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Montag, 16. März 2015
Abstrakt? - Im Gegenteil.

In der Morgendämmerung kommt der Sturm aus Südost fauchend angesprungen wie ein schwarzer Panther. Er schüttelt die Bäume und läßt sie hin und her peitschen, als wären sie Grasbüschel. Er reißt dem Land das weiße Leichentuch vom fahlgelben Gesicht. Noch tief im Haus spüre ich seine Böen auf den Trommelfellen.
Die ersten Flüsse treten über die Ufer, im Westen fällt für eine Stunde der Strom aus: Leitungen zerfetzt, Masten gekappt. Im Garten hat der Sturm einer alten Lärche einen kräftigen Arm abgerissen. Gezackt, verdreht, mit ragenden Splittern klafft die frische Wunde hell im dunklen Stumpf. Die alte Lärche bleibt nicht der einzige Baum, der ‟Federn” lassen muß in diesem Sturm, der sich zum Orkan auswächst. Laut Beaufort-Skala gelten Windgeschwindigkeiten über 33 m/s als Orkan. Hier werden in Böen gerade 45 m/s oder über 160 km/h erreicht.
Als Zahl ist das vielleicht doch abstrakt. Sobald man vor die Tür geht, spürt man die Windfaust sehr real.

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Sonntag, 15. März 2015
Flóki und die Raben
Nach der Mitte des 9. Jahrhunderts hörte ein Norweger namens Flóki davon, daß andere Wikinger auf ihrer Fahrt zu den Britischen Inseln und weiter zu den Färöern von einem Sturm zu einer bis dahin unbekannten Insel noch weiter im Westen verschlagen worden waren. Die Insel sei nach allem, was sie gesehen hätten, unbewohnt, sähe aber sehr vielversprechend aus. ‟Þeir lofuðu mjög landið”, sie lobten das Land sehr.
Flóki entschloß sich, mit allem, was er mitnehmen konnte, zu dieser unbekannten Insel auszuwandern. Warum er diesen verwegenen Entschluß traf, wird in den für die früheste Zeit wortkargen Quellen nicht erklärt. Vielleicht läßt sich aus seinem Namen etwas ableiten. Flóki wird nämlich in den Quellen nie mit seinem Vatersnamen bezeichnet, sondern nach seiner Mutter Sohn der Vilgerðr genannt. Das ist nicht exzeptionell, kommt aber doch eher selten vor. Meist, weil der Vater entweder sehr früh gestorben, unbekannt oder unbedeutender war als die Mutter. Letzteres könnte bei Flóki der Fall gewesen sein, denn seine Mutter war eine Tochter des Hörða-Kári. In seinem Namen gab dieser Kári zu erkennen, daß er der führende Mann des kleinen Königreichs Hordaland war, einer der wichtigsten Regionen des um diese Zeit gerade erst in einem Einigungsprozeß befindlichen Norwegen. Der isländische Historiker Snorri Sturluson hielt in seiner Geschichte der norwegischen Könige aus dem 13. Jahrhundert, der Heimskringla, fest: ‟Menn þeir voru á Hörðalandi margir og göfgir er komnir voru af ætt Hörða-Kára.” - ‟Viele vornehme/edle Männer in Hordaland stammten aus der Familie des Hörða-Kári”, und Snorri zählt vier Söhne und zwei Töchter namentlich auf. Über einen der Söhne, Þórður hreða, ist eine eigene Saga in Island erhalten, ein Enkel Káris war jener hoch angesehene Úlfljótur, der den Isländern später das erste Gesetzbuch bringen sollte. Besserer Abstammung als in seiner mütterlichen Linie konnte dessen Cousin Flóki also kaum sein.
Der Segen einer mächtigen Verwandtschaft kann sich bekanntlich auch als Fluch erweisen, und es kann gut sein, daß Flóki durch die Söhne Káris und deren Söhne einen eigenen Weg zu einer führenden Machtstellung in Hordaland verstellt sah und sich daher dazu entschloß, lieber sein eigenes Königreich auf einer unbewohnten Insel zu gründen. An Mitteln dazu fehlte es ihm anscheinend nicht. Erstens besaß er mindestens ein seetüchtiges Schiff, und ein solches war ein Vermögen im Gegenwert eines größeren Bauernhofs wert. Zweitens besaß er Vieh, das er mit auf die Reise nahm, und drittens Leute, denen er befehlen konnte, ihn zu begleiten. Außer all dem nahm er noch etwas mit an Bord: ‟hann bjósk af Rogalandi at leit a Snjólands; þeir lágu í Smjörsundi. Hann fekk at blóti miklu ok blótaði hrafna þrjá, þá er honum skyldu leið vísa.” Dieser Version des isländischen ‟Buchs von der Landnahme” (Landnámabók, Hauksbók) zufolge veranstaltete Flóki unmittelbar vor seiner Abreise ein großes Opferfest. Bei dem weihte er drei Raben, ‟die ihm den Weg zeigen sollten”. Auf der Hauswiese des Hofs Straumen am Smørsund auf der Grenze zwischen Horda- und Rogaland steht heute noch eine steinerne Wächte, wie sie Flóki anläßlich dieses Opferrituals errichtet haben soll.
Drei Raben, einer Gottheit geweiht, mutmaßlich Odin, als dessen heilige Vögel und Kundschafter sie zu jener Zeit galten. In Haustlong, einem heidnischen Skaldengedicht des 9. Jahrhunderts, wird Odin selbst als Hrafn-áss, ‟Rabenase”, bezeichnet. In einigen Wissensgedichten der Lieder-Edda tragen Odins Raben sprechende Namen:

