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Montag, 16. Mai 2011
tea


Ich will Teneriffa nicht mit einem historischen Rückblick verlassen, sondern mit einem Blick auf etwas sehr Modernes, auf die neue Kunsthalle, die erst vor drei Jahren fertiggestellt und eröffnet wurde.




Auf mehr als 20000 Quadratmetern enthält das TEA hinter seiner immer wieder sich Einblicken öffnenden Fassade mit Glasbausteinen in der Form übergroßer Bildpixel nicht nur viel Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst in Dauer- und Wechselausstellungen, sondern auch das Zentrum für Fotografie, ein Kino, natürlich eine ansprechende Cafeteria und vor allem eine sehr schöne multimediale Bibliothek.




Offene Rampen und breite Treppen führen auf mehreren Ebenen von außen durch das Gebäude, daß sich damit ebenso wie mit den großen Fensterflächen Passanten und Besuchern einladend öffnet. Die Bibliothek ist an jedem Tag der Woche rund um die Uhr geöffnet, also jederzeit erreichbar, und sie wird, wie ich feststellen konnte, auch zu ungewöhnlichen Zeiten rege genutzt. Entleihungen von Büchern, Musik und Filmen sind jedem gegen Hinterlassung der Adresse möglich. Ein spannender Kunstbau, der sich mitten im Alltag der Leute niedergelassen hat und zu einem Ort geworden ist, den sie auch wirklich zahlreich aufsuchen, um dort Kunstausstellungen zu besuchen oder einfach die Zeitung und Bücher zu lesen, Musik zu hören, zu studieren, ins Kino zu gehen, eine funktional sehr gelungene und ästhetisch ansprechende Architektur unserer Zeit zu erleben und vieles mehr.







Erdacht und erbaut wurde er von dem in Basel ansässigen Architektenbüro von Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die unter anderem die Allianz-Arena in München, die Elbphilharmonie in Hamburg und das Pekinger Olympiastadion, das sogenannte “Vogelnest”, entworfen haben. In Santa Cruz gestalteten sie außerdem die zentrale Plaza Espagna zwischen Altstadt und Hafen neu. Teneriffa, viel mehr als ein Touristengrill, und Santa Cruz eine ziemlich rege Stadt, obwohl sie so weit weg von Europa und dem Mutterland draußen im Atlantik liegt.






Adios Tenerife!

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Donnerstag, 12. Mai 2011
Zerschossene Hände (2). Santa Cruz de Tenerife
Wer weiß, was “Old Jervie” und seine Mannschaften nach dem triumphalen Sieg vor Kap Vincent erwartet hatten; es war bestimmt nicht das, was ihnen dann von der britischen Admiralität in London befohlen wurde, das Eintönigste vom Eintönigen nämlich: Blockadedienst. Anstatt stolz und frei über die Meere zu segeln und vielleicht die spanische Silberflotte aus Amerika anzugreifen und noch mehr gewinnträchtige Prisen aufzubringen, erhielten sie den Auftrag, die Flotte von Admiral Cordoba, die sie soeben geschlagen hatten, in ihrem Zufluchtshafen Cadíz zu blockieren. Mit Cordoba und etlichen seiner Kapitäne verfuhr die spanische Admiralität übrigens noch weitaus härter. Man stellte sie vor ein Kriegsgericht und degradierte sie, entzog ihnen ihre Patente oder entließ sie gar unehrenhaft aus der Marine. Cordoba wurde obendrein dazu verurteilt, daß er sich Zeit seines Lebens nie wieder bei Hofe und auch in keinem Hafen blicken lassen durfte.

