Im Ernst, was geht in EU-Europa eigentlich gerade vor sich? Da wagt es ein Regierungschef, in einer für sein Volk zukunftsentscheidenden Frage eben dieses Volk befragen zu wollen... - und die EU-Oberhäupter berufen einen Krisengipfel ein.
Das allein sagt doch genug über Stand und Wertschätzung von Demokratie in dieser Europäischen Union.
Ich glaube, ich bin wirklich nicht allzu oft mit Herrn Schirrmacher von der FAZ einer Meinung, aber ich danke ihm für seinen Beitrag Demokratie ist Ramsch in der heutigen Ausgabe der Zeitung.
"Dass der griechische Ministerpräsident die Schicksalsfrage seines Volkes diesem selben Volk vorlegt. Darauf reagieren der angeblich vorbildlich sparsame Bundesbürger und seine Politiker mit Panik - aber nur deshalb, weil die Finanzmärkte mit Panik reagieren. Sie alle haben sich zu Gefangenen der Vorwegnahme von Erwartungen gemacht, die an den Finanzmärkten gehegt werden... Sieht man denn nicht, dass wir jetzt Ratingagenturen, Analysten oder irgendwelchen Bankenverbänden die Bewertung demokratischer Prozesse überlassen? Sie alle wurden in den letzten 24 Stunden befragt und bestürmt, als hätten sie irgendwas dazu zu sagen, dass die Griechen über ihre Zukunft selbst abstimmen wollen", ruft Schirrmacher und berichtet, daß in britischen Blättern wie dem Telegraph und dem amerikanischen Finanzmagazin Forbes, noch in die Form von Witzen gekleidet, schon nach einem neuerlichen Putsch und einer Militärjunta für Griechenland gerufen werde!
"Only half in jest is it sometimes said that a better use for Germany’s money than pouring it down the drain of further bail-outs would be to sponsor a Greek military coup and solve the problem that way" (Telegraph, 25.10.2011)
„Dieser Witz ist deshalb so traurig und bitter, weil - wenn wir das kleine Problem ignorieren, dass Griechenland dann eine Militärdiktatur wäre - er in Wahrheit eine gute Lösung für Griechenland zeigt“, stand letzte Woche in Forbes zu lesen, aber es war natürlich nicht so gemeint, versichert Autor Worstall (nomen est omen?) in einer Nachschrift.So platt es auch klingt, aber wenn Kapital und Finanzwirtschaft die Bedingungen bedroht sieht, unter denen sie ungestört Profite einstreichen können, rufen sie nach dem Militär und Diktatur.
"Die angebliche Rationalität finanzökonomischer Prozesse hat dem atavistischen Unterbewussten zum Durchbruch verholfen. Dass man ganze Länder als faul und betrügerisch beschimpfen konnte, schien mit der Ära des Nationalismus untergegangen und vorbei. Jetzt ist dieses Gebaren wieder da", stellt Schirrmacher in deutlicher Anspielung auf das Heraufdämmern des Faschismus fest und fordert, "in dieser neuen Lage müsste Europa alles tun, um die Griechen davon zu überzeugen, warum der Weg, den es zeigt, der richtige ist."
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Nur kurz zu Hause, um nach dem Rechten zu sehen und Wäsche zu wechseln. Am Strand nicht viel los; lediglich ein paar Griechen wollten unter dräuenden Unwetterwolken unbedingt ein bißchen Bungeejumpen.
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Während ich im ICE kreuz und quer durchs Land pfeile, schießt auch der Euro-Zug dahin. Aber kann eigentlich noch irgendwer wissen wohin? Da werden Milliarden - inzwischen ist von bis zu einer Billion die leichtfertige Rede - von einem Wagen in den anderen verschoben, vielleicht verlieren wir unterwegs ein paar Waggons, die die Balance verlieren und die es aus der Kurve reißen wird. Oder wird der Zug als Ganzes in den Abgrund donnern? Überall fehlen Milliardensummen, und jetzt sollen auf einmal 55 falsch verbuchte Milliarden € einfach so wie aus dem Nichts aufgetaucht sein, die man uns seit einem Jahr auf den Schuldenbuckel gepackt hatte. 55.500.000.000 Euro.
