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Samstag, 19. Juli 2014
Das schweigende Volk von Kainuu

Wäinämoinen hin, Lemminkainen oder Aino her, seit wir uns an diesem Pfuhl im Wald mit dem Hiisi eingelassen hatten, wurden bei unserem weiteren Vorrücken immer höher hinauf nach Norden zwar die Bäume kleiner, aber die Landschaft auch unzugänglicher, sumpfiger und geheimnisvoller.

"The Silent People of Kainuu" by Reijo Kela

Auf einer Lichtung stand ein tausendköpfiges Volk mit Torfgesichtern und schwieg uns an. Die Kleider schlotterten um die dürren Gestalten. Es fiel kein Wort, und doch wirkte das Schweigen irgendwie vorwurfsvoll. Im Wald stolperte uns ein junges Rentier über den Weg, besah uns mit großen, staunenden Augen und taperte dann weiter, bis es zwischen den grauen Fichtenstämmen verschwand.
Zum Glück fanden wir am Abend noch eine einsame Blockhütte mit einer geheimnisvollen Frau hinter dem Fenster. Die Schatten der Sprossen bekreuzigten sie doppelt. Sie schien sich vor etwas oder jemandem schützen zu müssen.

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Dienstag, 15. Juli 2014
Hiidenportti

Wenn man tief in seine Wälder eindringt, gibt sich der Herr der Fliegen im mittsommerlichen Finnland auch als Herr der Mücken zu erkennen. Und wir wanderten zu einem Ort, wo er einen Ausstieg aus der Unterwelt hat, in Hiidenportti, der Teufels- oder Dämonenpforte. - Da schwirrten besonders viele Mücken.
Das gemeine Spiel der Herabsetzung anderer Ansichten, fremder Glaubensvorstellungen läuft doch überall nach den selben Methoden. Aus dem ‟Erhabenen Herrn”, dem Baal Zebul der Philister oder Peleset, die Palästina ihren Namen gaben, machten ihre Erzfeinde, die Iraeliten, den Baal Zevûv, den ‟Herrn der Fliegen” oder des Misthaufens, den Beelzebub. Raketen fliegen noch immer und gerade wieder hinüber und herüber, die palästinische Stadt Gaza liegt unter Bombardement der Israeliten.
Das Wort Hiisi bezeichnete im vorchristlichen Finnland (und Estland) heilige Haine oder andere Orte, an denen übernatürliche Wesen und Naturkräfte verehrt wurden. Später personifizierte man diese Kräfte zu Ahnenwesen und Naturgeistern. Noch in Lönnroths Kalevala singen Schamanen Hiisi-Lieder und beschwört der Held Lemminkäinen zu seinem Schutz einen Wasser-Hiisi. Aber ein Hiisi bastelt ihm zur Täuschung auch einen falschen Elch aus morschem Holz und Sumpfpflanzen, und ‟Hiisi’s Vöglein”, eine Hornisse, vergiftet das Wasser, in dem der Schmied Ilmarinen das erste Schmiedeeisen abschreckt, so daß aus dem Geschenk der Sümpfe kein wohlgelungenes Kunstwerk, sondern eine beißende Waffe wird.
Zweischneidig also sind die Hiisi (Pl. eigtl. Hiidet) unter christlichem Einfluß geworden, der alle konkurrierenden Glaubensvorstellungen zu Heidnischem erklären und verteufeln muß. Aus einem heiligen Ort der Naturverehrung wurde so Hiidenportti, der Pfuhl böser Geister.

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Sonntag, 13. Juli 2014
Aino. Ein anderes Triptychon

‟Trag für mich die feine Flechte / Bind für mich das Haar mit Seide.“

Akseli Gallen-Kallela: Aino (1891)

‟Nicht für dich und nicht für andre / Geh’ in einfachem Gewande.”

‟Besser wär’ ich nicht geboren / Hätt’st mich lieber du versprochen
Unten in des Meeres Tiefe / Als den alten Mann zu trösten.
Bruder, laß die Thränen bleiben / Wenn ich in das Wasser sinke,
Zu dem schwarzgefärbten Schlamme.“

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Freitag, 11. Juli 2014
"Nach dem (n)immerhellen Nordland"

Wäinämöinen alt und wahrhaft / Schickt sich an um aufzubrechen
Nach dem Dorfe voller Kälte, / Nach dem nimmerhellen Nordland.
Nahm sein Roß, das strohhalmleichte, / Thut ihm an die goldnen Zügel,
Legt ihm Riemen um voll Schönheit, / Setzt sich selber auf den Rücken
Und beginnt davonzureiten;
Jagte durch Wäinölä’s Fluren, / Durch die Flächen Kalewala’s,
Ritt gar rasch mit seinem Rosse, / Immer weiter von der Heimath

(Kalewala, 6. Rune, übs. von Anton Schiefner, 1852)

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Dienstag, 8. Juli 2014
Unverhofftes Wiedersehen in Tervo

