Es ist Sommer, kurz bevor sie wieder einmal umziehen werden.
“Ausflugstag, Mama!”, ruft sie in die Wohnung. “Henccu! Riku! Wir fahren nach Sveaborg!” [...]
Bald sitzen Didde, Benita und Riku in dem waggonähnlichen Schiff aus Holz auf dem Weg zur Festungsinsel. Und noch etwas später liegen sie auf einem nach Südwesten gerichteten Wall mit einer alten, halb verfallenen Mauer als Schutz gegen den Wind, der warm, aber heftig aus Osten bläst.
“Willst du nicht eine Runde schwimmen, Riku”, fragt Didde.
“Nein”, sagt er, legt sich und streckt sich der Länge nach auf der roten Wolldecke aus; er räkelt sich vor Wärme und Wohlbehagen. Er hat seine Brote gegessen und seinen Saft getrunken, alle Kekse und die Nußwaffeln gefuttert. Einen Schokoriegel hat er noch übrig und weiß, daß er ihn bald essen muß, bevor er schmilzt. Er fühlt sich geschmeidig wie eine Katze und voll mit Süßem, er will nichts tun, sondern einfach nur ausgestreckt daliegen und die Sonne sich über ihn wälzen lassen, sich manchmal aufsetzen und nach Norden und Westen gucken, das dort hinten liegende, sich in alle Richtungen Ausbreitende fixieren: die Stadt.
Denn da draußen auf Sveaborg empfindet er die Gegenwart der Stadt wie nie zuvor. Alles ist Sommer, alles ist blauglitzernd, grünschimmernd freundlich, und er fühlt die Berührung eines großen, pulsierenden Körpers, von einem gigantischen und vielgestaltigen, von einem rasselnden, arbeitenden und hungrig fressenden Ganzen, in dem jeder und alles trotz des scheinbaren Wirrwarrs seinen Platz hat.
Die Sonne hat ihn ein wenig träge und dösig gemacht, gleichzeitig macht ihn die Nähe der Stadt rastlos, als ob sich ein Traum oder die Vorahnung eines Traums seiner bemächtigt hätte.”
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Im Strandcafé Mattolaituri an der Südspitze von Helsinki mit Blick auf die Schären um Suomenlinna kann ich das alles noch viel entspannter sehen und denen, die nie müde wurden zu versichern, die Holländer spielten angeblich den besten Fußball der Welt, entgegenhalten: 0 Punkte, alle drei Spiele sang- und klang- und glanzlos verloren, “Oranje is een lachertje” (De Telegraaf). Oranje ist ein Witz.
Helsinki ist keiner, Helsinki ist ein helles Sommerlächeln, dessen weiße Zähne in den Lichtreflexen auf den Wellen blitzen, das aus blauen Augen leuchtet, die den frisch gelüfteten Himmel spiegeln, ein duftiges Fliederlächeln, umrahmt, umspielt von langem, weißblondem Haar, das durch die Luft weht wie Löwenzahnsamen.
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Sunnuntai, 17. kesäkuuta 2012
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Was für ein Glück!
Nur ganz kurz im hoffnungslos überfüllten Holland zwischenlanden, dann gleich nach Finnland durchstarten und im mittsommerlichen Helsinki Frühling nachholen. Warmer Sonnenschein ohne schweißtreibende Hitze, da vom Meer noch eine kühle Brise weht. Und wo sonst als hier oben im Norden gibt es diese klare Luft und dieses reine Licht? Die ganze Stadt duftet nach Meer und blühendem Flieder. Ob den Finnen wirklich bewußt ist, wie schön das Zentrum ihrer Stadt gelegen ist? Dumme Frage! Ganz sicher. Sie flanieren Esplanadi auf und ab, sitzen in den vielen Straßencafés, sonnen sich auf den sanft gerundeten Granitfelsbuckeln im Kaivopuisto-Brunnspark und fahren, gut eingepackt gegen den noch kalten Wind auf der Ostsee, ihre Boote zwischen den Schären spazieren.