Das ist jeweils zehnmal das BIP von Moldawien, Ruanda oder dem Kosovo.
Bei uns macht's plups, und die gesamte Wirtschaftsleistung dieser Länder in zehn Jahren ist wieder da. Jedenfalls in den Büchern. Oder wird erst jetzt ein Buchungsfehler begangen, wie die meinen, die darauf pochen, daß man nach dem Handelsgesetzbuch Forderungen und Verbindlichkeiten in der Bilanz nicht gegeneinander aufrechnen dürfe. Jedenfalls: “Eine schlechte Nachricht gibt es auch”, meldet die FAZ, “reicher wird Deutschland nur auf dem Papier.”
Wie real ist das Ganze überhaupt, fragt sich auch der vermeintlich kritische Zeitungsleser, der hinter jedem Geschwafel von “den Märkten” immer noch die lebenden und “in echt” agierenden Käufer-Verkäufer, Spekulanten, Menschen sehen will. Oder sind das letztlich alles Luftbuchungen, mit denen uns himmelangst gemacht wird? Nein, ganz sicher nicht. Und die Auswirkungen sind erst recht real zu spüren. Aber ein wenig irre ist das Ganze schon, oder?
Der Zug rollt weiter. Der Himmel ist blau. Und die Luftschlösser stehen noch. Europa im Herbst 2011.
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“Sagt, ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen?”
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Ja, Göttingen, am sanft ansteigenden Rand des breiten Leine-Urstromtals gelegen, erscheint mir als die offenere Stadt. Gewiß, die Freiburger Uni ist einige hundert Jahre älter, aber dafür ging Göttingens Stern voll und ganz im Geist der Aufklärung auf. In den 1770er Jahren studierten dort der spätere preußische Reformer Freiherr vom Stein, Alexander und Wilhelm von Humboldt, Homerübersetzer Voß; ein Universalgelehrter vom Format eines Albrecht von Haller hatte zuvor Rufe nach Berlin, Utrecht und Oxford abgelehnt, um in Göttingen zu lehren und seinen dort eigens für ihn angelegten Botanischen Garten zu pflegen, und ein Mann wie Lichtenberg war Professor für Mathematik, Astronomie und die von ihm mitbegründete Experimentalphysik, der in seinen Vorlesungen (vor den ersten Ballonfahrten) gasgefüllte Schweinsblasen fliegen ließ und seine Ausführungen mit den geistreichen Aphorismen würzte, für die er so berühmt geworden ist. Lichtenberg galt als solche Koryphäe, daß selbst der Geheime Rat von Goethe ihn um eine Anerkennung seiner Farbenlehre bat; doch Lichtenberg ließ ihn abblitzen und gab Newton den Vorzug. Mit bissiger Ironie zerlegte er auch Lavaters Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe.
• “Ich habe es nie ohne Lächeln bemerkt, daß Lavater mehr an den Nasen unserer jetzigen Schriftsteller findet, als die vernünftige Welt in ihren Schriften.”
• “Mit größerer Majestät hat noch nie ein Verstand still gestanden.”
• “Die meisten Glaubens-Lehrer verteidigen ihre Sätze, nicht weil sie von der Wahrheit derselben überzeugt sind, sondern weil sie die Wahrheit derselben einmal behauptet haben.”
• “Was man feine Menschenkenntnis nennt, ist meistens nichts als Reflexion, Zurückstrahlung eigener Schwachheiten von anderen.”
• “Wer an Harnverhaltung leidet, sollte seine Gegner nicht bepissen wollen.”
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Sicher hat die klamm-kalte Atmosphäre dazu beigetragen, beim Besucher nicht unbedingt Begeisterung für Freiburg aufkommen zu lassen. Was soll man auch von einer Stadt halten, die “Bächle”, auf Hochdeutsch Abwasserkanäle, zu ihren Wahrzeichen erklärt. Dabei ist die Stadt nicht einmal reinlichkeitsfixiert protestantisch, sondern im Gegenteil so katholisch wie das tiefste Bayern, ja so katholisch, daß der bayerische Papst Ratzinger gerade erst die teuren Abdrücke seiner roten Lederschühchen dort hinterlassen hat. (Was die Stadtkasse rund 300.000 Euro kostete.) Der Mann glaubt wohl von sich, große Abdrücke zu hinterlassen. Doch in der Hinsicht mache ich mir keine Sorgen.
