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Dienstag, 11. August 2015
Tergeste. Miszellen zu seiner Geschichte
Ljubljana mag zwar die Hauptstadt Sloweniens sein, liegt aber 120 km weit weg; das urbane Gravitationszentrum der Küstenregion ist nach wie vor Triest, geradezu in Reichweite jenseits des Golfs gelegen. Dabei ist es eigentümlich, wie lange die Stadt von den Großmächten, in deren Herrschaftsbereich sie lag, weitgehend ignoriert wurde.
Das gilt schon für die Römer. Nachdem sie zur Vormacht in Italien geworden waren und den großen Rivalen Karthago buchstäblich vom Erdboden gefegt hatten, wie man es sich brutaler kaum vorstellen kann (von den 300.000 Einwohnern Karthagos wurden 250.000 umgebracht, heißt es, der Rest als Sklaven verkauft, die Stadt systematisch und vollständig geschleift), dehnten sie ihren Herrschaftsbereich rasch weiter aus. Eines ihrer Ziele war die Eroberung der Italien jenseits der Adria gegenüberliegenden Küste, von der aus Illyrer immer wieder Piratenüberfälle auf römische Schiffe unternahmen und so deren Seehandelsroute unsicher machten. Auf zwei Flottenunternehmungen folgten von Aquileja aus zwei Feldzüge zur „Angliederung” des benachbarten Istrien. Ein befestigtes Feldlager der römischen Einheiten aus dem Jahr 178 v.u.Z. haben Archäologen dieses Jahr an der Bucht von Muggia auf Triester Stadtgebiet gefunden. Es trug vielleicht zur Entstehung der späteren Stadt bei.
In den wirren Zeiten der Bürgerkriege und der Gracchischen Reformen schickte der römische Senat jedenfalls 128 v.u.Z. Legionsveteranen in einen dort inzwischen auf einem Hügel über dem Adriaufer vorhandenen kleinen Marktflecken von Illyrern oder Venetern, um die eroberten Gebiete am Nordrand der Adria zu sichern. Um diese Zeit kam der bedeutende griechische Geograph Artemidor von Ephesos auf einer Reise nach Rom als Gesandter seiner Heimatstadt durch die Gegend und hielt den Ort in seinem Periplus unter dem Namen Tergestum fest. Er stammt wahrscheinlich aus der Sprache der dort lebenden Veneter, die eine indogermanische Sprache sprachen. *Terg könnte daher mit dem germanischen Wort torg, Markt(platz), verwandt sein, das als trg später auch Eingang in die slawischen Sprachen gefunden hat.
Auf der Grundlage seiner auf eigenen Reisen basierenden Notizen hat Artemidor eine Beschreibung der damals bekannten Welt in elf Bänden verfaßt. Leider ist seine Geographoumena verloren, aber wie wichtig und einflußreich sie gewesen ist, sieht man daran, daß spätere bedeutende antike Geographen wie Strabon oder Plinius d.Ä. gern daraus zitierten. Eine teilweise Abschrift, die im 1. vorchristlichen Jahrhundert in Alexandria angefertigt wurde, enthält die bisher einzige authentische Landkarte aus der Antike.
Tergestum gewann als Handelsort und Grenzfestung allmählich an Bedeutung, konnte aber nie zum wichtigeren Aquileia aufschließen. In Aquileia, im flachen Nordbogen der Adria an einem der Endpunkte der Bernsteinstraße gelegen, wurde nicht nur mit Bernstein gehandelt, es wurde auch Eisenerz aus der Alpenprovinz Noricum verhüttet, es gab eigene Werften, es war die erste große Stadt, wenn man südwärts über die Alpen kam, und galt als Bollwerk des Imperiums gegen die nördlich und östlich umherstreifenden Barbarenvölker, bis es 452 von den Attila-Hunnen gründlich zerstört wurde. Doch für die römischen Christen behielt es weiterhin seine Bedeutung als Bischofssitz, und als der Bischof von Aquileia 572 zum Patriarchen und damit zweitwichtigsten lateinischen Kirchenfürsten unter dem Papst in Rom aufstieg, galt Aquileia wieder als wichtige Metropole, bis der Hafen verlandete und man unter den Langobarden Bischofssitz und andere Einrichtungen auf die nahe Laguneninsel Grado verlegte. Mit dem Aufstieg Venedigs sank Aquileia in die völlige Bedeutungslosigkeit ab.
Triest hatte Aquileias Größe und Höhe nie erreicht, es stürzte aber auch nicht in dessen Tiefe. Zur Zeit Kaiser Trajans zählte es 12.000 Einwohner, erhielt eine Basilika und ein Amphitheater, dessen Bühne und Ränge heute wieder am Fuß des Altstadthügels mitten im Verkehrstrubel zu besichtigen sind, weil Mussolini Teile der Triestiner Altstadt abreißen ließ, um die glorreichen Überreste seiner unmittelbaren Vorgänger, der römischen Imperatoren, freizulegen und so den Anspruch Italiens auf Triest, das ihm erst zehn Jahre vorher als Kriegsbeute des Ersten Weltkriegs zugefallen war, historisch zu untermauern.