Wenn dieser gerade anbrechende Sommer zu Ende geht, werde ich für einen Monat hier wohnen. Darauf kann man sich wirklich freuen. Ich mag die Finnen schon dafür, daß sie sich für einen vollmundigen Vokal richtig lang Zeit nehmen.
Musik dazu? Warum nicht Northern Smiles von Gwilym Simcock:
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Doch, den Abstecher war das Bad im metertief kristallklaren, hellgrünen Wasser von Bondi Beach und Cogee allemal wert, aber als wir anschließend von der Ostküste quer durch die 6-Millionen-Stadt mußten, habe ich ganz schön geflucht. Für die fünfzig Kilometer, bis wir landeinwärts die letzten Schlafstädte und Gewerbegebiete hinter uns hatten, brauchten wir fast 3 Stunden! Die Vermieterin der Hütte in den Blue Mountains tröstete, das sei keine Ausnahme, sondern jeden Tag so.
Umso paradiesischer die Ruhe um die abgelegene Hütte mitten im Wald. Ich bin so froh, daß wir uns für unsere letzten Tage auf dieser Reise hierhin zurückgezogen haben. Wir genießen auch hier die Gnade der späten Saison. Es sind nicht viele Touristen unterwegs. Nicht einmal bei den spektakulären Echofelsen von Katoomba, einem verschlafenen Kleinstädtchen mit traumhaften Wohnlagen und mindestens zwei Gesichtern, steht ein Reisebus. Dafür kommen wir mit einem aus dem Libanon eingewanderten Motorradfahrer ins Gespräch, der seiner Sissy die Gegend zeigt.
Für ihre Lage auf der Kante eines Felsens mitten im Wald ist die Hütte sehr hell; große Fenster, die Holztäfelung nicht aus nachgedunkelter Fichte wie in einer verräucherten Sauna, sondern in einem lichten Hellgrau frisch gestrichen, schlichte Möblierung in unaufdringlichem Landhausstil (Rustic spirit kein unpassend gewählter Name), aber es ist alles da, was wir brauchen. Auf dem Eßtisch stehen bei unserem späten Eintreffen schon frische Brötchen für das erste Frühstück, frische Milch im Kühlschrank, und das australische Lieblingsmuesli. Neben dem Kaminofen fertig gespaltene Brennholzscheite. (Nicht vergessen, der Herbst kündigt sich spürbar an.) Im Bad gleich am Panoramafenster in den dichten Wald (am nächsten Morgen erst einmal in dichten Nebel gehüllt) steht eine große Doppelwanne, im Wohnraum die Giebelseite zur Veranda über dem Felsabhang ist ganz aus Glas.
Als ich draußen das Känguru fürs Abendessen grille, bekomme ich bei Einbruch der Dunkelheit gleich am ersten Abend Besuch von zwei Possums. Gemächlich wie Koalas erklettern sie die Brüstung und entern in aller Gemütsruhe die Körnerschaukel mit dem Vogelfutter. Vor dem Einschlafen höre ich sie noch einmal auf die Dielen der Veranda plumpsen. Ansonsten nur Zikadenschrillen.
Am Morgen die ersten Vögel auf der Futterschaukel: Rotbrauenfinken (Neochmia temporalis). Später ein Papageienschwarm (Lathamus discolor), und lautlos im Nebelwald ein Leierschwanz-Weibchen (Menura novaehollandiae).
Ich hätte Wochen bleiben können.
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Und Sydney? Wie war denn nun Sydney, die schillernde, die swingende, die glitzernde, kreative, lebendige, lässige, coole, angesagte Metropole zwischen Port Jackson und Botany Bay?? Werde ich seit der Rückkehr immer wieder gefragt. Ganz schön, antworte ich und treibe die Fragenden damit die Wände hoch. Mehr nicht? Komm, sag schon, das kann doch nicht alles sein. He, Mann, du warst in Sydney, remember? Syd-ney, Australien! – Yes, I remember, aber vom Hocker gerissen hat es mich nicht. Städte, die am Wasser liegen, genießen ja immer einen uneinholbaren Standortvorteil gegenüber anderen. So auch Sydney. Das öffnet bei noch so enger Bebauung wenigstens Schneisen für Blicke ins Weite, Offene. Welche Wohltat in den tiefen Schluchten der hochhausgesäumten Straßen der Innenstadt! Und die prägen vor allem das Bild, jedenfalls mein Bild, die beliebig austauschbaren, himmelhohen Glas- und Betontürme der Versicherungskonzerne, Kaufhäuser und Banken, zwischen denen der Mensch zur Termite wird. Am Grund der Schluchten endloser Autoverkehr in vielen Spuren.