Besuche historisch überlebter Potentaten haben in Freiburg übrigens Tradition. Im Frühjahr 1770 errichtete die Stadt der fünfzehnjährigen österreichischen Erzherzogin, die unter ihrem französisierten Namen Marie-Antoinette bekannt ist, auf ihrem Weg zur Hochzeit mit dem französischen Thronfolger Louis (XVI.) ein gar prächtiges Rokoko-Ehrenpförtchen.
23 Jahre später wurde die Witwe Capet auf der Place de la Concorde in Paris öffentlich guillotiniert.
Der Turm des Freiburger Münsters mußte nach dem Papstgebet eingerüstet werden, um ihn erigiert zu halten. Ratzingers Gebetstext “Siehe, ich bin die Magd des Herrn... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt”, hätte ihn sonst zu augenblicklichem Erschlaffen gebracht, sollte aber wohl nicht als persönliches Bekenntnis zum Thema Kindesmißbrauch durch Geistliche verstanden werden.
Die Bächle waren (zum Glück trockene) Stolperfallen in der Nacht, und überhaupt hat Freiburg leider kein Wasser im Stadtbild. Komme mir jetzt niemand mit der Dreisam! Hätte Heine in Freiburg studiert und nicht in Göttingen, hätte er das gleiche über die Dreisam geschrieben, was er in der Harzreise über die Leine schrieb. Oder Schlimmeres, denn sie war schon zu seiner Zeit vollständig kanalisiert. Die sonst im Dreisam-Stadion kickenden Fußballer des SC Freiburg kassierten an diesem Wochenende auswärts eine Niederlage gegen Allgäuer-Latschenkiefer Kaiserslautern, die sie ans Ende der Bundesligatabelle fallen ließ. Meine Gastgeber bemerkten dazu, daß vielleicht auch die traditionsreiche Albert-Ludwigs-Universität, kurz Alu, lange ein habsburgisch-jesuitisches Bollwerk gegen die Reformation und anderes Teufelswerk, trotz zehn Nobelpreisträgern v.a. aus den Naturwissenschaften und ihrer Anstrengungen, den Exzellenz-Status ans Revers geheftet zu bekommen, eher in den Tabellenkeller deutscher Universitäten gehören könnte. Dazu kann ich nichts sagen, doch wenn ich mich an - in welcher Richtung auch immer - exzellente Denker der Freiburger Universität zu erinnern versuche, fallen mir zuerst Husserl ein und dann, in trauriger Antiklimax, dessen Schüler und Nachfolger, das NSDAP-Mitglied Heidegger u.a. mit seiner berüchtigten Rektoratsrede vom Mai 1933. Aber das sollte man nicht Freiburg allgemein vorhalten, denn andere deutsche Universitäten haben sich in dieser Hinsicht genauso unrühmlich verhalten, etwa die Uni Bonn, als sie 1936 Thomas Mann die 1919 verliehene Ehrendoktorwürde aberkannte, was dieser in einem offenen Brief in der Neuen Zürcher Zeitung mit den folgenden Zeilen aus einem Sonett Platens quittierte:
„Doch wer aus voller Seele haßt das Schlechte,
Auch aus der Heimat wird es ihn verjagen,
Wenn dort verehrt es wird vom Volk der Knechte,
Weit klüger ist’s dem Vaterland entsagen,
Als unter einem kindischen Geschlechte
Das Joch des blinden Pöbelhasses tragen.“
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Die Brücke spannt sich
aus wehendem Gras
in grauen Rauch
Da liegt mein Land
gehüllt in nachtstille Ruhe
getaucht in stahlkaltes Eis
Brúin spennist
úr íðandi grasi
í gráan mökk
Þar er landið mitt
vafið náttkyrri værð
steypt í stálkaldan ís
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