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Freitag, 20. Februar 2015
Okay, let's go!

Auch wenn's schwerfällt, loszulassen: Let's go! It was a nice trip, thank you, mates.
Noch schnell das Wölkchen hinten an die Heckflosse gebunden (man kann doch nicht ohne Wolken nach Holland kommen), und dann abheben.

Pt. Hedland, Pilbara, WA

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Donnerstag, 19. Februar 2015
"Broome trank nur Champagner." Broome, bunte Stadt: Lungenblut und Perlen
Perlen also. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten auch die englischen Siedler in Westaustralien endlich mitbekommen, daß entlang der Küste am Indischen Ozean immer wieder riesige Perlmuscheln der besonders großen Art Pinctada maxima angespült werden, die bis zu fünf Kilogramm Gewicht haben und 2 Zentimeter große Perlen enthalten können. Die Aborigenes dieser Küstenregionen hatten das schillernde Perlmutt und die herrlichen Perlen schon seit Jahrtausenden als Zahlungsmittel im Tauschhandel mit Stämmen genutzt, die im Landesinneren lebten, und die blank schillernden Kostbarkeiten auch malayischen Seefahrern aus dem an der Kreuzung wichtiger Fernhandelsrouten gelegenen Makassar auf Sulawesi angeboten; die kamen im 18. Jahrhundert auf der Suche nach ‟Teripang” mit dem Nordwestmonsun alljährlich zu den tropischen Küsten Australiens. Eigentlich waren sie auf der Jagd nach Bêche de mer oder Seegurken (‟Trepang”), für die ihnen chinesische Händler auf den Märkten in Makassar oder Singapur hohe Preise zahlten, weil die Seegurke bei Chinesen als Delikatesse und (natürlich) Aphrodisiakum gilt. Aber glänzendes Perlmutt und schimmernde Perlen verschmähten sie auch nicht als Handelsware. Europäische Seeleute taten das ebensowenig, und so machten sich nach 1850 die ersten weißen Abenteurer auf, um von Shark Bay aus die Küste nordwärts nach Perlmuscheln abzusuchen.
Ein Jahrzehnt später waren die bei Ebbe erreichbaren Muschelgründe bereits abgegrast, und die weißen Perlensucher gingen dazu über, Aborigenes auf ihre Boote zu verschleppen und sie zum Tauchen nach Perlen zu zwingen. ‟Nearly all of the pearlers employed aboriginal divers”, schreibt Hill und seufzt: ‟Native labour was free, too free. A bag of flour and a stick of tobacco bought a human life.” Den Preis bekamen aber nicht die Aborigenes, sondern die weißen Sklavenhändler, die im Binnenland die Schwarzen zusammentrieben. ‟Men who had never seen the sea... but one nigger was as black as another. Few of them lived longer than two years.”
Was Hill nicht mehr wußte (oder aus ladyliker Pietät lieber unterschlug): Zum Tauchen besonders geschätzt wurden schwangere junge Frauen, weil man glaubte, daß sie eine größere Lungenkapazität besäßen.
Die durch Haie, Taucherkrankheit, aber vor allem durch brutalste Arbeitsbedingungen verursachten vielen Todesfälle konnten die Sklavenjäger mit ihren Treibjagden im dünn besiedelten Landesinneren bald nicht mehr ausgleichen, und darum sahen sie sich im benachbarten Ausland um. 1871 brachten sie die erste Schiffsladung Malaien nach Australien. Da die niederländische Kolonialregierung in Batavia Besorgnis über die grausamen Bedingungen und die hohe Sterblichkeit auf den australischen Booten äußerte und auch weil man sich gezwungen sah, in immer tiefere Gewässer vorzudringen, wozu die neu erfundenen Taucheranzüge und Sauerstoffgeräte erforderlich waren, verlagerte sich das Interesse der ‟Pearler” auf spezialisierte Taucher, die mit solchem Gerät umzugehen wußten. Die überlebenden Aborigenes wurden ausgemustert und stattdessen Taucher vor allem aus Japan, aber auch aus China, von den Philippinen und der indonesischen Inselwelt angeheuert. Nach der Jahrhundertwende gingen allein von Broome aus bis zu 3500 Taucher auf Muschelsuche. Die kleine, schnell wachsende Stadt wurde von einem bunten Vielvölkergemisch bewohnt, wie es damals sonst nirgendwo auf dem Kontinent seinesgleichen hatte.

