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Freitag, 27. Juni 2014
Savonlinna: Olavinlinna

Wenn ich mich nicht sehr irre, sind die Finnen seit altersher und bis heute ein Volk, das womöglich noch inniger (und realer) mit dem Wald verbunden ist als die romantischen Deutschen in ihrer Vorstellung. Jahrhundertelang haben die Finnen in kargen Zeiten ihr grobes Roggenbrot mit gemahlener Baumrinde gestreckt. Und wenn Feinde in ihr Land einfielen, verdrückten sie sich so lange in die Wälder, bis der Feind die paar Vorräte in den Speichern der verstreuten Bauernhöfe aufgebraucht hatte und wegen eklatanter Versorgungsmängel wieder abzog.
Die Idee, das Land (und die eigene Herrschaft darüber) mit Burgen zu sichern, brachten erst die Schweden von der anderen Seite des Bottnischen Meerbusens mit. Sie begannen damit 1280 gleich an der Küste in ihrem alten Brückenkopf Åbo/Turku und in Wiborg am Ostseeufer der Karelischen Landenge, rückten landeinwärts vor und errichteten Tavastehus (Hämeenlinna), die Raseborg in ‟Neuland” (Uusimaa) und ab 1475 die St. Olafsburg (Olavinlinna) zur Sicherung der ursprünglich zu Karelien gehörenden und damals für Schweden-Finnland (und die römische Papstkirche) vom orthodoxen Karelien abgetrennten Grenzlandschaft Savo.
Im Binnenland bewahrten finnische Bauern gegen die schwedischen Herren ihre persönliche Freiheit, indem sie in noch nicht erschlossene Urwälder zogen und dort siedelten. Leibeigenschaft und Schollenbindung, anderswo erprobte Mittel zur Unterdrückung und Ausbeutung der Bauern, konnten in Finnland von Adel und Kirche ebensowenig durchgesetzt werden wie in Schweden. Einmal mehr lag die Rettung der Finnen im Wald.

Drei wuchtige alte Türme auf einer kleinen Felsinsel, mit hohen Mauern verbunden und von schwarzem Wasser umflossen. Fast unerklärlich, woher die starke Strömung mitten im See rührt. Obwohl man versucht ist, zu glauben, ein See in dieser ununterbrochenen Seenlandschaft sei wie der andere, steht die Olofsborg exakt auf einer strategischen Schlüsselposition im Einzugsgebiet des Saima. Dort engt der kleine, felsige Holm Kyrönsaari das Nadelöhr zwischen den unteren und oberen Teilen des Saima-Seensystems auf zwei nur wenige Dutzend Meter breite Wasserstraßen ein, die sich von der Insel aus beherrschen lassen. So eng ist die Stelle, daß sich das Wasser förmlich hindurchpressen muß und dadurch mitten in einem flachen Seengebiet die beträchtliche Strömung entwickelt, so stark, daß der See hier im Winter nur ganz selten zufriert. Entscheidende Standortvorteile, erkannte der damalige faktische Beherrscher großer Teile Finnlands auf der Suche nach einem zur Sicherung Savos gegen Russen und Karelier geeigneten Ort zur Befestigung mit geübtem Blick.
Ursprünglich stammte Erik Axelsson Tott zwar aus dem damals dänischen Schonen, doch da die nordischen Königreiche zu jener Zeit alle in der Kalmarer Union vereint waren, hatte er in Schweden zum Reichsrat und kurzzeitig sogar zum Reichsverweser aufsteigen können, ehe Graf Christian von Oldenburg zum Unionskönig gewählt wurde. Zusammen mit seinen deutschen Stammlanden regierte Christian I. das größte jemals geeinte Territorium im Norden (auch wenn er seine Herrschaftsansprüche in Schweden lediglich sechs Jahre lang durchsetzen konnte). 1474 unternahm er eine Reise nach Rom, wo Papst Sixtus IV. gerade Verschwörungen zur "Entfernung” Lorenzo de Medicis anzettelte und entsprechend wenig Zeit für den König aus Mitternacht erübrigen konnte. "Ein schönes Tier, schade nur, daß er nicht sprechen kann”, kommentierte ein Höfling im Vatikan die fehlenden Lateinkenntnisse des nordischen Königs aus Deutschland.

Klocktornet mit den Wappenschilden der Totts

Auch Erik Axelsson besaß Italienerfahrung. Er hatte (vielleicht gleichzeitig mit Francesco della Rovere, dem nachmaligen Papst Sixtus) an der Universität Padua studiert und sich anschließend ein Beispiel an den italienischen Condottieri genommen. In den Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Anwärtern auf das Unionskönigtum und den sie befehdenden Ratsaristokratien in den Einzelstaaten wechselte er ebenso mühe- wie bedenkenlos mehrmals die Seiten, ließ sich dafür jedesmal fürstlich belohnen, brachte so die wichtigsten Schloßlehen Finnlands in seine Hand und regierte es bis zu seinem Tod 1481 wie ein nahezu unabhängiges Fürstentum.
1475 erteilte er den Auftrag zum Bau einer Burg auf dem strategisch wichtigen Felseiland Kyrönsaari, obwohl es etwa 5 km östlich der 1323 im Frieden von Nöteborg festgelegten Grenze zu Nowgorod lag und darin auch vereinbart worden war, keine Befestigungen entlang der Grenze zu errichten. Die Bauleitung bekam der erfahrene Baumeister Oleff Hergk (Olof Härka) aus Reval (Tallinn). Zwei Jahre nach Erik Axelssons Tod war die Kernburg mit drei mächtigen Türmen fertig. Obwohl sie eine königliche Burg war, hatten die Totts besitzerstolz große Schiefertafeln mit ihrem eigenen Wappen am Glockenturm anbringen lassen. Doch da die Burg auf nowgoroder Territorium erbaut worden war, hielt sie russische Angriffe nicht ab, sondern provozierte sie erst. In den folgenden 130 Jahren hielt Olofsborg oder Nyslott, wie die Burg auch genannt wurde, allen Belagerungen und Beschießungen stand, doch im Großen Nordischen Krieg zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde es von schwerer Artillerie sturmreif geschossen und kapitulierte. Zwar erhielt Schweden es im Friedensschluß von Nystad zurück, doch im schwedischen Revanche-‟Krieg der Hüte” ging die Burg 1743 wieder an Rußland verloren, und die Russen bauten sie zu einer zeitgemäßen Festung aus. Als ganz Finnland 1809 russisch wurde, verlor Olavinlinna seine Bedeutung als Grenzfeste und wurde zu einer langsam vergammelnden Garnison und Kaserne, deren Restaurierung unter finnischer Leitung von 1910-61 gute fünfzig Jahre dauerte.

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