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Freitag, 25. November 2011
Schwulst-und-Schnörkel-Wien


Was auf die Schweiz und ihren Zumthor-Minimalismus folgt, ist die Antiklimax:
Wien.

Um Himmels Willen! Gegen das, was die kuk-Habsburger da in der Innenstadt belle-epochisiert haben, ist ja der Petersdom stilvoll und bescheiden. Amerikanische Touristen mögen meinetwegen die überall sich breit machenden Christkindlsmärkte “cude” finden und neureiche Russen die Swarovski-Läden plündern, ich stehe auf Seiten aller, die sezessionierten, von Bernhard bis Handke:
“Das Fette, an dem ich würge: Österreich”, heißt es gleich zu Beginn im Gewicht der Welt. Und auch mir sträuben sich angesichts der Überwältigungsarchitektur rund um die Hofburg widerborstig die Nackenhaare.
“Das ist doch scheußlich!”, ruft selbst der Schauspieler, der seit 35 Jahren fest “an der Burg” spielt. Ja, das ist es und zeigt einmal mehr, daß Macht und Geld auf der einen und Geschmack auf der anderen Seite Kategorien sind, die notwendig nichts, gar nichts miteinander zu tun haben. Aber zu viel aufschnaubenden Widerwillen brauche ich hier auch nicht in mir hochkommen zu lassen. Das Ganze Brimborium ist historisch passé, mausetot, ebenso erledigt und abgeschafft wie die kuk-Monarchie selbst. (Mehr ärgert mich, daß man in Berlin keine bessere Idee hat, als ähnlichen Schwulst der Hohenzollern wieder aufzubauen.) Manches ist auch einfach zu blöd und albern, um sich drüber aufzuregen. Von den Feigenblatträgern vor dem Tempel im Volksgarten über die billig gemachten Najaden in den Springbrunnen von Belvedere bis zur psychedelischen Lightshow im Stephansdom!














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Montag, 21. November 2011
Abend im Valser Tal
Dunkel wird es oben im Valser Tal von unten. Aus der Rheinschlucht und dann vom Talgrund kriecht die Dunkelheit feucht herauf, schiebt sich allmählich die Hänge hinauf und läßt sie in Dunkel ertrinken. Gerade als auch der Himmel endlich tief tintenblau ist, geht oben der Wolkenvorhang auf und der Mond an.
Was habe denn ich eigentlich am Montauk-Wochenende im Mai 1974 gemacht? Ich weiß es noch gut. Im Kern war es gar nicht so verschieden von dem Frischs. “Plötzlich hilft keine Lektüre gegen dieses Gedächtnis der Haut”, schrieb er, und so ist es auch bei mir. Aber auch darin stimmen wir überein: “Er will keine Memoiren. Er will den Augenblick.” - Dein Pech, Leser, es folgen jetzt keine Erinnerungen an eine schöne frühe Verliebtheit. Ihr Gegenstück magst Du in Montauk lesen. “Dies ist ein aufrichtiges Buch, Leser, und was verschweigt es und warum?” Die wirklichen Erinnerungen der Haut vertraut man eben nicht der Öffentlichkeit an.

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Donnerstag, 17. November 2011
Im Wasserreich des Steins


Es ist nicht die berüchtigte Via Mala, die keine zwanzig Kilometer weiter östlich die Schlucht des Hinterrheins hinaufsteigt, aber auch die Poststraße, die sich bei Ilanz vom Vorderrhein durch die Schlucht des Valser Rheins windet, führt hinauf ins Reich der Steine. Im Valsergebirge lagern Mineralien wie Rauchquarz, Hämatit, Amethyst, Granat und Turmalin. Das Vorherrschende aber ist grüner Gneis, oben in Vals zum Decken der Hausdächer zwingend vorgeschrieben. Das macht sich ganz rustikal und allemal besser als die hochglanzglasierten Dachpfannen, die neuerdings immer mehr deutsche Dächer verunzieren, aber dann gehen einem in Vals über der ganzen Almhüttennostalgie die Augen über. Moderner, minimalistischer, monolithischer geht’s kaum: die THERME VALS, Mitte der neunziger Jahre vom Graubündner Architekten Peter Zumthor erbaut.
Der gleiche Stein, 3000 Kubikmeter aus einem nahen Steinbruch, auf alle erdenkliche Weise bearbeitet; gebrochen, geschnitten, gesägt, gesprengt, gespalten, geschichtet, glatt, poliert, rauh. Darin Rohre aus matt schimmerndem Messing wie Erzadern. Stein, Fels, Wasser, Licht. Mehr nicht.





