugel waren.

Der Rückweg war Cook von der Admiralität freigestellt worden. Angesichts des mitgenommenen Zustands der Endeavour entschied er sich für eine nach Westen führende Route, um das Schiff in Batavia überholen zu lassen und unterwegs möglichst die Ostküste von Neu-Holland und Van-Diemens-Land zu finden. Ein Sturm in den ‟Roaring Forties” trieb die Endevaour weiter nach Norden, als Cook beabsichtigt hatte. So verpaßten sie die Bass-Strait und landeten zwanzig Monate nach ihrer Abfahrt von England am 28. April 1770 auf dem 34. Grad südlicher Breite in einer geschützten Bucht. Cook taufte sie Botany Bay, weil seine beiden Botaniker Banks und Solander nach einem ersten Austausch von Speeren und Schrotkugeln mit den Eingeborenen und anschließender argwöhnischer gegenseitiger Beobachtung aus der Distanz beim Botanisieren reiche Beute machten. ‟Our collection of Plants was now grown so immensly large”, notierte Banks schon am 2. Mai in sein Tagebuch. ‟Die Vielzahl neuer Pflanzen etc., die Mr. Banks und Dr. Solander an diesem Ort sammelten, veranlaßte mich, ihm den Namen Botany Bay zu geben”, schrieb Cook in sein Bordbuch und ließ am 7. Mai, mit frischem Trinkwasser versorgt, die Anker lichten. Die folgenden fünf Wochen lang segelte die Endeavour möglichst in Sichtweite der Küste nach Norden, ohne es wissen zu können hinein in die größte Schiffsreuse auf dieser Erde.

‟The Great Barrier Reef is so extensive that no human mind can take it in, the exception perhaps being astronauts who’ve seen its full length from outer space. Gigantism pervades its statistics. Roughly half the size of Texas, it encloses some 215,000 square miles [557.000 km²] of coastland, sea, and coral. It extends for about 1,430 miles [2300 km] along Australia’s east coast, and encompasses around three thousand individual reefs and a thousand islands.”

(Iain McCalman: The Reef, 2013)

Eine Woche nach dem Aufbruch von Botany Bay hielt Banks erstmals im Tagebuch ‟Brecher” fest, die unmittelbar im Kurs des Schiffs auftauchten. 20. Mai 1770: ‟we discoverd breakers which we had certainly ran upon had the ship in the night saild 2 or 3 leagues farther than she did. This shoal extended a long way out from the land for we ran along it till 2 O'Clock and then passed over the tail of it in seven fathom water; the Sea was so clear that we could distinctly see the bottom and indeed when it was 12 and 14 fathom deep the colour of the sand might be seen from the mast head at a large distance.” 26. Mai: ‟Standing into a channel with land on both sides of us and water very shoal, many rocky Islets”. ‟The boats who sounded yesterday having brought back word that there was no passage ahead of the Ship we were obligd to return”. Am 1. Juni sprach Banks von einem ‟Archipel” der das Schiff mit vielen Untiefen umgab. Das Netz zog sich langsam zu.

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Montag, 25. August 2014
Nicht Traumzeit, aber Traumblick

Das Bild, das wir vor Augen hatten, wenn wir als Jungen davon traeumten, einmal als Entdecker auf einem nie betretenen, unbekannten Kontinent an Land zu gehen, wird an der Muendung des Endeavour River bei Cooktown vollstaendig Wirklichkeit.

Und nicht nur wir, auch James Cook ging tatsaechlich genau hier an Land, nach der Havarie der Endeavour auf dem Grossen Barriere Riff im Juni 1770. - Ich kann nicht verhehlen, dass es mir trotz der tropischen Gluthitze einmal kalt den Ruecken hinablief, exakt auf demselben "Grassy Hill" zu stehen, von dem aus er nicht nur ueber diese bilderbuchmaessige Flussmuendung mit ihren Sandbaenken und Mangrovenwaeldern landeinwaerts ueber den maeandernden Fluss geblickt, sondern auch fast verzweifelt ueber das gruene Meer und seine Korallenriffe nach einem Ausweg aus diesem Labyrinth von Untiefen und Riffen gesucht hat.

244 Jahre nachdem am gleichnamigen Kap die Tribulationen fuer Cook und seine Maenner begonnen hatten, liefen wir mit der "Wavedancer", einem 30-Meter-Katamaran, von Port Douglas auf die Low Isles zu. Gegen 11 Uhr am Vormittag, der Himmel war noch bedeckt, aber von See her klarte es zunehmend auf, warfen wir vor dem kleinen Low Island Anker und setzten in Booten zur Insel ueber. Gruene Schildkroeten reckten zum Luftholen ihre Koepfe aus den Wellen. Im flachen Wasser vor dem Strand streiften wir Maskel, Schnorchel und Flossen ueber - und Lycra-Anzuege gegen die stechenden Quallen (das Paradies ist auch nicht mehr das, was es vor der Vertreibung war), und trieben mit leichten Flossenschlaegen zwischen Fischen und Korallen. Manche schliefen schlammfarbene Steintraeume, aber andere wedelten viele Polypenarme, und einige waren wunderschoen enzianblau. Dazwischen Schwaerme von Clownsfischen und kleine Riffhaie.

So viel einstweilen vom Grossen Riff. Die naechste Etappe wird sehr viel trockener und staubiger.

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Donnerstag, 14. August 2014

Frisch gebügelt und behütet und mit Kniff in der Hose auf dem Weg zum Tatort down under.

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