Wer es gestern verpaßt hat, auf arte die Dokumentation über Stellung und Bedeutung von Goldman-Sachs zu sehen, sollte das möglichst nachholen, so lange der Film noch auf arte+7 zu sehen ist.
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Da zwei Drittel der Erdoberfläche von Ozeanen bedeckt sind, gibt es gar nicht so viele direkte Antipoden, wie man denkt. Wenn z.B. hier im Haag oder auch in Hamburg Tunnel gebohrt würden, kämen sie beide südöstlich von Neuseeland östlich der Datumsgrenze mitten im Südpazifik heraus. Big Island von Hawaii mit seinen ununterbrochen quellenden Lavaströmen und das Dorf Kubu in Botswana aber sind antipodisch liegende Orte, die flechtenüberzogenen Felsen über Miraflores de la Sierra nördlich von Madrid und der weite Strand von Castle Point an der Südspitze von Neuseelands Nordinsel, das chilenische Patagonien um die atemberaubenden Torres del Paine und die Traumlandschaft um den Baikalsee. Im Überschwemmungsgebiet Entre Rios von argentinisch Patagonien leben zwei Brüder in dritter Generation als Fährleute, sie behaupten von sich selbst, daß ein streunender Hund, der bei Vorbeifahrenden auf die Ladefläche des Pickup springt, schon mehr von der Welt gesehen habe als sie in ihrem ganzen Leben. Sie haben den ihnen vorgegebenen Ort auf der Erde nie verlassen, geschweige denn in Frage gestellt. Sie sind Philosophen der Ameisen und der Frösche, der einzigen Wesen, die sie über Tage hinweg zu Gesicht bekommen. Unsterbliche Sätze: “Die Kröten spielen heute abend nicht Gitarre.” “Ich bin wie eine Waschmaschine. Jede Frau kann mich bedienen.” Und direkt unter den Füßen dieser beiden einsamen Weisen treten sich achtzehn oder zwanzig Millionen Chinesen im dichtgepackten Shanghai auf die Füße, der Atem, den sie und die Stadt ausstoßen, verdunkelt jeden Tag die Sonne. Sie quellen aus den Fabriktoren und Fähren und durch die engen Straßenschluchten wie die zähflüssige Lava auf Hawaii, ebenso alles unter sich begrabend.
Die Welt ist da schön, wo der Mensch noch in der Unterzahl ist. Und wo noch solche Mengenverhältnisse vorherrschen, liegen von hier aus die Antipoden.
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Heute zum Hafen geradelt, bißchen Fisch holen fürs Wochenende. Ist sonst eher unromantisch nüchtern dieser kleine Fischereihafen in Scheveningen, heute lag da aber wieder so ein geflügeltes Wasserwesen und setzte gerade Segel... Lockte wie eine Sirene. Mußte mich an den Pfahl einer Hafenlaterne binden. – Jetzt habe ich doch wirklich den ganzen August hier ausgesessen, da wird es langsam wieder Zeit, die Anker zu lichten.
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Jeden sonnenheißen Nachmittag fuhr ich mit dem Rad durch Kalkumer Wald und die wogenden Kornfelder zwischen Angermund und Wittlaer nach Kaiserswerth. Wenn ich ankam, um Gläser vorzuspülen, das erste Faß anzuschlagen, hatte Rainer, der Besitzer, der damals noch im Giebel des kleinen Gartenhauses wohnte, stets eine Platte von Baden Powell aufgelegt. Der Laden war noch geschlossen, außer ihm und mir und seiner Riesendogge niemand in den weiten Räumen mit den dunklen, alten Eichenholzdielen, und obwohl ich damals natürlich ganz andere Musik hörte, wurde die so leicht durch die lange Galerie in den Garten zum Rhein schwingende und perlende Gitarrenmusik für mich zum Inbegriff dieses schönen, letzten Sommers am Ende der Schulzeit.
Ich habe Baden Powell lange nicht gehört, vor kurzem erst ist er mir wieder in die Hände (und Gehörgänge) gefallen, und sofort waren diese stillen Sommernachmittage wieder da, die nach der Schicht meistens erst spät in der lauen, mondhellen Nacht mit einem Bad im nahen Baggerloch endeten.
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Stattdessen auf dem Tisch im Eßzimmer ein Filmplakat und daran mit einer Büroklammer ein Zettel:
Es wird nicht nur sehnsüchtige Erinnerung an die lange Reise “down under” dahinter stecken. Wenn die Frau mal wieder ‘ne Idee hat, geht bald die Post ab. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie nur an einen Kinobesuch denkt. Jetzt habe ich über's Wochenende was zu grübeln, den großen Rand McNally schon mal aufgeschlagen.
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(Bleiswijkse Verlaat, alte Schleuse an der Rotte aus dem Jahr 1774)
Die Rotte ist ein stilles, kleines Moorflüßchen im Rhein-Maas-Mündungsgebiet, dem sogenannten Grünen Herzen Hollands. Wo sie in die Maas mündet, wurde sie im Rahmen der Trockenlegung von Poldern etwa um 1260 mit einem Damm vor dem Eindringen von Maas- und Nordseewasser gesichert. Am Rotterdam landeten und verkauften seitdem Heringsfischer ihren Fang, und von dort wurde er weiter landeinwärts verschifft.