"Räume mögen ihre Existenz einer Idee verdanken, aber am Schluss bestehen sie aus Stoff, aus Material, das häufig keiner Idee gehorcht, sondern zu seinem Recht kommen will."
(Peter Zumthor)


Kulturplatz vom 14.04.2009

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Sonntag, 13. November 2011



Berge über dem Valser Rhein

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Donnerstag, 10. November 2011
Föhn in Graubünden
Noch immer unterwegs, weiter nach Süden, dem Alpenhauptkamm zu. Durch die Täler weht uns Föhn entgegen. An einigen Orten ist es 20° warm, im November.
In Graubünden ist die Erde, die Ackerkrume der gepflügten Felder wirklich grau mit einem Stich ins Grüne. Der noch unverwitterte Fels in den Berghängen könnte grüngrauer, schiefriger Gneis sein, unter hohem Druck tief im Erdinnern gehärtetes Urgestein, durch die Auffaltung der Alpen nach oben gepreßt. Naß wirkt er sehr dunkel. Umso heller leuchten davor die goldgelben Fackeln der Lärchen im schütteren Herbstkleid. Schöne Herbstbäume, auch wenn aller goldenen Farbpracht zum Trotz fast immer eine melancholische Stimmung von Vergänglichkeit von ihnen ausgeht.
Von Chur fahren wir in die Rheinschlucht des Vorderrheins. So nah bin ich gebürtiger Rheinländer den Quellen des großen Stroms noch nie gekommen, der hier als noch gletschergrüner Gebirgsfluß in einer imposanten Schlucht fließt, im hiesigen Rätoromanischen Ruinaulta geheißen. Darüber vielleicht später mehr, wenn Zeit ist. Wäre schön, ins Oberengadin und nach Sils-Maria fahren zu können, aber dazu reicht die Zeit wohl nicht.


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Mittwoch, 9. November 2011
Vornehme Diskretion in Zug

Tiefer hinein in die Innerschweiz. Tief wie der Zuger See ist in Stadt und Kanton die Verschwiegenheit, die Diskretion. 25.000 Einwohner und 12.000 eingetragene Firmensitze – das sagt dennoch einiges. Auffällig viele Ölgesellschaften wie BP und Transocean (Stichwort “Deepwater Horizon”) sind neben Tausenden Briefkastenfirmen darunter, aber auch Boris Becker & Co. und die Infront Sports & Media, ehemals KirchSport AG, geleitet von einem Neffen von FIFA-Chef und “Saubermann” Sepp Blatter und Günter Netzer.
Groß geprotzt wird in dem schmucken Städtchen am Zuger See, dessen historische Altstadt innerhalb der Mauern aus zwei Straßenzügen besteht (eine dritte Gasse mit 26 Häusern ist 1435 im See versunken), allerdings nicht, und so kann man kaum ahnen, daß die Steueroase Zug tief im Schweizer Mittelland und weiter als 300 km von der nächsten Hafenstadt entfernt der zweit- oder drittgrößte Handelsplatz für Ölgeschäfte weltweit ist. Da kann man den paar einheimischen Bürgern schon mal ein kleines Afrikamuseum oder eines für Fischerei spendieren. Das Zuger Kunsthaus ist hingegen voll und ganz aus Leihgaben und Schenkungen alteingesessener Sammler ein nicht unbedeutendes Museum geworden. Es enthält die bedeutendste Kollektion zur Wiener Moderne außerhalb Wiens und veranstaltet auch immer wieder Ausstellungen mit international höchst renommierten Künstlern wie Olafur Eliasson oder Kandinsky und Schönberg.
Gegen neu zugezogene Mitarbeiter der zahlreichen Firmen und Niederlassungen schirmen sich die Alteingesessenen sorgsam ab. Neben oder besser über der Einwohnergemeinde (Kommune) besteht eine Bürgergemeinde, der u.a. die Erteilung des Gemeindebürgerrechts zusteht. Noch erlauchter ist ein innerer Zirkel alteingesessener Familien, der in der Korporationsgemeinde zusammengeschlossen ist und besonders aus den Grundbesitzern in Stadt und Umland besteht. Zwar beklagen die Zuger, daß die neu Zugezogenen kaum Anteil am kommunalen Leben in der Stadt nähmen und sich in ihrer Freizeit stets nach Zürich orientierten, aber ich bezweifle, daß man innerhalb einer Generation überhaupt akzeptierter Zuger Bürger werden kann.