‟Broome, a lonely cable station in the sand-hills, became an Eldorado in mother-of-pearl. A Japanese town sprang up there... with Cingalese jewellers, Malay sail-makers and Manila carpenters, adventurers from all parts of the globe. – Just before the war, with 400 ships off-shore fishing fortunes, Broome drank only champagne.”

Bis zum Ersten Weltkrieg lieferte Broome allein 70 Prozent des weltweit auf den Markt kommenden Perlmutts. Der Krieg brachte dann u.a. die Erfindung des Plastikknopfs, und damit brach die Nachfrage nach Perlmutt in sich zusammen.
Blieben noch die Perlen. Um die in Wirtschaftswunderzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich steigende Nachfrage zu befriedigen, hob die australische Regierung das gesetzliche Verbot künstlicher Perlenzucht auf, 1956 wurde ein erstes australisch-japanisches Perlenzuchtunternehmen gegründet. Heute sind 19 von 20 australischen Perlenfarmen in Broome und Umgebung ansässig. Wie sehr das Perlengeschäft und die frühe multikulturelle Gesellschaft Broome bis heute prägen, sieht man bei einem Rundgang durch die Stadt auf Anhieb. Ihr Zentrum ist China-Town, und in den dortigen Straßen reiht sich ein Perlengeschäft ans andere. Die fröhliche junge Frau, die uns in einem von ihnen die Kollektion zeigte, war halb schwedisch, halb marokkanisch.

‟Broome, a patch of the Orient in Australia, and its only port of pearls. – Misrepresented to the world by sundry novelists as an A-grade Hades of sand and squalor and sin, the town is actually one of the friendliest and most fascinating of the Continent, itself a pearl of ever-changing beauty in the pearling seas”, sang Ernestine Hill das Loblied auf Broome. ‟By all who travel the desolate sand-wastes of the West, it is looked upon as a little haven.”

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Dienstag, 17. Februar 2015
Am Ziel: Der Indische Ozean

Eine Fata morgana? Gravitätisch schaukeln Kamele zwischen Dünen hervor und schreiten über festen, schneeweißen, nicht roten Sand an mir vorüber. Rot sind Zaumzeug und Satteldecken, ganz bunt die Menschen darauf kaum bekleidet, und dahinter dehnt sich über den Horizont hinaus in tiefem Türkis der Indische Ozean. Nach mehr als zweieinhalbtausend Kilometern staubiger Straßen ist das Ziel erreicht. Broome, Perlenstadt an der weit geschwungenen Bucht des Cable Beach. Ein echter Traumstrand, mehr als zwanzig Kilometer lang, die Besucher verteilen sich entsprechend, und das Beste: Hier kann man sogar gefahrlos schwimmen. Die Würfelquallen mit ihren meterlangen, nesselnden Tentakeln treiben zu dieser Jahreszeit nicht in diesen Gewässern, und Salzwasserkrokodile wurden hier auch nur selten und weit draußen gesichtet. Das Wasser ist glasklar, seidenweich und 24° warm. Perfekt.
Wir stürzen uns hinein und baden, bis die Sonne es uns nachmacht. Sie aber kann nicht schwimmen und geht ziemlich schnell unter.

Der Strand ist nach dem Telegrafenkabel benannt, das hier 1889 im Meer versenkt wurde, um Australien via Java und Singapur mit England und dem Rest der Welt zu verbinden. Damals feierte Broome als winziges Hafenörtchen an der Roebuck Bay auf der Rückseite der Halbinsel gerade sein sechsjähriges Bestehen.

