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Samstag, 4. Juni 2011
Unter den Dächern von Tübingen
Es stehen noch etliche schöne alte Häuser in der Altstadt von Tübingen, aber meist stehen sie so dicht beieinander auf den Hügeln über dem Neckarufer, daß sich vor allem ein Gefühl von Enge einstellt. Meine Eindrücke nach einem ersten Rundgang am folgenden Tag:
Das Hotelzimmer ist schon mal recht eng und kärglich (im pappwandabgetrennten Bad gelackte Strukturtapete, brrr!): es muß sich um ein traditionsreiches Haus handeln, sonst könnten die sich einen solchen Standard kaum erlauben. Oder ist das in Tübingen Standard (vgl. Thema Sparzwänge im letzten Eintrag)?

Ansonsten ist Tübingen, sieht man auf den ersten Blick, eine Jack-Wolfskin-Stadt, in der die Männer noch (Pferde-)schwänze tragen. Garantiert die höchste Naturtextilienladendichte der Republik. Hier haben etliche Studienabbrecher ihre alternative Selbstverwirklichung aufgebaut. Alles ökologisch deutsch-korrekt, die Studentenschaft ernährt sich allerdings zu großen Teilen von Döner und Falafel (wohl auch aus Gründen der Sparsamkeit, weil “Bio” sind die Broilerlappen auf den rotierenden Spießen bestimmt eher nicht). Das scheint aber ihr einziger Verstoß zu sein, denn sonst sehen die jungen Leute brav aus, sehr brav. Wie die altehrwürdige Stadt. Spitzwegerich wächst es aus allen Dachrinnen der steilen Dächer in der Altstadt. Darunter kann man sich noch immer so manchen armen Poeten vorstellen, der im Giebelzimmerchen bei schlechtem Wetter den Regenschirm aufspannen muß. Eng geht es zu unter den Dächern und in den schmalen Gassen zwischen den Fachwerkhäusern.

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Montag, 30. Mai 2011
Altes Fachwerk





Altes Fachwerk, Tübingen

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Montag, 30. Mai 2011
olivle

“olivle. öl. frucht. holz.” Wo bin ich? Wo kann ich nur sein? Im “Ländle” natürlich: “Olivle”! Nein, halt, klein geschrieben: olivle. Ein bißchen südliche Lebenskultur signalisiert das, aber eben doch nur grad ein bißle, gell. Bloß nicht zu viel davon, man könnt’ ja für einen Genießer, Müßiggänger, Prasser gehalten werden, und das wären gleich drei Todsünden unter den Schwaben. Deren Geiz ein Gerücht, eine böse Verleumdung?
Dazu folgendes, höchst wahres Erlebnis: Am Abend Empfang im Rathaus, mit Zweitem Bürgermeister, einem Ministerialirgendwas aus Stuttgart zum Verlesen irgendwelcher Grußadressen, 7 (in Worten: sieben) werden es an der Zahl. Kein Sponsor will schließlich unerwähnt bleiben. Das Publikum beklatscht sie höflich, nickt, beim folgenden Podiumsgespräch auch ein, erwacht aber gleich, als das Ende des offiziellen Teils verkündet und ein kleines Büffet für eröffnet erklärt wird. Raunen, Stühlescharren, Schieben, Drängen, und eine Viertelstunde später halte auch ich schon ein Glas Wein in der Hand, eine gefühlte weitere Viertelstunde später nach neuerlichem Anstehen in der anderen auch ein belegtes Scheibchen Baguette. Verdrücke mich auf den Balkon des Renaissancerathauses, der für Ansprachen ans Volk auf den Platz mit dem Neptunsbrunnen hinausgeht. Als das Publikum abzufließen beginnt (die Platten mit den Schnittchen sehen aus wie abgeleckt), gesellt sich eine Vertreterin der Stadt zu mir, freundlich, gut gelaunt. Der Abend sei ja ein voller Erfolg gewesen, gut angekommen. “Aber wissen Sie, was das Hauptgesprächsthema war?” – “Die launig-geistreichen Bemerkungen von Professor W. in der Diskussion?” “Ach wo, der redet immer so, das kennen wir hier. Nein, das Unerhörte war das Büffet. Bei solchen Empfängen werden in Tübingen seit eh und je trockene Brezeln angeboten. Trockene Brezeln, sonst nichts. Als wir vor ein paar Jahren einen grünen Bürgermeister bekamen, gab’s eine Revolution: Die Brezeln wurden aufgeschnitten und halbseitig mit Butter bestrichen! Bis der Luxus aus Sparsamkeitsgründen wieder abgeschafft wurde. Das heute hat die Leute fassungslos gemacht. ‘Des bezahlet doch net Sie?’ wurde ich mehrfach ungläubig gefragt. Das ist es, was den Schwaben interessiert.”