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Freitag, 7. August 2015
Triestiner Beobachtungen zur bella figura

Oh ja, die monumentale Denkmalkunst in Triest ist brutale. Vieles wie vom Duce bei Arno Breker bestellt. Und dann lassen sie heute noch die Jugend uniformiert in Klassen- oder Pfadfinderverbänden hinpilgern. Schlimm!

Doch der Italiener vergißt ja auch in Uniform nie, vor allem „bella figura” zu machen.

In Zivil schon gar nicht. Und da machen oft kleinste Gesten und Dinge den bezeichnenden Unterschied. Wir wollen jetzt gar nicht erst von Socken in Sandalen zu reden anfangen, obwohl ich das Ausmaß des ehrlich entsetzten Abscheus der Mediterranen vor dieser teutonischen (aber z.B. auch türkischen) Weise, die Füße zu lüften und doch nicht kalt werden zu lassen, nicht ganz nachvollziehen kann. Wenn die mal bei Temperaturen unter zwanzig Grad über die Alpen kommen, laufen sie gleich in Michelinmännchen-Daunenjacken und Moonboots rum. Ob das nun zu einer bella figura beiträgt, bezweifle ich. Aber vielleicht ist den Italienern und Italienerinnen ja im (klimatischen) Ausnahmezustand im Ausland erlaubt, was zu Hause in bella Italia verpönt wäre.

Im Sommer Polohemden tragen kann jeder. Eben. Um zu demonstrieren, daß mann sich als Italiener so ein Strickjerseyteil nicht irgendwie überstreift, kommt es darauf an, mit einer kleinen Akzentsetzung deutlich zu erkennen zu geben, daß man auch dabei nicht außer Acht läßt, an seine bella figura zu denken. Also... das unbedingte Erfordernis, in Italien Polohemden mit hochgestelltem Kragen zu tragen, ist dermaßen verbreitet, daß ich in Triest vor mir auf der Straße mehrfach Polohemden gesehen habe, die unter dem (aufgestellten!) Kragen eingewebte Schriftzüge und Markennamen trugen.
Ich will das Haltungs- und Kleidungsideal der bella figura keineswegs grundsätzlich schmähen, denn, ja, in Italien flaniert man im Durchschnitt besser gekleidet über die Corsi, als es durch bundesdeutsche Fußgängerzonen schlufft, und es zaubert immer wieder schön Anzusehendes in die Gassen und Straßen des italienischen Alltags. Am gestenreichen Sprechen der Italiener kann man sich ja ohnehin nie sattsehen.

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Mittwoch, 5. August 2015

Et in Italiae ego.

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Freitag, 31. Juli 2015
"I'll drown you in the malmsey-butt"

„Clarence: Where art thou, keeper? give me a cup of wine.
Second murderer: You shall have wine enough, my lord, anon.”

Tja, ich habe hier ja schon einmal beklagt, mit den im mediterranen Slowenien vorwiegend angebauten Rebsorten bisher leider größtenteils keine sonderlich gute Bekanntschaft gemacht zu haben, und das wiederholt sich nun bei diesem Aufenthalt. Unsere Gaumen können mit den hier ausgeschenkten regionalen Weinen einfach keine Freundschaft schließen. Deswegen schließe ich mich mittlerweile ganz dem Mörder in Shakespeares Richard III. an:

„Take that, and that: if all this will not do,
(Stabs him)
I'll drown you in the malmsey-butt within.”

In der Schlegelschen Übersetzung: „Nehmt das und das; reicht alles noch nicht hin,
So tauch ich Euch ins Malvasierfaß draußen.”

Der hiesige Malvazija eignet sich in my humble opinion noch am besten dazu, englische Hochadlige darin zu ersäufen, indeed.

Obwohl erst einmal an einheimischen Produkten interessiert, haben wir darum in unserer Getränkenot den Blick doch einmal über die Landesgrenze gehoben und brauchten da gar nicht weit zu schweifen, denn die slowenische Weinregion des Görtzer Hügellands, der Goriška Brda, setzt sich jenseits der Grenze bruchlos als das unter Weintrinkern berühmte Anbaugebiet Collio (Gorizia) im italienischen Friaul fort. Der mittlerweile zur Legende aufgestiegene Winzer Josko Gravner baut seine Reben beiderseits der Grenze an – und läßt die Trauben zunächst in Tonamphoren aus dem Kaukasus gären. Mit sensationellen Ergebnissen. Eine Flasche von seinem Ribolla Gialla „Anfora”, Jahrgang 2004, kostet in New York schlanke 1000 $.
Also, wenn mal jemand was spendieren möchte... Probieren würde ich so einen Wein schon gern mal.
Aber bis dahin kann ich mich auch gut mit erschwinglicheren Tropfen begnügen. Die alte Rebsorte Ribola (in Slowenien Rebula), die Gravner vornehmlich kultiviert, war in ihrer weißen Variante, der Ribola gialla, die Entdeckung dieses Aufenthalts. Sehr trinkbaren Wein macht man daraus z.B. auf dem Weingut La Tunella östlich von Udine.
Die Beschreibung seines „Rigialla” auf der Weinseite superiore.de kann ich voll und ganz übernehmen:

„duftet zart und beständig nach weißen Blumen, grünen Äpfeln und gelben Pfirsichen. Vollmundig am Gaumen, der geschmeidige Körper spiegelt die charakteristischen Merkmale der Rebsorte wider. Der trockene und würzige Geschmack vermittelt angenehme Frische und gefällige Aromafülle. Elegant, leicht und würzig - ein beschwingter Weißwein.”

