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Sonntag, 20. September 2009
Schatten der Vergangenheit, nicht abzuschütteln.
Zum ehemaligen Reichskommissariat Ostland
Da hatte sie uns nach wenigen Tagen schon eingeholt, die Geschichte. Genauer gesagt, auch meine eigene, deutsche Geschichte, und zwar in ihren dunkelsten und brutalsten Ausprägungen. Hitlers Wehrmacht war hier im Zweiten Weltkrieg einmarschiert, um zu erobern, zu herrschen, und damit “Untermenschen” unterjocht und ausgerottet werden konnten. Nur einen Monat nach dem Angriff auf die Sowjetunion wurde im Juli 1941 das Reichskommisariat Ostland gebildet. Reichskommissar und damit neben Wehrmacht und SS sein ziviler Herrscher wurde - bis zu seiner Flucht im August 1944 - der NSDAP-Gauleiter von Schleswig-Holstein, Hinrich Lohse. Er versah beide Ämter in Personalunion und versorgte so viele seiner norddeutschen Gesinnungsgenossen mit annähernd tausend in den besetzten Gebieten neu geschaffenen Posten (mit denen sie nebenbei auch um die Einberufung zur Front herumkamen), daß sich sagen läßt, das Baltikum sei von Schleswig-Holsteinern regiert worden. Lübecks damaliger Oberbürgermeister Otto-Heinrich Drechsler etwa wurde Generalkommissar von Riga und Lettland.


Drechsler, Lohse, Rosenberg

Die im August ‘41 erlassenen "Vorläufige Richtlinien für die Behandlung der Juden im Gebiet des Reichskommissariats Ostland" machten die “Goldfasane” der deutschen Zivilverwaltung auch dadurch, daß sie die Selektion der zur Zwangsarbeit "nicht mehr benötigten Juden" vornahmen, zu unmittelbar Beteiligten am Holocaust”, schrieb Uwe Danker, Leiter des Instituts für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte an der Universität Flensburg, 1999 in seinem Beitrag zur Wehrmachtsausstellung im Kieler Landeshaus. (Vgl. zuletzt auch die Tagungsberichte zur Konferenz über das Reichskommisariat Ostland an der Universität Flensburg Ende Mai dieses Jahres.)
“Die statistische Teilbilanz des Völkermordens in dieser Region: Von mindestens 500.000 - es gibt inzwischen genauere Schätzungen - im Gebiet des Reichskommissariats 1941 angetroffenen, rassisch definierten Juden lebten 1945 nach der Befreiung keine 10.000 mehr.” (U. Dankert, a.a.O.)

Im Januar 1948 wurde Hirnich Lohse von der Spruchkammer Bielefeld zu zehn Jahren Haft und Vermögensentzug verurteilt. Schon 1951 wurde er krankheitshalber in die Freiheit entlassen. - Drei Jahre Gefängnis für annähernd eine halbe Million Menschenleben auf dem Gewissen. Und zwar im vollen Bewußtsein der eigenen Schuld. Schon 1942 hatte Lohse seinen Stellvertreter zweimal im NS-Reichsjustizministerium nachfragen lassen, ob und inwieweit seine Verantwortung bei den “Judenvorgängen” justiziabel sei. Unrechtsbewußtsein? Fehlanzeige. Wie so viele NS-Täter beteuerte Lohse nach dem Krieg vor Gericht, er sei eigentlich dagegen und ein heimlicher Widerständler gewesen, und “im November 1951 erstritt sich Hinrich Lohse vor Gericht 25 Prozent seiner Pensionsansprüche”.

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