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Mittwoch, 22. Februar 2012
Samoanische Einblicke

Die traditionelle Behausung der Samoaner ist das Fale. Es ist eine nach allen Seiten offene Hütte aus Holzpfosten auf einer leicht erhöhten, ovalen oder rechteckigen Plattform, heute meist aus Zement gegossen. Das Dach ist mit Palmwedeln gedeckt. Wenn es einmal zu windig werden sollte oder die Bewohner doch auf etwas Privatheit Wert legen, lassen sich rundum ein paar Vorhänge oder Stoffbahnen zuziehen. Doch meist ist es viel angenehmer, jeden Luftzug mitzubekommen, und so steht das spärliche Mobiliar, vielleicht ein paar Betten, ein Sofa und einige Truhen (und ein Fernseher), allen Blicken offen. Ebenso die alten Menschen, die auch tagsüber in ihren Betten liegen.
Das Leben in den Dörfern wirkt schon allein dadurch sehr bescheiden bis ärmlich, zumal viele Fales nicht gerade neu und frisch gestrichen aussehen und so manches Wellblechdach arg rostig ist. Aber man sieht nicht einen Menschen betteln, und unterernährt sehen die Samoaner auch nicht gerade aus. Im Gegenteil, sie dürften eins der Völker mit dem höchsten Body-Mass-Index pro Kopf weltweit sein. Sehr, sehr viele sind derart massig gebaut, daß man sie auch mit Mühe kaum in einen Flugzeugsitz pressen könnte.
Kein Wunder, daß es weltweit kaum eine führende Rugbymannschaft gibt, die ohne Samoaner in ihren Reihen auskommt. Als Sumoringer haben sie sich auch schon einen Namen gemacht. Übrigens sind die samoanischen Frauen ebenfalls im Rugby erfolgreich. Es ist der Nationalsport auf den Inseln.

"Für die pazifischen Inseln müßten die Vereinten Nationen eigentlich ihre Kriterien zur Definition von Armut ändern", sagt Aopapa, die wir auf der Suche nach einem Zimmer in der Hauptstadt Apia kennenlernen. Ihr Mann arbeitet bei der UNO-Mission auf Fidschi, und die beiden haben sich alles andere als ein ärmliches Fale an einem der grünen Hänge oberhalb von Apia mit wunderbarem Blick über Palmen und Fruchtbäume hinaus auf den grünen Pazifik gebaut.
"Viele Samoaner sind arm, aber keiner muß hungern", sagt sie. "Unsere Brotfruchtbäume tragen genug, daß jeder satt wird, und sie wachsen in jedem Garten. Du pflanzt eine Bananenstaude, und die Staude vermehrt sich ewig von allein. Du steckst etwas in die Erde, und es wächst. Trotzdem sind die meisten von unseren Leuten arm. Guckt euch nur an, wie wenig sie wissen, wie falsch sie sich ernähren, wie niedrig der Bildungsstand ist!"
Aopapa erscheint uns als kompetente Gewährsfrau. Als gebürtige Samoanerin kennt sie die Verhältnisse von innen und durch ihre Aufenthalte auf Fidschi konnte sie Abstand gewinnen und auch von außen auf die Verhältnisse auf ihrer Heimatinsel schauen.

Auf dem Land..., hätte ich beinahe gesagt, weil dort die familiären Strukturen leichter zu sehen sind, aber auf den zweiten Blick gibt es kaum einen Stadt-Land-Unterschied auf Samoa, denn auch Apia ist trotz einiger derb mißratener Großbauten keine wirkliche Stadt, sondern ein stadtähnlich verdichtetes und asphaltiertes Dorf. “Most streets are not marked with signs, and none of the houses or businesses have street numbers. There are no postal codes and there is no local mail delivery. Locals refer to locations by the village where the house or business is situated.” (Wikipedia)
Es gibt genau zwei Cafés, und die liegen sich in der fast 50 Meter langen Fußgängerzone direkt gegenüber. Dort soll auch ein gutes Frühstück serviert werden, aber nicht sonntags. Sonntags geht überhaupt gar nichts in Samoa, außer die gesamte Einwohnerschaft zur Kirche, und zwar in Weiß herausgeputzt wie zur Erstkommunion. Der alte Miesepeter Theroux hatte vorgewarnt: “Apia looked rusted and neglected. And it was much starker on Sundays, a day observed as fanatically in Samoa as in Tonga, for on Sundays the town was deserted.” (The Happy Isles of Oceania)




Na ja, “deserted” war die Town nicht gerade, denn in der Tat herrschte ein reges Vorfahren von Autos, ein Kommen und Gehen, aber nur vor den diversen Kirchen und Bethäusern. Es gibt Katholiken und diverse protestantische Sekten, Zeugen Jehovas, ein muslimisches Zentrum (für mehr als vielleicht ein Dutzend Mohammedaner?) und sogar einen Tempel der Bahai-Leute. Alles andere ist sonntags geschlossen. In unserer kleinen Pension wurde kein Frühstück serviert, und so liefen wir hungrig wie die Wölfe zwischen den aufgekratzten und munteren Kirchgängern umher und suchten in der zunehmenden Hitze einen Ort, wo es außer Hostien etwas zu essen gab. Jeder, den wir fragten, wußte nur eine Antwort: “Aggie Grey’s”, das älteste und teuerste Hotel am Ort. 1933 als British Club gegründet und in den Fünfzigern als einzig akzeptable Unterkunft für Stars wie James Michener, Marlon Brando und Gary Cooper berühmt geworden. Heute steigen gehobene Pauschaltouristen im Aggie Grey’s ab, die glauben, wenn sie mit ihren Badesandalen in die Fußstapfen von Brandos und Coopers Maßschuhen treten, färbe ein wenig von deren Glanz auf sie ab. Umgekehrt ist es; mit ihnen hat das Hotel seinen Glanz verloren, und an den wöchentlichen Folklore-Abenden mit Pauschal-Büffet und Tänzen als Wilder verkleideter Kellner und Zimmermädchen möchte ich lieber nicht teilnehmen. Aber es gab Frühstück im Aggie Grey’s, eine beeindruckende ethnografische Fotosammlung aus deutschen Kolonialzeiten an seinen Wänden und einen angenehm kühlen Luftzug (ohne Klimaanlage) in seinen offenen Hallen.

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