‟Joseph Conrad and Robert Louis Stevenson, with sails set far eastward by the tilt of a coco-nut palm, looked upom these flat, sandy coasts with uninterested eyes. So they missed Broome”, bedauert Ernestine Hill in The Great Australian Loneliness. Und selbst der immer auf der Suche nach menschenrechtsverletzenden Skandalen Australien bereisende Schwede Sven Lindqvist kommt in Terra nullius nicht um die Feststellung herum:
‟Broome ist die Perle der Westküste, in mehr als einer Hinsicht. Die Perlen schufen die Stadt und machten sie reich und so angenehm, wie sie es heute noch ist.”

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Freitag, 13. Februar 2015
Der letzte Tag im Busch
Ein letztes Mal mußten wir noch durchs Feuer gehen, konnten aber schon mit den Australiern drüber lachen.


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Donnerstag, 12. Februar 2015
Windjana Gorge

Das friedliche Bild täuscht ein wenig. Es ist in jedem Fall ratsam, das Wasser in den Schluchten der Kimberleys mit größter Sorgfalt abzusuchen, ehe man ein erfrischendes Bad nimmt. Die hier in der Windjana Gorge in einem Tümpel des Lennard River treibenden Holzstücke erwiesen sich nämlich allesamt als Krokodile. 36 Stück habe ich allein in diesem Abschnitt gezählt.

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Freitag, 6. Februar 2015
Die Schönheit der Kimberleys

... liegt sicher in ihren Schluchten verborgen.

Und herrlich erfrischend ist das Wasser auch noch.

Wasser in seiner reinsten Form: klar, kühl, seidenweich und frisch. Ich hätte den ganzen Kolk austrinken mögen.
Aber das Paradies währte nur, so lange man im Wasser lag. Entstieg man ihm, stürzten sich alle fliegenden, schwirrenden, krabbelnden Plagegeister der Umgebung auf einen.
Ich weiß nicht, was Fliegen an mir so anziehend finden, aber sie kamen in Schwärmen und versuchten am liebsten, in Öffnungen wie Nase, Mund und Ohren Einschlupf zu finden. Dann war da die eine, die größer war und aggressiver als die anderen und die sich nicht verjagen ließ. Als sie mich stach, wußte ich, das ist eine Bremse. Ihr Erfolg rief gleich mehrere Artgenossen herbei. Der Herr der Fliegen hatte sich auch zu diesem entlegenen Paradies Zugang verschafft.

