Ich bin mir recht sicher, daß Señor Santiago Calatrava Valls mindestens eine Karnevalssaison auf Teneriffa und die ausgiebige Lust seiner Bewohner am Feiern miterlebt hat. Nachdem er dort bereits eine neue Messehalle gebaut hatte, bekam er 1989 den Auftrag, für Santa Cruz eine Konzert- und Kongreßhalle zu bauen. 2003 wurde das Gebäude eingeweiht. Vierzehn Jahre nach Auftragserteilung.
Calatrava dürfte seine Dauerbaustelle für fast anderthalb Jahrzehnte einige Male mit unguten Gefühlen besucht haben, aber das Endergebnis kann sich wahrlich sehen lassen. Wegen ihrer Lage und ihrer elegant geschwungenen Form hat man die Halle oft neben Jørn Utzons Sydneyer Opernhaus gehalten und sie wegen ihres hohen Sonnensegels mit einem Segelboot oder einer überschlagenden Welle verglichen.
Für das leuchtende Weiß der Außenwände hat Calatrava, auch als Hommage an Gaudí, Bruchstücke weißer Keramik (Trencadís) verwendet.
Seit letzter Woche bin ich überzeugt, daß Calatrava, der Architekt des Kunst- und Wissenschaftszentrums in Valencia, des “Turning Torso” in Malmö und vieler anderer schöner Bauwerke (selbst über die Kanäle bei Hoofddorp in Holland hat er drei Brücken gespannt, deren Schwung nichts mit der schweren Nässe des Haarlemmermeers gemein hat), daß Calatrava dem Auditorio de Tenerife eine Narrenkappe aufgesetzt hat.
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Hier ein paar Eindrücke vom Rosenmontagszug, der hier selbstverständlich am Dienstag stattfand.
Es strömten Groß und Klein gleichermaßen zur Avenida am Ufer, während die Königinnen entspannt zur Ankleide bummelten.
So schlüpft eine Königin.
Letzte Hand anlegen. – Perfekt.
Der Fahrtenbuchschreiber soll auch gesehen worden sein. In seinem Räuberzivil fiel er in der Menge nicht weiter auf.
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Nehmen wir zum Beispiel nur, um nicht schon wieder ein Rätsel auszuschreiben, einen kurzen Auftritt, in dem der Erzähler sich selbst beschreibt, nach einem für ihn nicht sehr ruhmreich ausgegangenen Zwischenfall übrigens.
Da heißt es:
“Der Leser erinnere sich, daß Vf. im dritten Kapitel mit vollen Backen sein Eigenlob geblasen hat als Erzähler, dessen Mimik jeder Aufgabe gewachsen sei. Stellt ihn dann auf die Probe, jetzt und hier soll er sich selber darstellen. – Laßt ihn ein kleines Schaubluten vollführen, die Stigmata der Demütigung, die Hexenmale umhurter Ungeburt zum Aufstrahlen bringen, zeigen, wie er mit dem heil gebliebenen Auge nach seiner B. schielt, die ihn herausspritzen muß. Und überhaupt die Augen! Das heile ginge noch an, aber ihr könnt ihm den ordinärsten Fusel für Müllkutscher schenken, und er kriegt das andere, das ausgekragte, nicht so überzeugend, so aperspektivisch-picassohaft hingemimt, wie es ihm das Weib seiner schlaflosen Nächte auf das Jochbein gehauen hat. Ruhmredigkeit war es, Fanfaronade und billiges Ablenkungsmanöver, denn der Schelm weiß genau, daß seiner Kunst Grenzen gesteckt sind.”
“Aperspektivisch-picassohaft hingemimt” – bildlicher geht’s kaum. Doch Vielfalt, dein wahrer Name ist Weib; buhlerisches nur einer deiner Namen, denen noch viele, viele folgen, obwohl es sich immer um ein und dieselbe Frauensperson handelt. Aber was für eine! Alles, was Theweleit an Frauenstereotypen aus männlichen Hirnen gefiltert hat, ist sowieso in ihr versammelt. Schöne, reizvoll-gefährliche Frau, “von Namen ebenso schön wie von Wuchs”, doch auch ein “ausgepichtes Weib”, Mutter, Heilige, Krankenschwester und Hure ist die “schimmernde Eiskokotte”, die dem Schaum des Meeres entstiegene Inselvenus ohnehin.Mit Luder und Biest nimmt es erst den eigentlichen Anfang. “Luder als Kosewort für Liebchen? Oder verbirgt sich ein Straßenaas dahinter?” Man weiß es nicht, ehemann’s erprobt. “Heute nacht schläft er schon unter ihrem Dache. Es ist eine Frage der Zeit, wann anstelle des Daches die Decke tritt.” Denn auch wenn die spanischen Frauen damals noch (ganz anders als heute) “mit ihrer Leibesschönheit geizen”, ist die von ihm fixierte doch “ein Vexierglas, eine gleisnerische Giftblüte, Schierling, ein Seuchenherd und Teufelsmoor, ein höher entwickeltes Pflänzchen aus der Klasse der fleischfressenden Droseraceen”, und gerade darum kann der Kater das Mausen nicht lassen: “Willst du jetzt Funken ziehen aus der Stanniolnutte? Sieh dich vor, es ist nur eine Frage der Polarität und Isolierung, ihr seid beide geladen.”