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Donnerstag, 26. Mai 2011
Potemkin hollandais


Schon wieder auf Reisen? Kaum. Nur ein kurzes Stück die Küste entlang nach Zandvoort, zu einer Geburtstagsparty. Und dieser Buena Vista Social Club steht nicht in Kuba, nicht einmal in der Karibik, sondern am Nordseestrand, wie die Kulisse für einen Wildwestfilm. Für das Errichten solcher potemkinscher Dörfer haben die Holländer offenbar ein Faible, denn man sieht sie praktisch an allen öffentlichen Stränden zuhauf, in Scheveningen, in Wijk an Zee, in Zandvoort.
Ich finde, der an sich absurde Gedanke, solche Attrappen etwa mitten in eine Umgebung von Apartmenthochhäusern und Hotelbettenburgen oder vor ein qualmendes Industriekombinat zu setzen, verrät eine erstaunliche Nahsichtigkeit der Niederländer. Obwohl das Land doch von Natur aus so flach ist und ergo weite Blicke erlaubt, ist es so zugebaut, daß der Weitblick nicht mehr möglich oder nicht mehr verlockend ist. Also richtet man seine Idylle im Kleinen ein, das Hinterhöfchen, in dem man angestrengt den Dauerlärm der nahen Hauptverkehrsstraße überhört, den Dachgarten auf dem Hausboot, auf dem man hinter seinen Blumentöpfen die anonymen Bürobauten entlang des Kanals übersieht, und die Piratenstrandbar zwischen penibel ausgerichteten Reihen von Liegestühlen. In Amsterdam kenne ich Leute, die ein Karree von vier entfernten Gehsteigplatten neben ihrem Hauseingang als ihren “Garten” bezeichnen und darin Pflanzen ziehen. Kein Wunder, daß der Inbegriff der künstlichen Paradiese unter Glas, die Center Parcs, die Geschäftsidee eines Niederländers waren.

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Sonntag, 22. Mai 2011
Kinotip: Hævnen
Ein engagierter Film mit einer Geschichte, mit einem Anliegen und einem relevanten Thema: wie reagiere ich, wenn ich Gewalt ausgesetzt werde? Der dafür keine plakativ einfachen Lösungen auffährt, sondern verschiedene Angebote auf mehreren Ebenen, die man annehmen und auch verwerfen kann, insofern ein Film, an dem man sich reiben kann (mit Abstrichen: das hollywoodkompatible Ende); sehr gute Schauspielerleistungen (für mich zum ersten Mal überzeugend in einer Rolle Mikael Persbrand), exquisite Kameraführung, stimmige, teilweise sehr eindrucksvolle Bilder (Landschaften, Gesichter!), hinter jeder Figur ein Schicksal – nach Efter bryllupet (“Nach der Hochzeit”, mit Mads Mikkelsen) von 2006 hat die dänische Regisseurin Susanne Bier mit ihrem neuen Film wieder richtig gutes europäisches Kino und wahrscheinlich ihren letzten wirklich sehenswerten Film gedreht: Hævnen (Die Rache; in Deutschland unter dem Titel: “In einer besseren Welt”), die dafür dieses Jahr den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhielt und prompt ins Hollywood-Geschäft wechselt. Ihr nächstes Projekt “a tiny little romantic comedy” mit Pierce Brosnan in der Hauptrolle, würg.

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Samstag, 21. Mai 2011


Distanz und Abendlicht lassen auch Brutalitäten in einem anderen Licht erscheinen und mildern den Sinn des Menschen.

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Mittwoch, 18. Mai 2011
Wann Den Haag am schönsten ist


An der Nordsee ist das Rad der Jahreszeiten in unserer Abwesenheit nicht stehengeblieben, sondern hat sich deutlich weitergedreht. Den Haag ist in seine schönste Zeit des Jahres eingetreten.
Das fahle Rotbraun der überall vorherrschenden niederländischen Ziegelsteine, die einen in unbelaubten Zeiten auf drei bis fünf Seiten einmauern: links, rechts, vorne, hinten, unten, ist grün, grün aufgebrochen vom frischen Chlorophyll in den vielen Gärten und Parks, blühende Azaleen, Flieder und Magnolien setzen weiße und purpurne Farbtupfer dazwischen. Kastanien haben viele rote und weiße Kerzen aufgesteckt, die Ulmen, in unserem Viertel häufige Straßenbäume, tonnenweise Samen abgeworfen. Man watet darin, raschelnd wie in Herbstlaub.

So sah es im Februar vor der Abreise aus:



Und so nach der Rückkehr:









So ist nichts dagegen einzuwenden, daß wir das leicht schluchzende Tirilieren der frei lebenden Kanarenvögel nun gegen das viel energischere, eindringlichere Rollen und Pfeifen der Austernfischer eingetauscht haben.

Alles grünt und wächst; auch die Hochhausneubauten am Centraalbahnhof sind schon wieder ein paar Stockwerke höher geworden. - Burj al-Hollandiya.


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