Ein spontaner Anruf genügte, und es kam nach vierzehn Jahren ohne alle Umschweife sofort zu einem Wiedersehen. (So viel, nebenbei, zur Reserviertheit der Finnen.) Auf der letzen Fähre des Jahres nach Island waren wir uns begegnet. Damals setzte sie als Au-pair über, blieb zwei Winter und einen kurzen Sommer und ging dann von der baumlosen Atlantikinsel zurück in die Wälder Finnlands. Ein paar Jahre verbrachte sie in der Arbeiterstadt Tampere, dann kam ein Hilferuf von ihrer Schwester. Die war nach dem Unfalltod des Vaters auf den elterlichen Hof zurückgekehrt, um die allein zurückgebliebene Mutter zu unterstützen, hatte aber zwei heftige Bandscheibenvorfälle erlitten, konnte nichts mehr heben, was sollte aus dem Hof werden? ‟Ich komme”, hatte Annukka geantwortet und war Bäuerin im tiefsten Savo geworden, fünfzig Kilometer hinter Kuopio.
Die Straße nach Tervo ist asphaltiert, aber kaum befahren, einmal wird sie breit wie eine Autobahn ohne Mittelstreifen: Start- und Landebahn für Kampfjets im rückwärtigen Grenzraum zu Rußland. Dann wieder Wald, ein paar schmale Äcker, Wald. Fahren. Alte Blockhäuser als Scheunen am Wegrand. Dann massige schwarze Rinder auf einer Weide, dahinter ein paar hingewürfelte kleine Holzhäuser von unbestimmer Farbe und ein neuer Stall: der Hof.

Annukka kommt aus dem Haus, in Holzfällerhemd und Gummistiefeln, das lange Haar mit einem simplen Gummiband unter einer John-Deer-Mütze zum Pferdeschwanz gefaßt, aber silberne Ohrringe in den Ohren. Sie sprudelt gleich los, wie früher; auf Englisch, auf Schwedisch, dazwischen ein paar Brocken Deutsch, und wenn’s ganz schnell gehen muß, flutscht ein Satz auf Finnisch dazwischen. Besonders nachdem ein schwerer Pickup auf den Hof gerumpelt ist, aus dem die Schwester Minna stieg und sich zu uns gesellte. Drinnen im Haus hat die Mutter einen Imbiss mit dem guten finnischen Roggenbrot vorbereitet. Im Haus ist seit dem Tod des Vaters sicher nichts mehr gemacht worden. Annukka baut sich nebenan ein kleines Holzhaus um, in dem nach dem Krieg eine Flüchtlingsfamilie aus Karelien einquartiert war. Sie hat jetzt ein Bad eingebaut, und einen großen, klobigen Kaminofen, um die zugige Bude im Winter ausreichend warm zu bekommen. Zu mehr reicht das Geld nicht. Der Hof wirft sichtlich kaum mehr als ein bescheidenes bis dürftiges Auskommen ab, zwanzig Angus-Rinder besitzen sie, weitere zwanzig ziehen sie für den Nachbarn auf. Eigentlich zu wenig, um zu dritt davon leben zu können. Milchvieh würde ihnen zu viel Arbeit machen. Drei Frauen allein auf einem Hof, und drei Hunde. Die Mutter ist zu alt, um noch richtig anzupacken, Minna darf und kann nichts Schweres heben, Annukka stemmt die schwere Arbeit auf dem Hof allein. Sie ist sehnig und starkknochig, zwei tiefe Linien um den Mund verleihen ihrem Gesicht die Feinheit von eingegrabenem Schmerz, aber sie ist immer noch lebhaft wie früher, aufgeschlossen, helle, und klar und eindeutig, wie jemand, der seinen Platz im Leben gefunden hat: Ich habe gewählt, mich entschieden; es ist vielleicht nicht das Leben, von dem ich einmal geträumt habe, aber ich versuche, das Beste daraus zu machen, und jetzt ist es gut so, wie es ist. Was sollte ihr die Welt anhaben können? – Ein unvorhergesehenes, gutes Wiedersehen und ein Besuch, der Eindruck auf mich gemacht hat.

Annukka und einer ihrer Jungbullen

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Sonntag, 6. Juli 2014

Der Zauber dieser hellen Nächte ist noch immer nicht verflogen, obwohl er so kurzlebig und flüchtig ist wie die jugendliche Schönheit von Ulla Jacobsson in Sie tanzte nur einen Sommer. Noch ist Mittsommer, und sogar der Flieder blüht noch duftig und voll.

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Mittwoch, 2. Juli 2014
Sommarnattens leende – Das Lächeln einer Sommernacht

In so einer Sommernacht im hohen Norden, in der es nicht dunkel wird, in der die Sonne um Mitternacht nur kurz ein Fußbad in einem See nimmt, ohne seinen unbewegt blanken Spiegel zu riffeln, in so einer Nacht, vielleicht ruft irgendwo ein Kuckuck oder ein Eistaucher auf dem See, ist jedes gesprochene Wort zu viel. Da begreift man, warum die Menschen im Norden so richtig zu schweigen verstehen.

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