Stimmt genau. Also Ribola gialla ins Glas und vertrocknete britische Aristokraten ins Malvasierfaß!

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Sonntag, 26. Juli 2015
Sonntagsspaziergang in Grožnjan






"Auf den Gräbern frisch erblühte Feuerlilien in herrlichen Exemplaren; die Blume wirkt in besonderer Stärke, illuminierend, wenn sie inmitten von saftigen Kräutern im kühlen Halbschatten der Gebüsche brennt. Sie glüht dort wie eine Lampe, aus der sinnliches Bewußtsein auf die verborgene Lebensfülle strahlt."
(Ernst Jünger: Zweites Pariser Tagebuch, 16. Juni 1943)

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Donnerstag, 23. Juli 2015
Istrische Zeit
Motovun
Diese kleinen Wespen waren wirklich elend langsam, besonders auf der gut ausgebauten Schnellstraße hinter der kroatischen Grenze, und bergauf hätte man fast nebenher laufen können. Aber wir hatten es nicht eilig, die Turmuhr von Motovun war schon vor vielen Jahren stehengeblieben, und sich bei diesen Temperaturen von Fahrtwind umsäuseln zu lassen, war allemal angenehmer, als im Auto zu sitzen. Besonders Madam wedelte um die Kurven, daß ich in meinem inneren Ohr den Wind andauernd summen hörte: „That’s why the lady is a tramp.”
Außerdem sah man beim Fahren jede Eidechse am Straßenrand und jeden gaukelnden Schmetterling über den blauen Wegwarteblüten und roch die warme Erde und das reifende Korn auf den Feldern. Der Eindruck schon aus dem österlich verregneten Vorjahr bestätigte sich noch einmal: Das Innere Istriens ist schön, sehr schön. Und zwar gerade, weil es trotz guter neuer Straßen noch immer etwas ab vom Schuß liegt und ein bißchen zurückgeblieben verträumt wirkt, sobald man von den Küsten ein paar Kilometer ins Hinterland fährt, und besonders natürlich in den Bergdörfern und auf den Einzelhöfen irgendwo an Nebenstraßen, wo man Honig oder frisch gepresstes Olivenöl gleich vom Erzeuger kauft. Also die Uhren lieber umgestellt auf Istrische Zeit.

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Sonntag, 19. Juli 2015
Habermas: Ein schlechteres Deutschland fordert für sich Hegemonie in Europa
Es ist ja nicht immer nur unzusammenhängendes, dummes Geschwätz, was alte Männer von sich geben. Aber leider haben unsere sogenannten „Leitmedien” gar nichts von einem Interview berichtet, das der 86-jährige Jürgen Habermas dem Guardian zu den Verhandlungen mit Griechenland gegeben hat. Seine Einschätzungen und Beurteilungen lassen es an Deutlichkeit nicht fehlen. Fünf davon möchte ich abschließend zitieren.

• „The Greek debt deal announced on Monday morning is damaging both in its result and the way in which it was reached. First, the outcome of the talks is ill-advised. Even if one were to consider the strangulating terms of the deal the right course of action, one cannot expect these reforms to be enacted by a government which by its own admission does not believe in the terms of the agreement.”
• „Secondly, the outcome does not make sense in economic terms because of the toxic mixture of necessary structural reforms of state and economy with further neoliberal impositions that will completely discourage an exhausted Greek population”.
• „Thirdly, the outcome means that a helpless European Council is effectively declaring itself politically bankrupt: the de facto relegation of a member state to the status of a protectorate openly contradicts the democratic principles of the European Union.”
• „Finally, the outcome is disgraceful because forcing the Greek government to agree to an economically questionable, predominantly symbolic privatisation fund cannot be understood as anything other than an act of punishment against a left-wing government. It’s hard to see how more damage could be done.”
• „And yet the German government did just this when finance minister Schaeuble threatened Greek exit from the euro, thus unashamedly revealing itself as Europe’s chief disciplinarian. The German government thereby made for the first time a manifest claim for German hegemony in Europe – this, at any rate, is how things are perceived in the rest of Europe, and this perception defines the reality that counts. I fear that the German government, including its social democratic faction, have gambled away in one night all the political capital that a better Germany had accumulated in half a century”.
• „Key decisions [in the EU] are being taken by the council, the commission and ECB – in other words, the very institutions that are either insufficiently legitimated to take such decisions or lack any democratic basis [...] this technocratic hollowing out of democracy is the result of a neoliberal pattern of market-deregulation policies.”

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