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Mittwoch, 20. Oktober 2010
Tor der Tore
All die bis zur Rückkehr Agamemnons aus Troja verübten Schändlich- und Scheußlichkeiten erschütterten die Griechen offenbar nicht sonderlich. “Der antike Grieche war ein Mörder”, soufflierte Miller am Fuß der Akropolis von Mykene.
“Er lebte in einer Welt von brutaler Klarheit, die den Geist quälte und verwirrte. Er befand sich mit der gesamten Menschheit im Krieg, auch mit sich selbst.” – Moment! Etwas Ähnliches hatte doch auch Nietzsche schon geschrieben. Ich schlug nach. Hier:
“Ich sah ihren [der alten Griechen] stärksten Instinkt, den Willen zur Macht, ich sah sie zittern vor der unbändigen Gewalt dieses Triebs – ich sah alle ihre Institutionen wachsen aus Schutzmaßregeln, um sich voreinander gegen ihren inwendigen Explosivstoff sicher zu stellen. Die ungeheure Spannung im Innern entlud sich dann in furchtbarer und rücksichtsloser Feindschaft nach außen: die Stadtbürger zerfleischten sich untereinander, damit die Stadtbürger jeder einzelnen vor sich selber Ruhe fänden.”
So stand es in der Götzendämmerung (“Was ich den Alten verdanke”). Ich drehte mich zu Miller um und sah ihm in die Augen. “Solltest du etwa...”
Er schlug den Blick nieder; dann sagte er verschämt: “Bei mir findet aber noch ein dialektischer Umschlag statt, denn ich schreibe weiter: Aus dieser wilden Anarchie entstanden die klaren, heilsamen, metaphysischen Spekulationen, die sogar heute noch die Welt bezaubern.”
Ich blickte ins Buch und dann wieder streng auf Miller. “N. war natürlich nicht so ein hoffnungslos in dieses Land verliebter Schwärmer wie du”, sagte ich. “‘Man lernt nicht von den Griechen, ihre Art ist zu fremd’, hat er geschrieben. Aber ich glaube, du weißt genau, daß es einen ähnlichen Umschlag oder eine gegenläufige Kraft auch bei ihm gibt, nämlich das Dionysische.”
“Wenn du meinst”, kürzte Miller ab. “Sollen wir jetzt nicht endlich die Burg besteigen?”
“Doch”, sagte ich.




Die breite Rampe hinauf und an den sieben Metern dicken Zyklopenmauern entlang schritten wir auf das berühmte Löwentor zu, und durchaus mit ein wenig Ehrfurcht vor den vier uralten gewaltigen Monolithen, die das Tor einrahmen, traten wir hindurch. Im Entlastungsdreieck über dem allein zwölf Tonnen schweren Türsturz flankierten zwei Löwen die Wappensäule der Burg. Ihre Köpfe hatten ursprünglich vielleicht aus Bronze bestanden, mit farbig eingesetzten Augen, die auf Näherkommende und die von ihnen beherrschte Ebene von Argos herabfunkelten. Die Emblematik war klar, die Löwen bewachten Haus und Heiligtum. Die kräftige Säule, auf deren Kapitel vier dachtragende Rundhölzer ruhen, erhebt sich über einem Altar. Hinter diesem Tor, so die Aussage, befindet sich das Zentrum, das Allerheiligste, und die mächtigen Löwen, die Kriegerkönige von Mykene, bewachten und schützten es mit hoch aufgerichteter Drohgebärde. Die Atriden selbst, die Vorfahren des homerischen Agamemnon, sollen das Tor errichtet haben, vor 3300 Jahren. Es ist die älteste Monumentalplastik Europas.

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Ganz fein!
Ich frage mich dabei allerdings heimlich still und leise, ob da nicht vielleicht jemandem, noch unter den Lebenden Weilenden namentlich schlicht ein Miller zugewiesen wurde. Ich schmunzle einfach so für mich hin.

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Nicht auszuschließen.
Ein verlockender Gedanke zu einer hübschen Verwechslungskomödie zwischen Literatur und Realität. Dann sollten wir allerdings unterwegs noch eine Anhalterin ins geliehene Gefährt laden, um die Rollen alle doppelt zu besetzen.

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