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Dienstag, 8. November 2011
Zürich, Novemberlicht



Noch einmal in die Schweiz, noch einmal Zürich, herbstlich diesmal, Novembernebel. Die Seefläche fast ein Spiegel, jeder Schwan verdoppelt. Die Badeanstalten auf dem Wasser winterfest verschlossen, leise schwappt es dunkel um die Planken. Der Garten des Café de la Terrasse am Bellevue leer, Gartenstühle und Tische auch aus den Innenhöfen hinter der Bahnhofstrasse verschwunden. Die Stadt hat sich nach drinnen geräumt, erwartet den Winter.

Auch wenn es die “Samstagsgesellschaft” nicht mehr gibt, lese ich Max Frisch. Montauk diesmal. Ich finde, diese Erzählung wie ein Tagebuch eignet sich ganz besonders für die Lektüre in einem Hotelzimmer. Gedanken eines trotz recht junger Geliebten imgrunde recht einsamen alten Mannes (“Er ist nicht verliebt. Er freut sich.”), der der Öffentlichkeit gern etwas vorlügt: “Leben ist langweilig, ich mache Erfahrungen nur noch, wenn ich schreibe.”
Persönlich und distanziert zugleich, intim und sich gleichwohl nicht ausliefernd. Entspricht es nicht der Situation in Hotels? Mit gänzlich Fremden Wand an dünner Wand und einander doch fremd bleibend. So auch die Situation des Lesers gegenüber dem Erzähler in Montauk. Man erfährt Dinge, die man vielleicht gar nicht wissen möchte, zugleich behält er sich vor, nicht alles und nicht einmal Authentisches über sich preiszugeben: “Ich spiele meine Rolle.”
Wieder ein Spiel mit Identität wie schon im Stiller: “Ich bin nicht Stiller.”
Nachdem das sommerliche, fast mediterrane Flair dem trüben, allseits die Stadt umlagernden Novemberdunst gewichen ist, finden im Nebel Stillers Worte über Zürich und die Schweiz mehr Widerhall als im goldenen Oktoberlicht:

“Meine Zelle ist klein wie alles in diesem Land, sauber, so daß man kaum atmen kann vor Hygiene, und beklemmend gerade dadurch, daß alles recht, angemessen und genügend ist. Nicht weniger und nicht mehr! Alles in diesem Land hat eine beklemmende Hinlänglichkeit. – Ein humanes Gefängnis, man kann nichts dagegen sagen, und darin liegt die Gemeinheit... Man ist nicht unmenschlich. Nur, versteht sich, Ordnung muß sein, auch ein gewisser Ernst. Schließlich sind wir in einem Untersuchungsgefängnis.”
“Ich ersuche Sie in Ihrem eigenen Interesse, jede Kritik an unserem Land fortan zu unterlassen”, sagt der Schweizer Verteidiger. “Man ist hier sehr empfindlich.”

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