‟Huginn ok Muninn
fliúga hverian dag
iörmungrund yfir”

‟Huginn (‟Gedanke, Klugheit”) und Muninn (‟Erinnerung”) / fliegen jeden Tag / über die Welt”, heißt es etwa in den Grimnismál. Und im Anfang der Heimskringla erläuterte Snorri:
‟Hann átti hrafna tvá, er hann hafði tamit við mál; flugu þeir víða um lönd ok sögðu honum mörg tíðindi. Af þessum hlutum varð hann stórliga fróðr.” – Odin ‟hatte zwei Raben, die er sprechen gelehrt hatte. Sie flogen weit umher und trugen ihm viele Neuigkeiten zu. Dadurch erlangte er großes Wissen.”
"Odin von Lejre", ca. 900-950, knapp 2cm groß
In altnordischen Dichtungen und Sagas wimmelt es von Belegen dafür, daß Raben Krieger in den Kampf begleiteten, und es gibt selbst bildliche Darstellungen dieses Vorgangs, etwa auf Helmblechen aus Vendel. Auf einer erst vor fünf Jahren im ältesten dänischen Königssitz, Lejre, ausgegrabenen silbernen Miniatur aus dem frühen 10. Jahrhundert sitzt ziemlich unverkennbar Odin auf einem Thron (Hochsitz), und auf jeder Seitenlehne (am starken, geraden Schnabel erkenntlich) hockt ein Rabe.
Flóki nahm also drei, wahrscheinlich Odin geweihte Raben mit auf seine Fahrt ins Ungewisse. Sie erreichten zunächst die Shetland-Inseln, dann die Färöer, diese winzige Inselgruppe im Nordatlantik, die so zielsicher anzupeilen angesichts der kaum vorhandenen Navigationsinstrumente damals keine geringe seemännische Leistung war. Dort verheiratete er seine Tochter, heißt es im Landnahmebuch. Eine andere Tochter soll auf den Shetlands ertrunken sein. Flóki war also kein ganz junger Mann mehr, wenn er Töchter im heiratsfähigen Alter besaß. Von Torshavn segelte er weiter nach Westen. Irgendwo in der landlosen Wasserwüste da draußen holte Flóki einen der Raben aus seinem Käfig und ließ ihn frei. Der Rabe flog schnurstracks in Richtung der Färöer zurück. Flóki hielt weiter westlichen Kurs. Tage später ließ er den zweiten Raben fliegen. Der stieg hoch in die Luft, kreiste mehrmals ums Schiff und ließ sich dann auf der Rah nieder.
Wiederum Tage später ließ Flóki zum dritten Mal einen Raben fliegen. Der stieg auf, kreiste ums Schiff und flog dann Richtung Nordwesten davon. Flóki änderte den Kurs in seine Richtung, und so erreichten sie Island an seinem südöstlichsten Horn. Odins Raben hatten ihnen den Weg gezeigt. Und Flóki wurde wegen seines großen Vertrauens in sie später Hrafna-Flóki genannt.