Derweil segelten die Engländer draußen vor Cadíz tagtäglich den ihnen zugewiesenen Seeabschnitt vor dem Wind ab und kreuzten dann gegen den Wind wieder zurück auf Los. Tag für Tag, Woche für Woche der gleiche Dienst, die gleichen Kommandos und Routinen, bei Freiwache in den fürchterlich engen Quartieren unter Deck. Nach zehn Wochen hörten die Männer, daß zwei auf Aufklärung ausgesandte Fregatten ihrer Flotte vor Santa Cruz de Tenerife in einem Handstreich ein spanisches Handelsschiff gekapert hatten. In den Laderäumen hatten die Engländer Silber im Wert einer halben Million Pesos gefunden, und ihre Kapitäne waren durch ihre Beuteanteile nun auf einen Schlag reich geworden. Die Mannschaften auf den Blockadeschiffen wurden unruhig, murrten, auch die Offiziere. Besonders der frisch zum Konteradmiral beförderte Nelson schlug seinem Admiral immer wieder vor, ihn mit einem Teil der Flotte zu den Kanaren zu schicken, um dort weitere Schiffe der spanischen Silberflotte abzufangen. Weitere Wochen vergingen, Gerüchte kamen auf, daß es in einigen Mannschaften gärte und Meuterei nicht mehr auszuschließen sei.

Der Auftrag, mit dem Jervis Nelsons Wünschen schließlich entsprach, ging dann noch weiter als dessen Erwartungen. Mit einer Flottille von drei Linienschiffen und drei Fregatten samt weiteren Hilfsschiffen, insgesamt 400 Kanonen und 4000 Mann, sollte Nelson Teneriffa angreifen und den Spaniern mit Santa Cruz einen wichtigen Versorgungshafen wegnehmen.
Mitte Juli 1797 kreuzten Nelsons Schiffe vor Santa Cruz auf und forderten von den Verteidigern erst einmal in einer förmlichen Note die Herausgabe aller Handelsschiffe samt Ladung. Der kommandierende General Antonio Gutierrez, ein altgedienter, erfahrener Soldat von 68 Jahren war nicht überrascht. Er hatte seit der Nachricht über die Niederlage bei San Vicente mit den Engländern gerechnet und die Verteidigung der Insel so gut wie möglich vorbereitet. Allerdings hatte er kaum 1700 teils zwangsrekrutierte Soldaten unter Waffen.

Einen ersten Landungsversuch der Engländer in der Nacht des 20. Juli konnten vor allem die schnell und präzise feuernden Mannschaften der Küstenbatterien erfolgreich zurückschlagen, bevor die Engländer einen Fuß an Land setzen konnten. Bei einem zweiten Versuch zwei Tage später landete zwar ein Kontingent von etwa 1000 Marinesoldaten am Strand von Valle Seco nördlich der Stadt, blieb aber im Feuer der kleinen Festung von Paso Alto und im ungewohnten Gelände unbeweglich liegen, bis der Kommandant, Kapitän Troubridge, auch dieses Unternehmen abbrach.

Nelson war wütend. General Gutierrez ahnte voraus, was er als nächstes versuchen würde. Er zog den Großteil seiner Männer aus dem Castillo Paso Alto ab und verlegte sie heimlich in die Hafenfestung San Cristóbal (sodaß die Engländer die geringe Zahlenstärke seiner Truppe nicht erkannten). Ganz richtig führte Nelson unter Breitseiten seiner Schiffsgeschütze persönlich seine Landungstruppen in der Nacht des 24. Juli direkt gegen den Hafen.
Sie wurden von den wachsamen Spaniern entdeckt und von verschiedenen Bastionen unter Kreuzfeuer genommen. Eine Abteilung unter Captain Bowen von der Fregatte Terpsichore schaffte die Landung und stürmte eine Hafenbatterie. Bei ihrem Versuch, in die Stadt einzudringen, wurde sie jedoch von anderen Geschützen mit Kartätschen, von Soldaten, Milizionären und Zivilisten von überallher unter Feuer genommen und erlitt heftige Verluste, darunter Captain Bowen. Nelson, dessen Gig um diese Zeit gerade die Hafenmole erreichte, wurde ebenfalls von einem Schrapnell getroffen, das ihm seinen Arm in Fetzen riß. Man ruderte ihn zur Theseus zurück, wo ihm der Schiffsarzt sofort den Arm amputierte und über Bord warf.