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Mittwoch, 4. Februar 2015
Warum wir eine Landschaft auf Anhieb mögen oder nicht
another bushfire
In Den Haag steht eine denkwürdige Telefonzelle (das sind die Glaskisten, in denen man vor Erfindung des Mobiltelefons außer Haus telefonieren konnte). Darin steht auf einem mit rotem Samt verkleideten Sockel nebst rüschiger Nachtischlampe eine Büste von Stalin. Vor ihm liegt ein toter Plastikfisch.
Es handelt sich um das erste öffentliche Kunstwerk der beiden Moskauer Konzeptkünstler Vitaly Komar und Alexander Melamid, die 1978 aus der Sowjetunion in die Vereinigten Staaten emigrierten. Dort beauftragten sie Mitte der Neunziger Jahre ein Marktforschungsinstitut mit einer Umfrage nach den bevorzugten Gemäldesujets der Amerikaner. Die Ergebnisse setzten sie getreu in ein Ölgemälde um: America’s Most Wanted.
Später wiederholten sie das Experiment in weiteren Ländern, darunter Rußland, Island, Deutschland, die Türkei, Kenia und China. Die Einförmigkeit des durchschnittlichen Kunstgeschmacks weltweit, die dabei zutage trat, ist verblüffend: Abstraktes stand nirgendwo hoch im Kurs, gefragt war Gegenständliches bis Realistisches: Landschaft mit Tieren und (glücklichen) Menschen. Das Wunschgelände bestand fast überall aus einer parkähnlich offenen Graslandschaft mit einer größeren Wasserfläche, einigen Felsen und leicht zu erkletternden Einzelbäumen. Mit anderen Worten, so Orians, gefragt war die Savanne unserer Urahnen.
Gestützt auf solche und andere, wissenschaftlichere Untersuchungen unterstellt er in seiner Savannen-Theorie, daß unsere Vorliebe für bestimmte Landschaftsformen seit Urzeiten relativ unverändert geblieben ist und wir noch immer besonders positiv auf die Bestandteile und Eigenschaften einer Savannenlandschaft ansprechen, die unseren Vorfahren ein günstiges Habitat boten. Denn einmal entwickelte und in unserem Verhalten fest verwurzelte Muster können auch dann noch lange beibehalten und weitergegeben werden, wenn sie für die natürliche Auslese kaum mehr eine Rolle mehr spielen. Für unsere Art günstige Lebensräume und Umweltbedingungen erkennen wir noch immer intuitiv und blitzschnell.
Wenn ein umherwanderndes Tier eine neue Umgebung erreicht, muß es ziemlich schnell einschätzen, ob ihm diese neue Umgebung für das Überleben und Fortpflanzen eher günstig oder ungünstig ist, und sich auf der Grundlage dieser Einschätzung entscheiden, ob es bleibt oder weiterzieht. Für Orians besteht dieser Prozeß der Entscheidungsfindung aus drei Phasen. Gleich beim ersten Augenschein bilden wir Menschen uns blitzschnell und unbewußt eine Meinung darüber, ob uns ein Ort günstig erscheint oder nicht, ob wir ihn ‟mögen”. Grundlage für diese gefühlsmäßige Einschätzung sind Anzeichen und Signale, die wir aus der Umgebung aufnehmen oder ihr ablesen. Zu ihnen gehören die Verteilung von Dingen im Raum, Entfernungsverhältnisse, Vorhandensein von Wasser und Bäumen.
Für die zweite Phase, die nähere Erkundung der neuen Umgebung, glaubt der britische Geograph Jay Appleton (The experience of landscape, 1975) ein Raster von drei Kriterien gefunden zu haben, anhand dessen wir entscheiden, ob wir eine Umgebung sicher und umfassend erkunden können: Unter Prospect versteht er die Möglichkeiten, die Umgebung mehr oder weniger gut überblicken und einsehen zu können. Refuge meint einen sicheren Beobachtungspunkt, von dem aus wir sehen können, möglichst ohne selbst gesehen zu werden. Hazard schließlich definiert die Risiken, denen wir uns bei einer Erkundung des Terrains aussetzen müssen. In der abschließenden dritten Phase schließlich entscheiden wir, ob wir bleiben oder weiterziehen.
Auf dem Weg zur Bell Gorge, Kimberley
‟Our ancestors would have settled in places in which they had good survival and reproductive success”, las ich vor, und deshalb vermute die Savannen-Theorie, hieß es weiter, ‟that we should be especially attracted to plants that grew in high-quality African Savanna [...] Our aesthetic responses should reflect both the resources a tree offers (food, shade, safety) and the information it provides about the quality of the environment.” Und wenn das so ist, dann sollten wir die Wuchsform von solchen Bäumen besonders attraktiv finden, die für die ressourcenreiche Savanne charakteristisch sind.
‟All over the world, in parks large and small, we find this to be so. Parks feature scattered trees and shrubs with a grassy understory.”
In Japan kommen 22 verschiedene Ahorn-Arten vor, doch nur drei von ihnen werden von japanischen Gärtnern mit Vorliebe gepflanzt, alle drei sind Arten, die von Natur aus eher in die Breite als in die Höhe wachsen. Der auf den japanischen Inseln dominierende Nadelbaum, die japanische Rotkiefer (Pinus densiflora), wird von japanischen Gärtnern entgegen ihrem natürlichen Wuchs durch Schnitt und Formung oft zu einem Solitär mit breit ausladender Schirmkrone kultiviert, der sich bereits relativ nah am Boden gabelt, so erinnert er, man kann es kaum leugnen, von fern an Akazien in der afrikanischen Savanne.
Orians testete an Hunderten Versuchspersonen in den Vereinigten Staaten, ob sie an Bäumen bestimmte Formen und Wuchsmerkmale bevorzugten und wenn ja, welche. Die Ergebnisse wiesen klar in eine Richtung: Besonders geschätzt wurden Bäume mit relativ niedriger Stammhöhe im Vergleich zu einer breit ausladenden, in Schichten gegliederten Krone. Medizinische und psychologische Studien haben sogar gemessen, daß sich unser Herzschlag beruhigt und verlangsamt, wenn wir weite, offene Landschaften mit losem Baumbestand betrachten...
‟Dein Herzschlag hat jedenfalls schon einen ganz ausgeprägten Ruhepuls erreicht”, sagte die Frau am Campingherd. ‟Vielen Dank für das begleitende Vorlesen, aber könntest Du wenigstens mal den Tisch decken, wenn Du schon kein Känguru erlegt hast, mein edler Jäger und Sammler?”
‟Na klar.”
‟Du hast aber schon davon gehört, daß die Savannen-Theorie mittlerweile als überholt gilt”, warf sie mir noch nach.
‟Nur weil man sie inzwischen um ein paar hunderttausend Jahre und an den Waldrand verlegt, würde ich sie noch nicht als widerlegt, sondern allenfalls als modifiziert ansehen. Darf ich dich im übrigen darauf aufmerksam machen, daß wir uns hier einen nach Appletons Raster geradezu idealtypischen Ort für die Geländebeurteilung ausgesucht haben?”
‟Hm, der Prospect könnte nicht besser sein”, stimmte sie zu.
‟Und im Schatten der großen Akazie auf der flachen Anhöhe, das Wäldchen im Rücken, können wir bestens beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.”
‟Und das Risiko, dem wir uns dabei aussetzen müssen, scheint einigermaßen gering zu sein, da wir sofort in den Wagen springen können, falls eine Büffelherde auftauchen sollte.”
‟Muh”, brüllte ich und hielt mir die Zeigefinger aufgereckt an die Schläfen wie Lieutenant Dunbar in Der mit dem Wolf tanzt.
‟Soll ich jetzt vor dem animalisch wilden Stier erzittern”, fragte sie sehr unbeeindruckt. ‟Mach lieber mal die Weinflasche auf. Mit dieser Leistung würde selbst aus dem Stier von Uruk noch ein Kulturheros.”
‟Ich Gilgamesch, Du Ischtar.”
‟Aber heute gibst du mir keinen Korb.”
Auf dem Weg zur Bell Gorge, Kimberley