Er und seine Mannschaft segelten die Südküste entlang, sahen das weite, karge Tiefland und den hoch gewölbten riesigen Gletscher dahinter, umsegelten die nackte Lava der Halbinsel Reykjanes an der Südwestspitze und fuhren, sehr angetan, über die breite Meeresbucht dahinter, in die zwischen Wiesen und Wäldern ein breiter Fluß mündete. ‟Das muß ein großes Land sein, das wir hier gefunden haben”, sagte ein Mann aus der Besatzung, Faxi, nach dem dieser weite Golf heute noch heißt.
Sie sahen den majestätischen Snæfellsjökull auf seiner Landzunge über dem Wasser schweben, umrundeten auch diese Halbinsel und liefen in den breiten Fjord auf ihrer Nordseite ein. In einem grünen Seitenfjord mit einem Süßwassersee an der Südküste der Westfjorde landeten sie. Im See und im Fjord gab es mehr Lachse und Forellen zu fangen, als sie essen konnten. Im niedrigen Buschwald konnten sie Schneehühnern und anderen Vögeln, am Wasser fetten Eiderenten und Wildgänsen nachstellen. Das Wetter muß den Sommer über derart mild gewesen sein, daß sie es nicht für nötig hielten, für das mitgebrachte Vieh Heu zu machen und größere Vorräte anzulegen. Vor lauter Jagdeifer ‟vergaßen” sie es, heißt es in der Landnámabók. Das sollten sie im nachfolgenden Winter bitter bereuen. All ihr Vieh verhungerte und ging ein. Auch das Frühjahr fiel hart und kalt aus. Flóki erkundete das weitere Umland. Als er einen hohen Berg erklommen hatte, fiel sein Blick nach Norden in einen Fjord, der noch immer voller Treibeis war. ‟Von da an nannten sie die Insel Island.” Den anschließenden Sommer verlebten sie wieder gut im Vatnsfjörður, doch bevor der Winter kam, gaben sie auf, beluden ihr Schiff und segelten leichter zurück, als sie gekommen waren. Gleich in der weiten Bucht südlich der Halbinsel Snæfellsnes fanden sie auf einer Insel einen frisch angetriebenen Wal, und mit diesem Berg von Fleisch überwinterten sie noch ein weiteres Mal, ehe sie im folgenden Frühjahr nach Norwegen zurückkehrten. ‟Als sie dort nach dem neuen Land gefragt wurden, äußerte sich Flóki abfällig, Herjólfr zählte Vor- und Nachteile auf, doch Þórólfr sagte, in jenem Land tropfe Butter von jedem Grashalm. Deswegen nannte man ihn Þórólfr Butter.”

Si non e vero...

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Donnerstag, 12. März 2015
Spätwinter, die isländische Variante

Snjór Schnee

Snjór, snjór, Schnee, Schnee.
Brímhvít mjöll. Gischtweiße Flocken.
Eins og frosin lík af ljósum Wie gefrorene Leichen von Licht,
eins og haf af hvítum rósum wie ein Meer weißer Rosen
hylur mjöllin spor þín öll. decken Flocken all deine Spuren zu.

(Steinn Steinarr)

Die Isländer sind vom Wetter vieles gewöhnt und können mit seinen Launen gut umgehen, aber nachdem es gestern selbst in der Stadt mehrere Busse von der Straße geweht hatte, brach so gut wie alles zusammen. Der gesamte Busverkehr wurde eingestellt, außerhalb der Stadtgrenzen steckten ohnehin längst Hunderte Autofahrer in Schneeverwehungen fest. Im Westen warf der Sturm einen schweren LKW samt Hänger einfach um, und dann wurden auch ganze Stadtviertel vollkommen unbefahrbar. Ein ausgerücktes Kamerateam des Fernsehens sah an einer Kreuzung, wie ein Fahrer ausstieg und begann, das Chaos tatkräftig mit klaren Anweisungen an die anderen zu organisieren, um die Kreuzung frei und den Verkehr zum Abfließen zu bringen. Ein Interview, so berichtete der Reporter, hätte der Mann abgelehnt. Er sei ein Mann des Volkes und nicht der Medien. Diese Anekdote hätte man im deutschen Fernsehen sicher nicht erwähnt. Zwei in ihrem Auto eingeschlossene Teenager, die der Reporter stattdessen befragte, meinten nur, sie hätten die Nase von diesem Winter gestrichen voll, und das ist so ziemlich einhellig der Tenor, den auch ich hier zu hören bekomme. Anläßlich dieses neuerlichen Winterüberfalls haben die Meteorologen einmal nachgezählt: Seit Anfang November sind nicht weniger als 37 ausgewachsene atlantische Sturmtiefs über die Insel gefegt, und es hat den ganzen Winter über nie mehr als 3 ruhige Tage in Folge gegeben. Stabile Kaltluftsysteme über Kanada und Sibirien schicken ein Sturmtief nach dem anderen Richtung Island, und der Winter ist noch lange nicht vorbei, auch wenn sich allmählich die Frühjahrstagundnachtgleiche ankündigt.