Nelsons Stellvertreter an Land, die Kapitäne Troubridge und Hood, drangen mit ihren Leuten ein Stück weit in die Stadt vor, mußten sich dort aber auf einem Platz bzw. in einem Kloster verschanzen, während der von einem Asthmaanfall geschwächte Gutierrez ihnen von einem Bataillon den Rückweg zum Hafen abschneiden ließ. Am Morgen erkannten sie ihre ausweglose Situation (nachdem eine weitere Welle von Booten, die Nelson zu ihrem Entsatz geschickt hatte, ebenfalls von den spanischen Kanonen versenkt oder zurückgeschlagen worden war) und unterzeichneten ihre Kapitulation. Gutierrez ließ sie sehr ritterlich unter Mitnahme ihrer Waffen und Fahnen auf die Schiffe zurückkehren. Die weit über hundert verwundeten englischen Soldaten wurden in den Spitälern der Stadt versorgt. 250 Engländer waren gefallen.
Gutierrez schickte Nelson zur Genesung einige Flaschen Wein an Bord. Nelsons Antwortbrief, in dem der britische Admiral zum Dank ein Stück Käse anbot, wird im spanischen Armeemuseum im Alcazar von Toledo gezeigt.



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Montag, 9. Mai 2011
Zerschossene Hände (2). Cabo de Sao Vicente


Noch ein letzter Blick auf den Ozean vor Teneriffa und die gischtend herankochende Brandung. Nachzutragen bleibt noch der zweite zerschmetterte Arm an unserem Reiseweg: Nelsons.

