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Donnerstag, 24. September 2009
Cesis. Burg Wenden
Deutsche marschierten bekanntlich nicht erst unter dem Hakenkreuz im Baltikum ein. Böswillig könnte man es so ausdrücken, daß das deutsche Auftreten als Besatzer damals bereits seit 750 Jahren Tradition hatte. Denn nach Wikingern auf dem “Ostweg” nach Byzanz und Kaufleuten von Gotland waren zum Ende des 12. Jahrhunderts auch immer mehr Fernhändler aus dem Reich an der Dünamündung aufgetaucht, denen im Jahr 1201 der zum Missionsbischof von Livland ernannte Bremer Domherr Albrecht von Buxthoeven mit angeblich 1500 Pilgern (?) auf 23 Schiffen folgte, um eine Stadt zu gründen, die nach einem Flüßchen, das bei der Landungsstelle in die Düna mündete, Riga genannt wurde. Sein Auftrag war es, die baltischen Heiden auf die eine oder andere Art zum Christentum zu bekehren. Ehemalige Kreuzritter aus Westfalen gründeten 1204 den Orden der Fratres miliciae Christi de Livonia, im Deutschen wegen ihres Abzeichens (ein rotes Kreuz über einem auf der Spitze stehenden roten Schwert) meist verkürzt Schwertbrüderorden genannt, und stellten sich zunächst Bischof Albrecht als sein bewaffneter Schwertarm zur Verfügung. In wenigen Jahren eroberten sie Livland und Estland, ehe sie im September 1236 bei Šiaulen/Schaulen - ähnlich wie früher einmal Varus - in sumpfigem Gelände von Litauern und Schemaiten gestellt und beinahe vollständig aufgerieben wurden. Die überlebenden Ritterbrüder wurden dem inzwischen in Preußen ansässigen Deutschen Orden eingegliedert. Hauptsitz der Schwertbrüder und ihres Ordensmeisters war die 1209-24 errichtete Burg Wenden, das spätere Cesis, die im Lauf der Jahre zu einer uneinnehmbaren Feste ausgebaut und am Ende 1577 von den Ordensrittern selbst zerstört wurde, damit sie nicht in die Hände des Livland erobernden Zaren Ivan, genannt der Schreckliche, fiel.
An dem Sonntag, an dem wir Stadt und Burg besuchten, wirkten sie unter dem grauen Himmel so bedrückend ausgestorben und öde, als hätten sie sich seit damals nie wieder erholt. Bis auf einen einzigen Grillimbiß war alles geschlossen, und außer ein paar Besuchern der Burg, die auf der Suche nach Eßbarem durch die Straßen irrten, war kein Mensch unterwegs, bis sich die Türen der Kirche öffneten. Ein voll besuchter Gottesdienst am Sonntagnachmittag. Posttransitionsfrömmigkeit. Eines der unverständlichen Phänomene in allen ehemals sowjetischen Ländern.

Cesis

In der Hoffnung auf einen leckeren Nachmittagstee liefen wir Ungurmuiza an, wurden aber in dieser Hinsicht enttäuscht. Der Teepavillon war verbarrikadiert. Dafür erwartete uns eine barocke Schloßanlage in bescheiden ländlicher Manier und voll und ganz in Holz ausgeführt, inklusive der imitierten Quadersteine an den Hausecken. Alles so still, daß es den Schauplatz für eine Tschechow-Novelle abgegeben haben könnte.

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