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Mittwoch, 28. Januar 2015
Von Savannen und Schlangen

500 Kilometer vom nächsten Ort entfernt, saßen wir im Outback der Kimberleys mit dem Rücken zu einem Eukalyptuswäldchen unter dem weit ausladenden Schirm einer einzelnen Akazie und betrachteten die offene Landschaft im Nachmittagslicht mit dem hohen, trockenen Gras, vereinzelt in dieser Savanne stehenden Bäumen und einem zerklüfteten, niedrigen Sandsteinkliff, an dessen Fuß sich Wasser in einem Billabong gesammelt hatte. Wir waren uns sofort einig gewesen, daß wir an diesem Ort unter diesem Baum den Abend und die Nacht verbringen wollten. Ich hatte den Hilux so gestellt, daß er auf einer möglichst ebenen Stelle mit der linken oder Küchenseite nach Westen stand, die Sonnenmarkise ausgezogen und mit den dünnen Aluminiumzeltstangen gestützt, die Schublade mit dem Zweiflammenkocher aus der Außenwand gezerrt, die Gasflasche angeschlossen und den Nachmittagstee gekocht, saß an den Baumstamm gelehnt mit einem Becher Tee neben mir und einem aufgeschlagenen Buch auf den Knien, während sich die Herzogin schon an die Vorbereitungen fürs Abendessen machte. Es sollte ein schön scharfes Curry geben.
‟Thai oder indisch?”, fragte sie.
‟Heute Thai”, sagte ich und wußte, daß sie auch mit den begrenzten Vorräten und Möglichkeiten unserer Bordküche wieder etwas sehr Leckeres auf den Campingtisch zaubern würde. ‟Soll ich dir, während Du kochst, vorlesen, warum wir uns an diesem fremden und völlig verlassenen Ort in der Einöde so wohl und angeheimelt fühlen?”
‟Abgesehen davon, daß wir zu zweit gut miteinander auskommen, meinst Du?”, fragte sie zurück.
‟Das ist ja relativ ortsunabhängig der Fall”, gab ich zurück und bekam einen Kuß für die galante Antwort.
‟Na, dann zergliedere und analysiere mal das schöne Gefühl und die schöne Stimmung hier”, sagte sie. ‟Aber laß noch etwas von beidem übrig.”
‟Aber es ist doch interessant, zu wissen, warum wir beide auf die Pampa hier überhaupt mit diesem positiven Gefühl reagieren.”
‟Ist doch ganz einfach: Du hast mich im Lauf unseres Zusammenlebens allmählich mit deinem Spleen für leere Landschaften infiziert.”
‟Erstens ist die Landschaft hier nicht leer, und zweitens sind wir der Evolutionsbiologie zufolge alle schon vor der Geburt mit diesem Spleen infiziert.”
‟Du machst mich neugierig. Was liest’n da?”
‟Gordon Orians: Snakes, Sunrises, and Shakespeare.”
‟Netter Titel für einen Evolutionsbiologen. Fast poetisch.”
‟Mit Alliteration fängt man Literaturliebhaber.”
‟Nun fang schon an!”, sagte sie und knotete die Tüte mit Galgant und Kaffirlimettenblättern auf.