1797. Die radikale Phase der Revolution in Frankreich ebbt nach der Hinrichtung Robbespierres ab, doch seine revolutionäre Volksarmee behauptet sich erfolgreich gegen den allseitigen Umfassungskrieg der Koalition der konservativen Mächte. Zuerst waren 1795 die den Hauptgegner Großbritannien finanzierenden Niederlande besiegt, besetzt und als "Batavische Republik" zum Verbündeten umgedreht worden. Nach dem unerwartet erfolgreichen Widerstand der französischen Freiwilligenheere und ihren Gegenoffensiven schied noch im gleichen Frühjahr 1795 in den Friedensschlüssen von Basel neben Preußen auch Spanien aus der konterrevolutionären Koalition der Monarchen gegen Frankreich aus. Im August 1796 schloß das Direktorium in der Sommerresidenz der Bourbonen, dem Schloß von San Ildefonso, mit Spanien sogar einen Angriffsvertrag gegen England und schaffte es so, neben der eigenen und der holländischen auch noch die spanische Flotte gegen England zu richten, dessen 15 Linienschiffe im Mittelmeer damit in eine aussichtslose Lage gerieten. Ihr Kommandant, Admiral Jervis, gab dem entsprechend seine unhaltbaren Positionen vor Korsika und Elba auf und zog die Flotte nach Gibraltar zurück. Von dort aus griff Jervis im Nebel vor dem portugiesischen Cabo de Sao Vicente am 14. Februar 1797 überraschend die zahlenmäßig überlegene, aber unvorbereitete spanische Flotte an, die von Cartagena zunächst nach Cadíz ausgelaufen war, um sich später bei Brest mit der französischen Flotte zu vereinigen.
Die spanische Flotte aus 24 Linienschiffen sowie 8 Fregatten, einigen Korvetten und etlichen Transportern war von einem heftigen Ostwind weit auf den Atlantik hinausgeblasen worden und lief an diesem Tag in zwei gänzlich ungeordneten Gruppen vor westsüdwestlichem Wind Richtung Kap Vicente. (Es heißt, daß von den zwischen 600 und 900 Mann Besatzung an Bord jedes der Linienschiffe nur jeder zehnte ein ausgebildeter Seemann gewesen sei.) Die gut gedrillte englische Flotte aus 15 Linienschiffen und 7 kleineren Schiffen kam überraschend aus Nord auf sie zu und fuhr nach Sichtung in Schlachtreihe genau zwischen den beiden spanischen Haufen hindurch und feuerte Breitseiten in beide Richtungen.
Nach dem ersten Vorbeilaufen gab Jervis am Mittag das Kommando zum nacheinander Wenden in Reihe, um den Spaniern nachzusetzen und sie ein zweites Mal unter Beschuß zu nehmen. Commodore Nelson, dessen Linienschiff Captain an drittletzter Position der englischen Schlachtreihe segelte, schätzte, daß die Engländer durch dieses Manöver zu viel Zeit verlieren würden und sich die Spanier unterdessen in Schlachtordnung formieren oder Richtung Cadíz entkommen könnten. Er mißachtete Jervis’ Befehl, halste auf der Stelle, brach so aus der englischen Schlachtreihe aus und segelte allein in den Kurs des größeren spanischen Geschwaders, das bereits nach Osten schwenkte, um sich mit der kleineren Gruppe zu vereinen. Nelson bot die Captain damit praktisch als Bauernopfer oder Kanonenfutter den Spaniern an, um sie so lange aufzuhalten, bis die eigenen Schlachtschiffe wieder heran waren. So geriet die Captain in das Feuer von sechs überlegenen spanischen Linienschiffen, unter ihnen General Cordobas Flaggschiff, die Santísima Trinidad, ein Vierdecker mit 130 Kanonen (wohingegen die Captain als Linienschiff 3. Klasse lediglich zwei Kanonendecks mit 74 Geschützen besaß). Wäre Nelsons Aktion fehlgeschlagen, hätte man ihn, sofern er seinen selbstmörderischen Alleingang überhaupt überlebt hätte, unweigerlich wegen Befehlsverweigerung vor dem Feind vor ein Kriegsgericht gestellt. Da er nicht fehlschlug, erklärte man ihn später zum riskantesten und kühnsten, schlechthin genialen Manöver seiner glorreichen Laufbahn.
Jervis erkannte offenbar Nelsons Absicht und signalisierte dem letzten Schiff der Schlachtreihe, der Excellent, Nelsons Manöver zu folgen. Eine halbe Stunde später war auch das erste Schiff der gewendeten Schlachtreihe, die Culloden, heran, und weitere britische Schiffe folgten. Gegen 14 Uhr strich das erste spanische Schiff die Flagge, sogleich gefolgt von einem zweiten, das sich einer Breitseite von Jervis’ HMS Victory gegenübersah.
Nelsons Captain lag inzwischen unter schwerem Beschuß, Fockmast und Steuerrad waren ihr weggeschossen worden. Die Excellent unter dem mit Nelson befreundeten Kapitän Collingwood schob sich dann zwischen die Captain und die spanische San Nicolas, und beide englischen Schiffe bestrichen den Spanier aus kaum mehr als fünf Metern Abstand mit Breitseiten. Nachdem er die San Nicolas passiert hatte, griff Collingwood das zweite spanische Linienschiff an, das die Captain unter Beschuß hatte. Die Prince George unter Konteradmiral Parker folgte und versenkte ebenfalls ihre Kugeln in der San Nicolas und der San José, die ihren Kommandanten, Konteradmiral Winthuysen, verlor.
Im dichten Pulverqualm und fast manövrierunfähig trieb die San Nicolas quer vor die San José und rammte sie mittschiffs. Nelson steuerte die Captain, so weit sie sich noch steuern ließ, ihrerseits gegen das Heck der San Nicolas und gab sofort den Befehl zum Entern. Es folgte Nelsons zweite einmalige Tat an diesem einen Tag, die als “Nelsons Patentbrücke zum Entern fremder Schiffe” in die Geschichte einging. Er selbst drang mit seinen Soldaten durch die Fenster der Heckgalerie in das erste spanische Linienschiff ein, das nur noch unzusammenhängend verteidigt wurde, und führte sie nach der Kapitulation des Spaniers über dessen Deck hinweg gleich zum Entern auch der San José. Zwischen den Kanonen der Prince George und Nelsons Soldaten des 69. Infanterieregiments in die Zange genommen, ergab sich auch dieses Schiff.
Insgesamt nahmen die Engländer an diesem Tag vier spanische Linienschiffe als Prisen, und das lädierte Flaggschiff Santisima Trinidad konnte nur unter dem Feuerschutz der übrigen spanischen Schiffe aus ihrer Reichweite geschleppt werden.
Nach dem Ende der Schlacht gegen Abend stellte sich Nelson noch in seiner zerrissenen Uniform an Bord der Victory ein. "The Admiral embraced me, said he could not sufficiently thank me, and used every kind expression which could not fail to make me happy."
Admiral Jervis, sonst in der Navy verschrien als Verfechter einer eisernen Disziplinarordnung, dankte seinem Untergebenen für die Befehlsverweigerung - und stärkte damit langfristig die Bereitschaft englischer Kapitäne zur eigenverantwortlichen Führung ihrer Schiffe. In London wurde Nelson zum Konteradmiral und Ritter des Bath-Ordens befördert. Jervis stieg zum Earl of St. Vincent auf.