Und wer hat seinen Spaß in diesen weißen Stürmen? Die Raben.
Ihnen gefällt es hier, im Sommer wie im Winter. Der Überlieferung zufolge sind sie womöglich die eigentlichen Entdecker der Insel. Jedenfalls steht unbezweifelbar fest, daß Vögel Island lange vor den Menschen gefunden und besiedelt haben. Und schließlich waren Raben den Menschen bei deren Entdeckung der Insel behilflich und zeigten ihnen den Weg.
Raben im Schneetreiben über Laugardalur

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Dienstag, 10. März 2015
Stadt, Land, Meer, Vulkan

Gegen die rissige, blättrige Borke der Bäume steht auch hier die Betonglätte der Stadt, mit einem Unterschied: Überall, selbst mitten im Zentrum öffnen sich immer wieder Sichtachsen, die den Blick freigeben auf eine völlig ungezähmte Natur, auf den eisig grünblau anrollenden Nordatlantik, auf grobstollig zerklüftete Lavafelder, kaum mehr als 1000 Jahre alt, auf schnee- und eisgepanzerte Berge, auf nicht von Menschenhand Geschaffenes. Das Andere von uns, die Natur, ist allgegenwärtig und nah. Besonders unter diesen winterlichen Verhältnissen läßt sie die ausgesetzte kleine Stadt am Sund trotz emsiger menschlicher Bautätigkeit noch viel kleiner und verletzlicher aussehen. Die Natur in Reichweite da draußen läßt dich immer wieder unterschwellig spüren, daß ihre Kräfte jederzeit ausreichen würden, das Leben hier zum Erliegen zu bringen.
Gerade erst wurde der jüngste Vulkanausbruch im Landesinneren für beendet erklärt, der seit dem letzten August ein halbes Jahr lang angedauert hat. Er goß fast anderthalb Kubikkilometer neue Lava über 85 Quadratkilometer vorher vergletscherten Hochlands. Es war der größte Vulkanausbruch in Europa seit 230 Jahren. (Nebenher setzte er im Anfang täglich 150.000 Tonnen Schwefeldioxid frei – zehnmal mehr als ganz Europa sonst produziert.) Doch mit seinem Ende ist für die Isländer keine Entwarnung verbunden. Denn mit dieser gewaltigen Lavamenge ist nicht mehr als etwa 1 Prozent des Magmas an die Oberfläche gedrungen, das unter dem Eis in diesem einen Vulkansystem brodelt.
‟Es ist höchst wahrscheinlich, daß der Rest demnächst noch von sich hören läßt”, erklärte der führende isländische Vulkanologe neulich in einem Vortrag. Ein in seiner Art vergleichbarer kleinerer Ausbruch in der jüngeren Vergangenheit sei zehn Jahre lang nicht zur Ruhe gekommen. Der ‟Muttervulkan” Bárðarbunga liegt ein paar Hundert Kilometer von Reykjavík entfernt unter dem Eis des Vatnajökull, aber was heißt das schon? Alle Berge, alles Land hier ist vulkanischen Ursprungs. Die Esja ist alt und erloschen, Vífilsfell erhob sich in der letzten Eiszeit, auf der Hellisheiði gleich vor der Stadt überzeugte ein Vulkanausbruch die Menschen erst vor 1000 Jahren davon, daß es vielleicht doch besser sei, sich christlich taufen zu lassen, und an ebendieser Stelle zapft man bis heute geothermische Energie aus der Lava. Ebenso gilt das Vulkansystem in Krísuvík auf der Halbinsel Reykjanes südwestlich der Stadt als noch aktiv. An der Oberfläche ist heute alles ruhig, aber diese Berge sind noch nicht von Jahrmillionen der Erosion abgeschliffen worden, sie sind noch rauh, kantig, schroff; man sieht ihnen die Kraft noch an, die in ihnen schlummert. Sie strahlt bis in die Stadt hinein.

