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Sonntag, 28. Juni 2009
Twitter, das neue Informationsmedium zu politischen Ereignissen?
Da es im Iran zur Zeit keine freie Berichterstattung gibt, feiert die internationale Presse seit Beginn der Unruhen im Land die nicht überprüfbaren Kurzmeldungen auf Twitter als neue Informationsquelle einer politisch unruhigen und aufbruchbereiten Jugend. Wenn man mal genauer hinsieht, scheint es damit nicht weit her zu sein. Das solche Twittermeldungen sammelnde und auswertende Blog Madagaskar meldete gestern, die vier häufigsten Suchworte beträfen zur Zeit Michael Jackson (un-)selig. "#iranelection" käme abgeschlagen auf Platz sechs. Vom Gesamtaufkommen der durchsuchten Twitter-scripts würden sich 15% mit dem abgelebten Popstar befassen, den Geschehnissen im Iran hätten dagegen nie mehr als 5% aller Twitterbotschaften gegolten.
5%. - Dazu paßt eine Meldung des Perlentauchers ebenfalls von gestern: Twitter-Gründer Jack Dorsey habe sich in einem Interview "schockiert" darüber geäußert, "dass Twitter in den iranischen Unruhen für politische Zwecke gebraucht wurde". "Twitter was intended to be a way for vacant, self-absorbed egotists to share their most banal and idiotic thoughts with anyone pathetic enough to read them", erklärte er dem amerikanischen Satiremagazin The Onion zufolge. "When I heard how Iranians were using my beloved creation for their own means - such as organizing a political movement and informing the outside world of the actions of a repressive regime - I couldn't believe they'd ruined something so beautiful, simple, and absolutely pointless." - Na, dann twittert mal schön weiter, ihr hohlen, mit euch selbst beschäftigten Egozentriker.

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Samstag, 27. Juni 2009
Tagesschau
Bisher habe ich die Hauptnachrichtensendung des 1. (öffentlich-rechtlichen) deutschen Fernsehens im nationalen und internationalen Vergleich immer noch für eine recht solide gemachte Sendung gehalten. Aber was war denn das heute??
Ein Bombenattentat mit 13 getöteten Menschen und 50 Verletzten im Irak, die explosive Lage im Iran, wo ein Mullah die Todesstrafe für Demonstranten fordert... alles weit abgeschlagene Meldungen unter ferner liefen hinter dem Tod eines abgehalfterten Popsternchens, das Kinder schändete und in seinem ganzen verpfuschten Leben nicht ein hörenswertes Stück Musik zustande gebracht hat.
Nachdem damit der Hauptteil der Sendung zugestopft worden war, bekamen wir danach die Kanzlerin eines der mächtigsten Länder Europas auf Besuch beim amerikanischen Präsidenten zu sehen, der sie zwar gegen ihren ausdrücklichen Wunsch doch nicht in seinen Rosengarten ließ, ihr dafür aber wie ein Grundschullehrer Noten erteilte. Betragen sowieso gut, aber (wohl im Vergleich zu anderen Regierungschefs) sogar intelligent soll das Merkelchen sein. Und unsere Musterschülerin strahlte, anstatt eine ordentliche Retourkutsche zu fahren, über die ganze hängende Fülle ihrer Hamsterbacken.

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Montag, 22. Juni 2009
Marmor wem Marmor gebührt
Ihre treffliche Schlagzeile "Stockfisch für den Süden, Carrara für den Norden" ist auch nicht von schlechten Eltern, lieber M. Stubenzweig, und hat eine ziemliche Reichweite, möchte ich meinen, doch vielleicht dürfen wir dieser Tage gerade zusehen, wie der Süden zur Gegenwehr antritt und uns Nordlinge mores lehrt.
Dabei blicke ich natürlich zu allererst nach Iran, wo doch anscheinend zumindest Tausende Bürger Teherans endlich ihre geistigen Stockfische loswerden und sich ihre Freiheitsrechte zurückholen wollen. Die Lage dort ist sicherlich zu undurchsichtig (erst recht von außen), um sagen zu können, wer dort letztlich was zu welchem Zweck und Ziel tut, aber daß es vor allem den Gebildeten jetzt reicht, ständig unter der Fuchtel von religiösen Aufsehern leben zu müssen, scheint mir doch deutlich genug zu sein. Von wem werden erfolgreiche Revolutionen angezettelt, wenn nicht von den Intelligenten? Das war m.W. 1789 so, und es war 1917 so, bei den wohl bedeutendsten und erfolgreichsten Revolutionen der letzten beiden Jahrhunderte. Daß im Hintergrund eine neue Schicht von reich und mächtig Gewordenen ihre Fäden zieht, die ihre Macht im bisherigen Staat für nicht ausschlaggebend und gefestigt genug hält, scheint mir auch im Iran dieser Tage der Fall zu sein. Was aber noch hinzukommen muß, ist die Mobilisierung "der Straße", großer Mengen des Volkes also, und solche Massenproteste scheinen besonders im Iran äußerst wirksam zu sein, wie ein Artikel des Cambridge-Doktoranden David Motadel in der Süddeutschen von heute nachzeichnet, - und genau darum gehen die Inhaber der Macht im Iran gleich so vehement dagegen vor. Angesichts der Gefahren für Leib und Leben, denen sich jeder der Demonstranten aussetzt, der dieser Tage in Teheran auf die Straße geht, ziehe ich meinen Hut vor jedem Iraner und jeder Iranerin natürlich, die so viel Mut und Zivilcourage aufbringen. (Hier ein kurzer Lehrfilm der BBC, wie Demonstranten eine Straßenkreuzung erobern.)
"Die Revolte der Iraner ist das wichtigste Ereignis unserer Zeit, es ist auch beschämend. Aus der „Achse des Bösen“ lernen wir gerade, was Bürgerrechte wert sind", konstatiert heute Nils Minkmar in der FAZ. "Unsere Werte werden gerade in Teheran verteidigt, und zwar unverlangt, unerwartet und hemmungslos. Und besser als von uns." - Marmor wem Marmor gebührt.