‟Wenn Menschen auf etwas emotional stark reagieren, so wie wir hier, dann ist es wahrscheinlich im Lauf der Evolution unserer Art einmal sehr wichtig, möglicherweise überlebenswichtig für uns gewesen, behauptet die Evolutionsbiologie.
Bestimmte Erfahrungen zu machen, wie etwa mit der Ungenießbarkeit von unbekannten Früchten oder der Überlegenheit bestimmter Raubtiere, kann ein Individuum teuer zu stehen kommen. Es ist darum nützlich für das Fortbestehen der Art, solche Erfahrungen als Information aufzubewahren und an andere weiterzugeben, damit nicht jedes Individuum immer alles am eigenen Leib ausprobieren muß. Doch Lernen ist teuer, und zwar nicht nur im Hinblick auf die möglicherweise fatalen Folgen des Ausprobierens.”
‟Riech mal, sind die Shrimps noch gut?”
‟Ja. Wußtest Du, daß unser zentrales Nervensystem, also Gehirn plus Rückenmark, nur zwei Prozent unseres Körpergewichts ausmacht, aber zwanzig Prozent unserer Stoffwechselaktivitäten verbraucht?
‟Das von Männern oder das von Frauen?”
‟Ich nehme an, gemittelt. Wenn man allerdings differenzieren und gegen zwei Prozent vom durchschnittlichen Gewicht eines männlichen Körpers zwei Prozent vom Durchschnittsgewicht der Frauen aufwiegen wollte...”
‟Chauvi!”
‟Hirnaktivität kostet uns alle viel Energie”, lenkte ich versöhnlich ein. ‟Um kostbare Energie zu sparen, so hat der Evolutionsbiologe George C. Williams (Adaptation and Natural Selection) schon in den Sechziger Jahren behauptet, speichern wir Elemente unseres Verhaltens, die wir ohne bewußte Verstandesaktivität erledigen können, in unseren Genen. Wenn Individuen einer Art in ihrer Umwelt oft genug mit einem bestimmten Reiz konfrontiert werden, kann ihre adäquate Reaktion auf diesen Reiz gewissermaßen einen Abdruck in ihrem Erbgut hinterlassen.
Wir kommen bei unserer Geburt nicht mit einem leeren Hirn, einer Tabula rasa, zur Welt. Unser kleinkindliches Gehirn besitzt ein genetisch weitergegebenes Gedächtnis, angeborenes Wissen über die Welt. Schon bevor wir uns selbsttätig in einem Raum bewegen können, scheinen wir etwa über intuitive Vorstellungen von Raum, Zeit und Kausalität zu verfügen. Und nicht nur wir. Forscher haben aufgezeichnet, welche Hirnareale in erwachsenen Ratten aktiv sind, wenn sie sich in einem Raum orientieren. Setzt man ganz junge Ratten zum ersten Mal in ihrem Leben in ein Labyrinth, beginnen in ihnen sofort die gleichen Hirnbereiche zu arbeiten. D.h. die Gehirne von Ratten sind von Geburt an darauf programmiert, räumliche Dimensionen zu erkennen.
Ein Wesen mit einem Zentralnervensystem, das schon bei der Geburt Modelle über die Welt oder bestimmte Erwartungshaltungen mitbringt, kann neue Informationen besser verarbeiten und beurteilen und sich so auch in ihm unbekannten Situationen gleich angemessen verhalten. So wie die Flossen eines Fischs schon zum Schwimmen eingerichtet sind, bevor er schlüpft, ist unser Gehirn schon vor unserer Geburt bis zu einem gewissen Grad an die Welt angepaßt.
In den Genen ist auch die Entwicklung unserer fünf Sinne festgelegt; so können wir im Gegensatz zu manchen Tieren kein ultraviolettes Licht sehen und keinen Ultraschall hören. Wir reagieren in der Regel kaum auf vorhandene Gerüche im Hintergrund, aber sehr stark auf plötzliche Geruchsveränderungen. Als Primaten verlassen wir uns aber vor allem auf unsere Augen, um Objekte zu lokalisieren und zu erkennen, wenn sie sich bewegen. In Kombination mit einem Programm in unserem Gehirn, das auch ohne unsere bewußte Aufmerksamkeit ständig Informationen aufnimmt und verarbeitet und das selbst schlecht definierte Umrißlinien und unvollständige Objekte ergänzen und blitzschnell zu bestimmten realen Objekten vervollständigen kann, sind wir besonders fix darin, Fremdes zu identifizieren und einzuschätzen und seine Körpersprache zu verstehen.”
‟Sagt dir meine Körpersprache, daß du mir mal die Dose Ananas hier öffnen könntest?”
‟Gib her! Der Primat in mir reißt dir die Dose mit bloßen Händen auf. Zumal sie mit diesem praktischen Ring dazu versehen ist. – Kultivierung von Pflanzen übrigens, Ackerbau und Domestizierung von Nutztieren sind in der Evolutionsgeschichte des Menschen relativ junge Neuerungen; Verhaltensweisen, die wir in der langen Zeit davor auf der Kulturstufe von Jägern und Sammlern entwickelten, haben uns über einen viel längeren Zeitraum zu überleben geholfen.”
‟Aber du hast heute wieder kein Känguru erbeutet.”
‟Das Goanna, das ich vorhin zwischen den Felsen aufgespürt habe, mochtest du nicht.”
‟Igitt, die sind doch giftig!”
‟Die Reaktion unserer Vorfahren auf Dinge, die ihnen in ihrer Umwelt begegneten, bestimmt unsere gefühlsmäßigen Reaktionen bis heute. Sie begannen, das zu mögen, was für ihr Überleben gut war, und entwickelten Abneigung und Widerwillen gegen Dinge und Phänomene, die ihnen gefährlich werden konnten.”
‟Sag ich doch.”