Die innerste Hafenbucht, Darling Harbour, eigentlich als Oase in der Stadt gedacht, ist umzingelt von solchen Bürosilos und vier Trassen einander auf Stelzen überkreuzender Stadtautobahnen. In dem Dröhnen darunter dürfen erholungsbedürftige Bürger zwischen den Pfeilern ambulieren, wenn sie einmal ums Becken wandeln möchten. Grün gibt es auf ein paar Dachgärten von Restaurants. Der Rest ist Asphalt und Beton.
Ich will die Stadt nicht schlecht machen, sie hat schöne, vor allem auch lebendig wirkende und sogar spannende Ecken, doch in weiten Teilen ist sie für mich nichts besonders Erhebendes gewesen.
Wie in Melbourne fand ich den Botanischen Garten sehr schön; abgesehen von den stinkenden Flughunden, von denen bis zu achttausend in kahl geätzten Bäumen hingen. Sinnfällig flatterten diese pinschergroßen und kiloschweren Vampire in den Dämmerstunden abends auf ausgespannten schwarzen Lederhäuten besonders gern um die Türme der Banken.
Tolle Geschäfte gibt es in Sydney, keine Frage. In den edlen Malls der Innenstadt wie dem Queen Victoria Building oder meinethalben auch entlang der Oxford Street in Paddington.
Im dortigen Laden der drei malayischen Schwestern von High Tea with Mrs Woo , die gern alte japanische Stoffe verarbeiten, konnte nicht einmal die ansonsten recht shoppingresistente Herzogin widerstehen. Doch über diese Schokoladenseite Sydneys haben sich andere Blogger wie Meike Winnemuth schon wesentlich inspirierter geäußert, als ich das könnte. Ohne gezielt auf ihren Spuren gewandelt zu sein, stelle ich im nachhinein fest, dass wir etliche Male in genau den Läden gelandet sind, die auch sie zuvor aufgesucht hat. An Aesop und Harry’s Café de Wheels z.B. führt eben kein Weg vorbei. Und den ausgezeichneten Sydneyer Radiosender 2MBS, dessen Frequenz ihr ein Busfahrer aufschrieb, höre ich immer noch. In Sydney haben wir uns zwei Abende hintereinander lieber mit einem Fläschchen Wein ans offene Fenster unseres kleinen Hotels gesetzt und Radio gehört als uns in die prallvolle, schreibunte, überfüllte und für meinen Geschmack etwas zu betont schwule Barszene um Kings Cross zu stürzen. Da, auf der Oxford Street und am Bondi Beach hat sich vor dreißig Jahren schon Chatwin seine Männerbekanntschaften für eine Nacht aufgerissen. “The surfers so unbelievably elegant.” “This, I must say, is the country to settle in.”
“It was a liberated time. Bruce was more free and easy here than he could have been in London”, erklärte der mit ihm befreundete Fernsehproduzent Ben Gannon. “When he was here he’d go to clubs and saunas and pick up people.”
“Liberated” oder angenehm locker ist die Atmosphäre in Sydney immer noch, Bondi Beach aber ist ein ebenso überteuerter wie überschätzter Badevorort, komplett überlaufen von gepflegt pedikürten asiatischen Füßchen in Flipflops, die noch schnell Billabong-T-shirts kaufen müssen. Die kleineren Strandbuchten an der Felsküste bis hinab nach South Coogee haben uns viel besser gefallen.