So ist es, und schon bald ist die Straubgeiß, der Garstvogel, die geile Schindkracke “rasend, rasender als nach jeder Beichte” (!), und er meint “sogar einen scharfen Wildgeruch wahrzunehmen, wenn die geile Pantherkatze neben mir hinstrich... Wann wird sich die Pranke mit vorgeschnellten Krallen heben und mir einen Lappen aus dem feigen Fleische hauen?”
Lange dauert es nicht mehr, bis die schmachtende Buhle, die Schlunte und Sulamitin sich den “Meister der verpaßten Gelegenheiten” zum fleischlichen Fraße ausersieht; doch stellt er sich so langwierig und ungeschickt an, wie es unsereiner nunmal oft tut, daß, als er “noch bemüht, die letzten irdischen Anklebsel von meiner Göttin abzustreifen”, die Hehre sich bückte und aus dem Strumpfband einen Dolch “feinster toledanischer Schmiede” zog. “Wie Charlotte Corday stand sie da, um mir das heiße Bad zu segnen, bevor ich drin lag.”
Worauf der Held, anders als der revolutionäre Marat, schmählich reißaus vor der Schöke und wutschnaubenden Zaupe nimmt.
Später, in trügerischer Sicherheit kann er dann das Maul wieder vollnehmen.
“Leukoplastische Erotik, mehr war es nicht gewesen – ein Ruck, ein paar Haare blieben am Verband, man schreit nicht einmal au! und rasch erholt sich die Haut.”
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Lieber Herr Stubenzweig, kann es sein, daß Sie vielleicht ein paar Blogs zu viel verfolgen? Schottland? Im Leben war ich noch nicht bei diesen Röckchenträgern, die zum Ausgleich für ihre effeminierte Unterleibsbekleidung (die für meinen Geschmack äußerst seltsam mit den meist wie eine Uniformjacke geschnittenen Tweedsakkos kontrastiert) gern umso braveheartiger auftreten, und bin es auch jetzt nicht. Der ewigen Tropferei von oben, die uns der niederländische Winter bescherte, wollte ich ja gerade entkommen.
Der Herr Pathologe liegt da viel näher, um nicht zu sagen, genau im Ziel. Sein “Raten” kam mir allerdings ein wenig so vor wie das in manchen Fernsehrateshows, wo die Kandidaten die Lösung längst kennen und sich bloß den Zuschauern und dem Quizzmaster zuliebe noch ein wenig zierend um den heißen Brei herumraten. Der Herr Leichenzerleger und -beschauer macht sich sogar so weit ein Späßchen daraus, daß er den Spieß umdreht und seinerseits mich auf Schnitzeljagd durchs Netz und die Stadt schickt.
Bei dem als hinweisendes Fürwort angegebenen Admiral mochte ich nicht glauben, daß es allein um den Namen geht, und habe in seinem verlinkten Wikipedia-Eintrag – und der ist ausführlich – lange und vergeblich nach einem biografischen Bezug zur hiesigen Inselgruppe gesucht.
Und der erste und lange Zeit einzige Schriftsteller mit den Lebenseckdaten 1845-1924, der mir unterkam, war Carl Spitteler. Der aber hat m.W. seine Schweizer Ober- und Unterländer nur einmal im Leben nennenswert verlassen – in Richtung St. Petersburg und Finnland, nordostwärts also und mithin meiner eigenen zeitweiligen Absetzbewegung genau entgegengesetzt. Das paßte hinten und vorne nicht zusammen. Daß jedoch Àngel Guimerà i Jorge (wer kennt ihn nicht?), der allerdings seine berühmten Werke wie Terra baixa (“Niederland”?) bekanntermaßen auf Katalanisch schrieb, in der Tat auf unserer gesuchten Insel kurz das Sonnenlicht der Welt erblickte, bevor seine Eltern mit ihm für immer nach Barcelona auswanderten, war mir nicht bekannt. – Sie haben in den Containern und Compounds ihres Vagabundenlebens eine Menge Zeit zum Lesen gehabt, wie?