‟Diese Vorlieben und Abneigungen sind bis heute in uns gespeichert. Wir mögen oder verabscheuen Dinge ‘instinktiv’. So scheuen wir instinktiv vor verwesendem Fleisch oder dem Zersetzungsgeruch anderer verrottender Nahrung zurück, obwohl wir erst vor kurzer Zeit erforschen konnten, daß dieser Geruch von Mikroorganismen verursacht wird, die uns schädlich oder gar gefährlich werden können.
Oder nimm nur meine alberne Angst davor, hier im Busch einen dürren Zweig beiseite streifen zu wollen, der sich dann unversehens als Taipan herausstellt, oder im Gras auf eine Todesotter zu treten.”
‟Ts”, machte die Herzogin bloß.
‟Schlange!”, sagte ich.
Sie guckte wie Ka und züngelte.
‟Schön, du hast dich eben schon weitgehend an den Asphaltdschungel angepaßt, während ich immer noch mit den angeborenen Ängsten aller Primaten mit Ausnahme der Lemuren auf Madagaskar, wo es keine Giftschlangen gibt, herumlaufe.”
‟Dann stamme ich anscheinend von diesen Lemuren ab, oder mir fehlt einfach ein Teil deiner Phantasie”, erklärte sie.
‟Ist nicht nur reine Phantasie”, entgegnete ich. ‟Laut Evolutionsbiologie haben viele Säugetiere, wir eingeschlossen, im Amygdala einen neuronalen Schaltkreis der Angst, der von nur ganz wenigen und selbst peripher wahrgenommen Signalen alarmiert wird. Dazu gehören ganz speziell die Körperform, die typischen Farbmuster und die Fortbewegungsweise von Schlangen. Denn Schlangen können nun einmal unter bestimmten Bedingungen eine tödliche Gefahr für uns darstellen. Neue Fallstudien widersprechen übrigens der allgemeinen WHO-Statistik, der zufolge nur wenig mehr als 100.000 Menschen pro Jahr an Schlangenbissen sterben sollen. In den ärmeren Ländern gelangen nämlich nur die wenigsten Opfer in die Behandlung von Ärzten und damit in die Statistik. Allein in Indien sollen diesen neuen Erhebungen zufolge jedes Jahr 46.000 Menschen an Schlangenbissen sterben. In Bangladesch werden in jedem Jahr 700.000 Menschen von Schlangen gebissen. Die Fähigkeit, sie frühzeitig zu erkennen, bedeutet in einem Habitat, in dem auch Schlangen auf Jagd gehen, also einen klaren Überlebensvorteil. Und den haben wir uns als Art angeeignet, haben Neurophysiologen festgestellt. Unser Zentralnervensystem reagiert selektiv auf bestimmte Winkel und Kanten in Farbverläufen und Mustern, und ganz besonders schnell springt es auf mosaikartige oder diamantförmige Rautenmuster an, wie sie in der Natur vor allem die Färbung von Schlangen aufweist. Der schwedische Psychologe Arne Öhman hat wiederholt Tests durchgeführt, bei denen Versuchspersonen Bilder gezeigt wurden, dazwischen für höchstens 30 Millisekunden, also unterhalb unserer bewußten Wahrnehmungsschwelle, Bilder von Schlangen – und die Versuchspersonen reagierten mit heftigen spontanen Aversionen, die sich auch im Leitungswiderstand der Haut meßbar nachweisen ließen. Wir erkennen also Schlangenhaftes schon subliminal.”
‟Gilt das auch für Thainudeln?”, fragte die Herzogin.