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Mittwoch, 4. Mai 2011
Gerechtigkeit nach amerikanischer Art
In der Nacht, nachdem ich den auch von Krieg und massenhaftem Sterben handelnden Beitrag unten geschrieben hatte, liquidierte eine amerikanische Spezialeinheit in Pakistan Osama bin Laden und einen seiner Söhne sowie “several others”. Nach der Verkündung dieses Erfolgs tanzten in den USA Menschenmengen jubelnd auf den Straßen. Man wartete eigentlich nur noch darauf, daß sie Freudensalven aus ihren Kalaschnikows in den Himmel ballerten.

Gegen Ende seiner ausführlichen und blumigen Bekanntmachung hatte Präsident Obama gesagt:
“On nights like this one, we can say to those families who have lost loved ones to al-Qaeda's terror: Justice has been done.”

Heute korrigierte ein Sprecher des Weißen Hauses erste Meldungen dahingehend, daß Osama bin Laden nicht bewaffnet gewesen ist. Trotzdem wurde er sofort durch zwei gezielte Schüsse in Kopf und Brust erschossen. Das sieht nicht danach aus, als habe Obama ihn lebend bekommen wollen, um ihn vor ein Gericht zu stellen und ihm den Prozeß zu machen, wie man es hier in Europa etwa mit den Kriegsverbrechern der Jugoslawienkriege tut. Es sieht danach aus, als habe der mächtigste Mann der Welt den Befehl erteilt, seinen Widersacher kurzerhand hinzurichten (und die Leiche gleich im Meer zu entsorgen). Das nennt er “Gerechtigkeit üben”. Es muß eine speziell us-amerikanische Art von Gerechtigkeit sein.

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Montag, 2. Mai 2011
Zerschossene Hände (1)

“Hier auf dieser Reede [vor Santa Cruz de Tenerife], als zwei Jahre vor unserer Ankunft die Engländer zu landen versuchten, riß eine Kanonenkugel Admiral Nelson den Arm ab (im Juli 1797).”
(Alexander von Humboldt: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents)

Es mag sich makaber anhören, doch ohne es beabsichtigt zu haben, reisen wir anscheinend häufiger auf den Spuren berühmter zerschossener Gliedmaßen. Hier vor Heiligkreuz erwischte es Nelson, an einem der Orte unserer Reisen im letzten Jahr einen noch viel Berühmteren.
Rückblende: Griechenland, Meerenge von Nafpaktos.