Architektonisch haben mich in Sydney besonders die zahlreichen guten Wohnhäuser aus den Zwanziger und Dreißiger Jahren im Stadtteil Potts Point positiv überrascht. Das absolute Juwel aber, ähnlich herausragend wie Ayers Rock draußen in der Natur, ist nach wie vor das weltbekannte Opernhaus. Wenn man sich erinnert, daß Jørn Utzons erster Entwurf für diesen so überzeugenden wie beeindruckenden Bau aus dem Jahr 1956 stammt, und daneben einmal vor Augen hält, was zur gleichen Zeit in Deutschland so gebaut wurde, wird klar, daß der dänische Architekt Lichtjahre voraus war. In eine deutsche Wiederaufbaustadt versetzt, hätte die Sydneyer Oper wie ein Objekt von einem anderen Stern wirken müssen.
Als Utzon 2003 mit der höchsten Anerkennung für Architekten, dem Pritzker-Preis, ausgezeichnet wurde, hieß es in der Begründung zum Opernhaus: “It is one of the great iconic buildings of the 20th century, an image of great beauty that has become known throughout the world.”
Doch, Sydney ist ganz schön.
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Aber die andere Welt ist überraschenderweise auch noch da. So erfahre ich, daß am Wochenende mal wieder die Bilderberger tagten, in Chantilly, Virginia, keine 40 Kilometer vom Hauptquartier der CIA in Langley entfernt, und gerade mal 1700 Meter vom US-Satellitenspionagedienst NRO. Praktisch, oder? Gleichzeitig lese ich, daß US-Präsident Obama (2008 kurz vor seiner Wahl eingeladen zum Bilderberg-Treffen in, ach, Chantilly, Virigina, again) derzeit täglich in Pakistan Menschen von Fernlenkwaffen (“Drohnen”) der CIA hinrichten läßt wie ein “George W Bush on steroids” (Aaron David Miller: Barack O’Romney, in: Foreign Policy). Von deutscher Seite war übrigens der Kriegsbefürworter Trittin auf den diesjährigen Bilderberg geladen.
Hier außer den üblichen Verdächtigen noch ein paar Namen aus der offiziellen Teilnehmerliste : Josef Ackermann natürlich, General Keith B. Alexander, Direktor der National Security Agency, des größten militärischen Spionagediensts der USA. EU-Wettbewerbs-Kommissar Almunia und seine Kollegen, Karel de Gucht (Handel) und Neelie Kroes (Medien und Informationsgesellschaft), der britische Justizminister und Lordkanzler Kenneth Clarke, Weltbank-Präsident Robert Zoellick, Michael J. Evans, Vizepräsident von Goldman-Sachs, und sein Kollege Peter Orszag von der Citigroup, Fu Ying, stellvertretender Außenminister der VR China, Garry Kasparov, Anastasios Giannitsis, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger griechischer Außenminister, der irische Finanzminister Michael Noonan und Spaniens stellvertretende Ministerpräsidentin Sáenz de Santamaría. Der diesmal fehlende amtierende italienische Ministerpräsident Monti gehörte vor seiner Ernennung dem Vorstand von Bilderberg an. Pascal Lamy, Generaldirektor der World Trade Organization, unser alter Spezi Roland Koch, Eric E. Schmidt, Obama-Berater aus dem Verwaltungsrat von Google, natürlich die Chefs führender Tageszeitungen wie Le Monde, El País, Financial Times, und Matthias Naß von der Zeit, sowie auch Bassma Kodani, die von der Ford Foundation ausgebildete Führerin des oppositionellen syrischen Nationalrats. (Und hier Stichworte zu weiteren Teilnehmern.)
Warum nun ausgerechnet Trittin? Es wird spekuliert (und mehr als spekulieren kann man ja nicht über diese derart abgeschotteten Treffen), daß der mögliche nächste Bundesaußenminister prophylaktisch eingebunden und auf Linie gebracht werden soll, sofern das noch nötig sein sollte. – Wann, bitte, geht die nächste Maschine zurück ins Outback?
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