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Donnerstag, 22. Januar 2015
... diesem Land am Ende angehören

”Schmilzt erst das Fleisch, und das Skelett darin stellt sich Glied um Glied in seinem endgültigen Weiß zwischen Steinen und unter diesem harten Himmel dar, dann kann es diesem Land am Ende angehören.”

(Patrick White: Der Lendenschurz)

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Mittwoch, 14. Januar 2015
Kälteste Nacht - heißester Tag down under

Habichtfalke (Falco berigora)

Kalt fing es an, mit unserer kältesten Nacht in Nordaustralien: nur 6° unter einem völlig klaren Sternenhimmel. Am Morgen dann stieg die Sonne rasch durch die Baumwipfel, unter denen wir campiert hatten, und fraß die letzten Rauchfäden, die noch von dem Lagerfeuer aufkräuselten, das unsere Nachbarn am Abend unterhalten hatten. Wie gut und würzig das duftete! Auf einem hohen Baum am Rand der Lichtung saß ein brauner Habichtfalke unbeweglich im Ansitz und sah uns beim Frühstücken zu. Wir brachen so bald wie möglich zu einem Morgenspaziergang auf, denn es wurde bereits sehr warm.
Als ich am Mittag das Thermometer aus dem Rucksack zog, zeigte es 46°. Unser heißester Tag in Australien. Abkühlung findet man tagsüber nur in den Wasserlöchern am Ende der Schluchten, wie z.B. in der Galvin Gorge. Aber da badet man natürlich nie allein.

Galvin Gorge Mertens Wasserwaran

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