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Donnerstag, 5. Juni 2014
Künstlerkolonie Ahrenshoop

Wellblechhütte mit Reetdachanleihe? Unverkennbar. Hier feiert das norddeutsche Reetdach seine zeitgemäße Reinkarnation in Messingblechen. "Mit ihrem Entwurf orientierten sich die Architekten an der regionalen Bautradition rohrgedeckter Fischerkaten", heißt es in einer Beschreibung des neuen Kunstmuseums in Ahrenshoop, das vor nicht einmal einem Jahr eröffnet wurde. Das Material der Außenhaut soll durch Witterunsgseinflüsse allmählich ebenso altern und grau werden wie Reet. Sehr karg auf klare Linien und Flächen reduziert wirken die fünf Gebäude schon heute.

"Mecklenburgs Anfänge waren die eines Kolonialgebiets während der Germanisierung im Hochmittelalter. Der Orden von Citaux entsandte seine tüchtigsten Mönche, die in die zuvor slawische Landschaft ihre Klöster setzten... Ausgangs des Mittelalter galt Mecklenburg als eine deutsche Kornkammer, da die Böden fett waren und die Erträge vergleichsweise üppig ausfielen. Die Verelendung erfolgte erst mit dem Dreißigjährigen Krieg, der gleichermaßen andere deutsche Regionen heimsuchte, die sich in der Folge freilich zu erholen wußten. Anders Mecklenburg. Die Armseligkeit blieb, auch da sie förmlich festgeschrieben wurde, zuletzt in dem ‟Landgrundsätzlichen Erbvergleich” von 1755, jenem fürchterlichen Dokument einer vorgefaßten Rückständigkeit, das auf die weitgehende geistige und materielle Entmündigung der kleinen Leute hinauslief. Bis zum Jahre 1918 durften die gemeinen Mecklenburger in Landesdingen politisch nicht mitbestimmen. Alle Entscheidungen gingen von den Großherzögen und Rittergutbesitzern aus.”
(Rolf Schneider in: Meer, Strand und Himmel als Sehnsuchtsziel und Zufluchtsort der Künstler seit Edvard Munch, Rostock 2005)

1892 kehrte die vierzigjährige Malerin Anna Gerresheim nach Studienaufenthalten bei den dänischen Skagenmalern, in London und Paris aus der Reichshauptstadt in ihr heimatliches Fischland im armen Mecklenburg zurück. Zusammen mit ihrer Schwester kaufte sie in dem weltvergessenen Fischerdorf Ahrenshoop ein Haus, das sie zum Atelier und zur Malschule umbaute und das die Keimzelle der Ahrenshooper Künstlerkolonie wurde.
Das drei Jahre später von Paul Müller-Kaempf gegründete Künstlerhaus Lukas ist eins der ältesten bis heute bestehenden Künstlerhäuser Deutschlands. Bis 1897 gab es bereits zehn solcher Künstlerhäuser in dem kleinen Dorf.
‟Viele dieser modernen Landschaftsmaler waren an den Kunstakademien ausgebildet worden, hatten zum Teil selbst dort gelehrt und waren in den bedeutenden Kunstausstellungen und Museen regelmäßig vertreten.” (Daniela Lange: Auf den Spuren der Künstlerkolonie Ahrenshoop, 2008)
Die Gründergeneration der Kolonie zerstreute sich zwar bereits im Ersten Weltkrieg, doch auch in der Weimarer Zeit und zu Zeiten der DDR kamen immer wieder Künstler zu Malaufenthalten nach Ahrenshoop und Umgebung. Lionel Feininger und George Grosz gehörten zu den Gästen, aber Zusammengehörigkeit und Gemeinsamkeit wie in den Jahren der ersten Kolonie stellten sich nicht wieder ein.
"Dieses Ahrenshoop war früher vor dem Kriege eine richtige Künstlerkolonie mit richtigen Malern [...] Das ist lange her, haben sich wohl nicht halten können, fehlte auch sicherlich an überragenden Typen”, lästerte George Grosz 1930 in einem Brief aus Ahrenshoop (an Eduard Plietzsch, 26.9.1930).
Im neuen Kunstmuseum sind jetzt mehr als 500 Bilder versammelt, die im Lauf der vergangenen 120 Jahre in Ahrenshoop entstanden.

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