Um die Abenteuer seiner dreimaligen Teilnahme an Kreuzzügen des Deutschen Ordens gegen die Litauer im Baltikum zu finanzieren, verlieh Graf Wilhelm IV. von Holland, Seeland und Hennegau 1340 sogar dem kleinen Umschlagplatz Rotterdam Stadtrechte, gegen entsprechende Gebühren versteht sich. Wilhelm fiel schon 1345 im Alter von etwa 26 Jahren in Kämpfen gegen die aufsässigen Friesen bei Stavoren. Da er keine legitimen Erben hinterließ, beerbte ihn seine älteste Schwester Margarethe. Im Hennegau war weibliche Erbfolge zulässig, die Grafschaft galt als “Weiberlehen”. Margarethe I. war aber keine niederländische Duodezadelige, sondern seit ihrem dreizehnten Lebensjahr die zweite Ehefrau des deutschen Kaisers, Ludwig des Bayern, und so kamen Holland, Seeland und Hennegau im fernen Nordwesten des Reiches in den Hausbesitz der bayerischen Wittelsbacher.
Kaiser Ludwig IV., 1346 von dem Luxemburger Karl IV. als Gegenkönig herausgefordert, starb im folgenden Jahr auf der Bärenjagd an einem Schlaganfall. Der gleichnamige älteste Sohn aus der Ehe mit Margarethe wurde Herzog von Oberbayern, der zweite Sohn als Wilhelm I. Herzog von Niederbayern. Ihm hatte der Vater bereits die niederländischen Grafschaften zugedacht, sodaß es tatsächlich zur Bildung eines heute kaum noch bekannten Herzogtums Straubing-Holland als wittelsbacher Nebenlinie kam.
Doch verlangte die erst 35-jährige Kaiserwitwe Margarethe von ihrem Sohn eine beträchtliche Abstandszahlung für ihren Verzicht auf die Herrschaft in ihren niederländischen Stammlanden. Die waren von den holländischen Grafen finanziell bereits heftig zur Ader gelassen worden, mußten zudem für ständige Auseinandersetzungen mit den Friesen und dem rivalisierenden Bistum Utrecht geradestehen, und außerdem wurden die Niederlande 1349 von der ersten Pestepidemie empfindlich getroffen. Mächtige Adelige wie die Herren von Egmont und Heemskerk und einige Städte verlangten von Wilhelm darum den Bruch mit seiner Mutter und schlossen sich gegen ihre Anhänger zu einem Bund zusammen, der sich den ursprünglichen Spottnamen die Kabeljaue zu eigen machte.
Die gegnerische Fraktion, die Haken (Hoeken), rief Margarethe zurück, und 1350 brach ein Bürgerkrieg aus, dessen wechselhafte kriegerische Phase erst 1354 durch Vermittlung von Margarethes Schwager, König Edward III. von England, beendet wurde. 1356 starb Margarethe, die nur den Hennegau behalten hatte, zwei Jahre später stach der vermutlich wieder einmal volltrunkene Wilhelm V. im Großen Saal der Haager Burg plötzlich einen seiner Begleiter nieder. Man erklärte ihn für geisteskrank und machte seinen jüngeren Bruder Albrecht von Bayern zu seinem Vogt und Nachfolger. Der regierte das Herzogtum bis zu seinem Tod 1404 46 Jahre lang lieber von Den Haag als von Straubing aus und machte es zu einem wohlhabenden und ernstzunehmenden Mitspieler im Konzert der damaligen europäischen Mächte. Beredter Beleg dafür ist die berühmte Doppelhochzeit von Cambrai im Jahr 1385. Vor 20.000 geladenen Gästen verheiratete Herzog Albrecht da seinen Sohn Wilhelm (VI.) mit Margarete, der Tochter Herzog Philipps des Kühnen von Burgund, und seine Tochter Margarethe mit dessen Sohn Johann Ohnefurcht. Das eröffnete den holländischen Wittelsbachern natürlich glänzende Zukunftsaussichten, es warf aber auch die Frage auf, wer einmal wen beerben würde.
Derweil schaufelten die ersten Poldermühlen entlang der Rotte unermüdlich Wasser, um die Sümpfe und Moraste entlang des Flüßchens weiter trockenzulegen und in Nutzung zu bringen. Daß durch diese Austrocknung der Boden im Lauf weniger Jahrhunderte bis zu sechs Meter unter den Meeresspiegel absinken würde, konnte damals noch niemand ahnen.
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Schildbewehrt den Weg durch die Thermopylen versperrend? - So mag eine unbewegte Wand aus hohen Halmen mit scharfen Blätterschneiden wirken. Aber packt nur einmal der Wind hinein, aus dem nachgiebigsten Element überhaupt, aus Luft, dann wird das Schilf schnell zum sprichwörtlichen Rohr im Wind.
“Es müßte eine Sage über das Zittern des Schilfs geben. Es sind nicht viele Dinge in der Natur zu finden, die dem menschlichen Auge erstaunlicher scheinen. Es ist eine vielsagende Pantomime des Schreckens. Zu sehen, wie eine so große Zahl verängstigter Kreaturen in jedem Winkel des Ufers Schutz sucht, genügt, um einen dummen Menschen zu beunruhigen. Vielleicht haben sie nur Schüttelfrost, was kein Wunder wäre, da sie hüfttief im Fluss stehen. Oder sie haben sich womöglich nie an die Geschwindigkeit und Wildheit der Flussströmung gewöhnt oder an den Zauber der endlosen Fülle. Pan musizierte einst auf ihren Vorfahren, und so, durch die Hände des Flusses, spielt er immer noch... dieselbe liebliche wie schrille Melodie, um uns von der Schönheit und den Schrecken der Welt zu erzählen.
Die Schilfrohre könnten als Warnung mit ihren Köpfen nicken und mit zitternden Gesten erzählen, dass der Fluss ebenso grausam sei wie stark und kalt, dass der Tod in dem Strudel unter der Weide lauere. Doch die Schilfrohre mussten auf ihren Plätzen stehen bleiben, und jene, die stillstehen, sind immer furchtsame Ratgeber.”
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