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Sonntag, 8. März 2015
Björk

Ohzora ni / nobi katamukeru / fuyugi kana

Under the wide open sky
A winter tree is spreading
And leaning to one side

(Takahama Kyoshi, 1874-1959)

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Samstag, 7. März 2015
Weiße und schwarze Federn am Himmel

Im lieblichen Holland hatte ich doch vergessen, was wirkliches Sauwetter bedeutet. Island hat es mir schnell wieder gezeigt. Wind aus Südost fiel heute übers Meer in das stille Frostwetter ein und schob schwere Wolken vor sich her, aus denen erst Schnee fiel, dann Schneeregen, dann Hagel, dann Regen, die Temperatur sprang auf +5°, das Eis auf den Straßen verflüssigte sich so schnell, daß man dabei zusehen und nasse Füße bekommen konnte, der Wind wuchs zu Sturm an und schüttelte den Bäumen Eis und Schnee von den gepeitschten Ästen, die bogen sich, knarrten, ächzten, der Sturm jaulte um die Hausecken, Wasser fiel von oben, flog von der Seite an, floß in breiten Bächen die Straßen hinab, auf denen das Eis längst zu einem braunen Brei geschmolzen war.
Jemanden mit offenen Armen zu empfangen, sieht irgendwie anders aus.

‟Der Sand kriecht nicht durchs Stundenglas, Feuchtigkeit ist eingedrungen,
das Glas beschlagen. Den Gedanken ist die Atmosphäre zu schwer,
die Zeit steht still, der Himmel ist violett und es schneit, schneit auf heißen Sand.
Es schien mir, ich hörte Raben, schwarze Federn mit Nachricht aus den Bergen,
schwarze Schwingen mit leichtem Schlag, wirbeln den Sturm auf.”

(Gabriela Friðriksdóttir: Crepusculum, 2011)

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Donnerstag, 5. März 2015
Heimkehr in die Fremde

Aufwachen: Im Rechteck des Fensterrahmens unvertraute Schattenrisse dünner, grotesk gewinkelter Äste, schwarz auf weiß wie in einem japanischen Holzschnitt. Weiße Punkte fallen langsam durchs Bild: Schneeflocken. Sie holen ein Erinnerungsbild herauf: Wie das Flugzeug gestern abend lange so dicht über einer grauen Wolkensteppdecke in die heraufziehende Dämmerung schwebte, daß die Flügelspitzen manchmal durch die Wattebäusche schlitzten. Schweben, das richtige Wort für den trügenden Eindruck. Im Bad dann der fast vergessene, aber gleich wieder vertraute Schwefelgeruch aus der Warmwasserleitung.
Auch draußen hat sich äußerlich so gut wie nichts verändert: die blasse, tiefstehende Wintersonne, die ein zaghaftes, aprikosenfarbenes Licht auf Zweige und Äste legt (es gibt also Hoffnung), noch immer die dicken Eispanzer auf den Gehsteigen, über die man halsbrecherisch rutscht, tastet, schlindert, die Innenstadt noch immer so winterlich leise und schön verschlafen (auch wenn ein paar Touristen mehr herumirren als früher, besonders Asiaten auf der Suche nach Nordlicht), am alten Hafen tatsächlich immer noch derselbe, unverwechselbare Geruch, und natürlich immer noch so unfaßbar nah und klar der Bergstock jenseits des Sunds. – ‟How many years can a mountain exist, before it is washed in the sea?”

Die isländische Künstlerin Gabriela Friðriksdóttir steht am Ufer des Ozeans uns sieht schon weiter:
‟Bei Flut wirft die Welle flüchtig eine alte Skizze hin vom Berg, / der der Sand einmal war, Erinnerung an eine lange vergangene Landschaft.”

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