Hier saßen wir am Jahrestag der Seeschlacht mit den meisten an einem Tag Gefallenen der Geschichte und blickten auf das “Schlachtfeld” hinaus. Da draußen waren an einem einzigen Tag, dem Tag von Lepanto, 38.000 Tote im Wasser versunken.
Anfang August des Jahres 1571 hatten die Türken endgültig das bis dahin venetianische Zypern erobert. Die Flotte der zu seiner Verteidigung geschlossenen Heiligen Liga aus Papst, Spanien, Venedig und Genua kam zum Entsatz von Famagusta zu spät, sollte aber die osmanische Flotte zerstören, bevor sie in die Adria vordringen konnte.
Zwei Jahre vorher war ein einundzwanzigjähriger spanischer Student namens Miguel de Cervantes Saavedra vor einer Strafverfolgung nach Rom geflohen und hatte sich dort als Kammerdiener eines Kardinals verdingt. Sonderlich gefallen hat ihm der Dienst anscheinend nicht, denn er ging noch im gleichen Jahr in das zu Spanien gehörende Neapel und trat dort in das Regiment "Infantería Maria" ein. 1571 tat er Dienst an Bord der Galeere Marquesa, die mit der Flotte der Liga unter unter dem Kommando Johanns von Österreich, einem illegitimen Halbbruder König Philipps II. und mit 24 Jahren “Generalkapitän der Meere”, von Messina Richtung griechische Küste auslief. Nach langem Belauern wurde eine osmanische Flotte aus 200 Galeeren und 120 kleineren Schiffen am 7. Oktober 1571 in der Meerenge von Lepanto (heute Nafpaktos) von den 200 Galeeren und sechs der neu entwickelten schweren Galeassen der Liga gestellt und in einer heftigen, fünfstündigen Schlacht vernichtet. Cervantes, der ein Enterboot kommandierte, erhielt in den Gefechten von Schiff zu Schiff zwei Musketenkugeln in die Brust, eine dritte zerschmetterte ihm die linke Hand. Zeit seines Lebens betrachtete er seine Verletzungen, die ihm den Beinamen eines "Krüppels ohne Fehl" eintrugen, mit mehr Stolz als seine Bücher. "Diese Verstümmelung", schrieb er über sich selbst in seiner Vorrede zu den Exemplarischen Novellen, "erachtet er trotz ihrer scheinbaren Häßlichkeit für schön, weil er sie davontrug aus der denkwürdigsten und erhabensten Begebenheit, die verflossene Jahrhunderte nie zu sehen bekamen und zukünftige nicht zu sehen erwarten dürfen."
Ein Cervantes glaubte, er habe als Soldat mehr geleistet, worauf er stolz sein könne, denn als Autor des Don Quijote.

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Freitag, 29. April 2011
Fundstücke in Las Teresitas
Es soll Leute geben, die des Badens wegen nach Teneriffa fliegen. Fahrtenbuch berichtete darüber. Wie dort zu sehen, sind weite Abschnitte der Küste jedoch spitzfelsig zerklüftet und auch wegen der oft heftigen Brandung kaum zum Baden geeignet. Die Sandstrände bestehen alle aus schwarzem Lavasand und wirken durch diese Schwärze nicht sonderlich einladend. Auf mich entfalten sie etwa den gleichen Anheimelungsgrad wie eine Abraumhalde neben Zeche Auguste Vicoria oder Schlägel & Eisen. Doch es gibt eine Ausnahme, den Strand von Las Teresitas, nur zwanzig Minuten mit dem Linienbus von der Innenstadt von Santa Cruz entfernt. Der in einem warmen Goldton schimmernde Sand dort ist, natürlich auf den ersten Blick ersichtlich, ein übles Relikt des Kolonialismus. Noch kurz vor dem Ende ihrer Kolonialherrschaft über Rio de Oro und Westsahara haben die Spanier nämlich den Sahrauis das gestohlen, was ihnen am kostbarsten war: Wüstensand. Den entführten sie in Schiffen übers Meer und schütteten ihn in Las Teresitas an. Durch eine steinerne Mole vor dem gefräßigen Ozean geschützt, breitete er sich noch immer einladend in der Bucht aus, deren schön gerundete Halbmondform das Insignium des saharischen Islam zeigte. - So kolonisieren die Besiegten die Sieger.
Ich schmiegte mich hinein, streckte mich behaglich aus und schlug ein Buch auf. Jünger, wiedermal. Am 25. Januar 1977 hatte er Las Teresitas gegenüber in Agadir in sein Tagebuch notiert: "Ein Bad im Schwimmbecken des Salam. Schöne Mädchen aus Finnland sonnten dort ihre Brüste – ein angenehmer Anblick, der noch im vorigen Jahre nicht gewährt wurde."