Ich selbst habe mir ein (in Zahlen 1) anderes Buch ins knapp bemessene Reisegepäckstück gesteckt, aber ein dickes, damit ich mit diesem einen möglichst auskomme. Mehr als 900 sehr klein bedruckte Seiten. Es ist nicht mehr ganz taufrisch, hat seit seinem ersten Erscheinen mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem breiten Rücken und auch nicht direkt mit dieser Insel zu tun, spielt jedoch immerhin auf einer Insel, die ebenfalls den spanischen Bourbonen untersteht. Die Beobachtungen seines Autors sind so genau, daß sie, wenn man nur eine beliebige Stelle aufschlägt, noch genau auf den heutigen Tag und Ort zutreffen. So las ich zum Beispiel heute morgen folgende ebenso wichtige wie präzise Feststellung:
“Seit der Landung war noch kein Tropfen Regen gefallen. Für einen Menschen, der sich in Amsterdam hatte einregnen lassen, ein seltsames Erlebnis.”
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Die Spanier sind keine Langschläfer. Wenn sie “mañana” sagen, meinen sie damit verbreiteten Vorurteilen entgegen nicht “frühestens morgen”, sondern “früh am morgen”. Nur die Ladenbesitzer lassen es später angehen, aber sie müssen auch bis spät in den Abend geöffnet halten. Darum sind die Ladengitter hier frühmorgens noch geschlossen, wenn auf dem Markt längst das tägliche Treiben eingesetzt hat. Bis zum Mittag wollen all die frischen Produkte von den Feldern, aus den Obstplantagen, den Backöfen und aus dem Meer verkauft sein, dann schließen sich hier die Gitter.
Wie es sich in einem gut katholischen Land gehört, steht gleich neben den Ständen die Marktkirche Unserer lieben Frau von Afrika, und so heißt auch der Markt, obwohl er von vielen einfach La Recova genannt wird. Christliches (Kirche) und Islamisches ((Nord-)Afrika), Abendland und Orient, beides mischt sich perfekt auf diesem Markt, weshalb sein Name glücklich gewählt ist. Von außen ist er gebaut wie eine Karawanserei, eine zweigeschossige, geschlossene Vierflügelanlage, im schattigen Inneren unter halb offenen Kolonnaden die Läden wie in einem Basar; aber keiner wie in den Suks auf dem gegenüberliegenden afrikanischen Festland. Zwar geht es rege und sehr lebendig zu, und man braucht auch nicht Wörter wie “antiseptisch” oder “steril” zu bemühen, aber es herrscht kein marokkanisches Geschmuddel, sondern Stände und Gänge sind sauber und frei von Abfall und Dreck, und vor allem wird man niemals bequatscht oder gar so übergriffig betatscht, wie es in den Suks von Fes und Marrakesch gang und gäbe ist. Natürlich ist der Markt hier an Größe überhaupt nicht mit den dortigen Ausmaßen zu vergleichen, vor allem fehlen die herrlichen Gewürzstände, Wollfärber und anderen Handwerker – das hier ist eine kleine Insel im Westmeer –, aber das Angebot an frischem Obst und Gemüse ist reichhaltig und das an Fisch und allem, was sonst noch Eßbares aus dem Meer kommt, wunderbar frisch. Die großen, ungetrübt klaren Augen der Alfonsiños (Kaiserbarsche) scheinen einen noch fast anzugucken, und Langostinos von einem so nussigen Biß habe ich bisher nirgends gegessen. Vor den Muränen, lebhaft Leopardengelb auf Dunkel gefleckt, habe ich noch Respekt, obwohl sie seit Stunden tot sein müssen. Aber diese Zähne und die gemein starrenden Augen! Ich gehöre nicht zu den Kannibalen, die am liebsten essen, was ihnen am meisten angst macht. Wie die Kanzlerin.
Abtritt Dr. plag. zu Guttenberg. Und das hier wirkt - obwohl angeblich "differrenziert, anschaulich, kritisch" - inzwischen von der Geschichte auch schon ein wenig überholt, wie vielleicht der ganze Stand. "Aufrichtig, selbstbewusst, unbequem – das sind die Markenzeichen..." von Garl Deodor-Ant zu G., schreibt seine Standesgenossin A.von B., standesgemäß Redakteurin der Bild-Zeitung. Noch ein Buch, das keiner zu lesen braucht.
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