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Donnerstag, 9. Februar 2012
Tahiti Noa Noa

“Tahiti... is expensive, traffic-choked, noisy, corrupt and Frenchified.”
Daß es auf der Erde kolonisierte Gebiete gibt, die nicht amerikanisiert wurden, muß für einen Amerikaner der Horror schlechthin sein; selbst wenn er Paul Theroux heißt. “Just a short trip to any French territory in the Pacific is enough to convince even the most casual observer that the French are among the most self-serving, manipulative, trivial-minded, obnoxious, cynical and corrupting nations on the face of the earth.”

Gut, Theroux war bei seiner Paddeltour zu den Happy Isles of Oceania vor zwanzig Jahren nicht gut drauf. Besserer Laune scheint der Yankee aus Massachusetts überhaupt selten zu sein, aber vor dieser Reise hatte sich gerade seine Frau von ihm getrennt, und er war besonders menschenfresserischer Stimmung. Das macht entweder blindwütig oder scharfsichtig. An den Inseln des Stillen Ozeans ließ er jedenfalls kein gutes Haar, von Japan (“a one-family island of desperate overachievers who have a fascist belief in their own racial superiority”) über Fidschi (“full of political perversity, racial fear, economic woes, and Australian tourists”) bis hinab nach Neuseeland (“this is the English death, the indescribable boredom that makes you desperate to leave”), war alles nur “down and dirty”, “dismal and littered”. “No city or town in the whole of Oceania was pleasant”. Und Tahiti gehörte zu den ganz großen Enttäuschungen. “Papeete is rather an ugly, plundered-looking town...”

Ganz ähnlich hat es hundert Jahre vor Theroux auch schon Gauguin empfunden: “ziemlich enttäuscht von der Realität... angewidert auch von dieser ganzen europäischen Trivialität, war ich wie blind”, schrieb er bald nach seiner Ankunft in sein Notizbuch.
Innerhalb von zwei Monaten machte er sich durch seine unverhohlenen Besuche auf dem “Fleischmarkt” bei den Spitzen der französischen Kolonialgesellschaft, die ihn zunächst entsprechend seinem Empfehlungsschreiben als Abgesandten in “offiziellem Auftrag” gebührend empfangen hatten, derart unmöglich, daß er von niemandem mehr eingeladen und zum sozial Geächteten wurde.
Es scherte ihn nicht, zumal er ohnehin gekommen war, um sich in anderen als den europäischen Kreisen und Konventionen zu bewegen, und inzwischen erkannt hatte, daß er die ursprüngliche Kultur der Polynesier in Papeete nicht mehr finden würde.
Also packte er seine Malutensilien und zog im Juli 1891 aufs Land; genauer nach Mataiea, den nach Papeete europäisiertesten Ort der Insel. Doch spiegelten seine Lage zwischen Berg und Meer und die verstreut liegenden Häuser in tropisch grünen Pflanzungen die Illusion einer präkolonialen Idylle vor.

“Ich fing an zu arbeiten, Notizen und Skizzen jeglicher Art. Alles in der Landschaft blendete, begeisterte mich. Von Europa kommend war ich stets unsicher in der Wahl einer Farbe, es kostete mich Stunden, dabei war es so einfach, ganz natürlich ein Rot und ein Blau auf meine Leinwand zu setzen. Goldene Formen in den Bächen entzückten mich. Weshalb zögerte ich, dieses Gold, die ganze Fröhlichkeit der Sonne auf meine Leinwand fließen zu lassen?”
“Tagtäglich geht es mir besser”, schreibt er voller Wunschdenken in sein Buch der Wohlgerüche: Noa Noa. “Mein Körper, der fast immer nackt ist, fürchtet die Sonne nicht mehr; die Zivilisation fällt nach und nach von mir ab... und ich lebe animalisch und frei – in der Gewißheit, daß das Morgen ebenso ist wie das Heute, jeden Morgen geht die Sonne am wolkenlosen Himmel für mich wie für alle anderen auf, ich werde sorglos, ruhig und liebevoll.”

Was er schreibt, erinnert an Camus’ Hymnen auf das Licht und die Sonne von Tipasa. Die Menschen in seinen Bildern sind nicht mehr bleich wie der Tod, und die Landschaften darin glühen vor Licht und Farbe.


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