Da war der Kerl 81 Jahre alt, und sollte noch volle zwanzig Jahre bei guter Gesundheit vor sich haben.
Ich hob den Blick über das Buch und sah das Gleiche wie damals Jünger. Die Bademode hatte sich auch in Spanien seit der Zeit meiner eigentlichen Reiselektüre entwickelt. Der niederrheinische Vigoleis hatte in der Zeit seines mallorquinischen Aufenthalts in der ersten Hälfte der 1930er Jahre noch ganz andere Sitten gesehen: "Vergesse der Leser nicht, daß wir uns in Spanien befinden, wo die Frauen mit ihrer Leibesschönheit geizen."
Nein, nein, hier und heute geizten die Frauen ebensowenig wie sintemalen in Agadir. Doch auch der lebenslustige Greis hatte seine Augen hin und wieder abwenden und landeinwärts blicken können.
"Die Hotelkette breitet sich dort mit erschreckender Geschwindigkeit aus. – Man sieht phantastische Landschaften voraus: die Große Deponie."
Die Große Deponie. Da hatte er mit seinem klassifizierenden Blick wieder einmal den "Typus" in einen Begriff gefaßt, der sich auf all diese Orte treffend anwenden läßt, ob Agadir, Puerto de la Cruz oder irgendein anderes der beliebig aufzählbaren Betonbettengebirge hinter den Badestränden dieser Welt.
Am folgenden Tag trug Jünger in sein Tagebuch Siebzig verweht ein:

"Alle Ansprüche sind unglaubwürdig geworden, sind nicht mehr zwingend – jedenfalls für den intelligenten Einzelnen. Gerade wenn die allgemeine Freiheit schwindet, wächst ihm die eigene. Die Lage muß neu überdacht werden, hat man Götter, Staat und Gesellschaft hinter sich gebracht."

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Dienstag, 26. April 2011
1 Sonnenfleck


Arturo vom Institut für Astrophysik der Kanaren öffnet in der runden Kuppel von Themis das Ausguckloch für das große Teleskop, Durchmesser 90 cm. Kalte Außenluft strömt in in die ohnehin kühle Kuppel. Sie soll helfen, das Teleskop unter dem Einfall der gebündelten heißen Sonnenstrahlen zu kühlen.




Langsam rotieren Kuppelöffnung und Teleskop aufeinander zu. Als sie übereinander liegen, wird es dunkel in der Kuppel.
Was wir dann im Beobachtungsraum am Bildschirm sehen, könnte ein Blick auf die Oberfläche der Sonne sein, aber ebenso bloß eine vom Computer generierte Grafiksimulation des Bildschirmschoners. Uns kann man viel erzählen.




Die beiden Solarphysiker, Arturo und Nikola, behaupten, der schwarze Fleck in der oberen Bildschirmhälfte sei ein Sonnenfleck. Sie sind die Fachleute. Wir tendieren dazu, ihnen zu glauben. Da legt Nikola nach: Dieses eine schwarze Loch ist so groß, darin könnte die Erde ebenso mühelos wie spurlos verschwinden. Wir nicken und bleiben stumm.
Der Leviathan. Das Ding pulsiert leicht. Vielleicht schürzt es gerade die Wulstlippen, um uns anzusaugen.

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