So viel heute zu den Persern. Mein zweites Beispiel für die Zurückweisung der Stockfische zugunsten des Marmors kann logischerweise nur von den Griechen kommen. Das gerade eingeweihte neue Akropolismuseum in Athen (damit auch wieder zurück zum Thema Architektur) ist laut Andreas Kilb in der FAZ "ein einziges großes Restitutionsbegehren aus Stahl, Glas und Beton... Eigentlich hätten die griechischen Politiker, die am Samstagabend in Athen das neue Akropolis-Museum eröffneten, kein Wort mehr über den Anspruch Griechenlands auf die Londoner Elgin Marbles verlieren müssen."
"Schöner und anregender ist große Kunst jedenfalls kaum irgendwo auf der Welt zu erleben als im neuen Akropolis-Museum." (SZ, 22.6.09)

Hier die Verbindung zu einer sehr anschaulichen Präsentation des neuen Museumsbaus.

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Samstag, 20. Juni 2009
Schönheitsfehler
auf dem Dach der Oper

Imponierend ist die Architektur dieses Opernhauses, ja. Auch imposant, wenn nicht gar einschüchternd. Jedenfalls werden Menschen vor diesem Bauwerk zu Zwergpinguinen auf einem künstlichen Eisberg. (Wenn es auf den Bildern nach schnödem Beton aussehen sollte, liegt das an den Unzulänglichkeiten meiner digitalen Fotoausrüstung, Herr Schmerles. Daß es sich beim Baumaterial des Osloer Opernhauses tatsächlich um Carraramarmor handelt, ist mittlerweile sogar wikipediakundig.) Sollte es womöglich ein Ausdruck neuer Großkotzigkeit der neureichen Ölscheichs am Oslofjord sein? “Nachholende Kulturnationenbildung” hat es ein Feuilletonist der FAZ wohlwollend und zugleich ein kleines Bißchen herablassend genannt.

Die Verwendung des Marmors war übrigens von Anfang an umstritten. Nationalbewußte Norweger wollten lieber einheimischen Granit verbaut sehen. Doch die Architekten von Snøhetta, die zuvor bereits die norwegische Botschaft in Berlin und die neue Bibliothek von Alexandria gebaut hatten, ließen sich auch von Geologeneinwänden nicht beirren. Die Quittung folgt jetzt auf dem Fuß: Schon vor der Eröffnung des Prachtbaus traten an einigen der zuvor blendend weißen Marmorplatten bereits zahnbelaggelbe Verfärbungen auf. Angeblich unerklärlich, bekundeten die Erbauer ihre Unwissenheit. "Marmor ist ein weiches Material", klärte sie der norwegische Geologe Finn Erik Skaar in der Zeitung Aftenposten auf. "In seine Poren dringt Wasser ein, und Frost setzt dann einen Verwitterungsprozeß in Gang. Die Oper steht an einem Verkehrsknotenpunkt mit hohem CO2-Ausstoß. Verbindet sich das Kohlendioxyd mit Wasser entsteht Kohlensäure, die den Marmor angreift."
"Die Architekten hatten die Vision eines leuchtend weißen Bauwerks", resümiert Stadtantiquar Truls Aslaksby, "aber der Marmor wird durch unser Klima und die Großstadtluft zerstört, und später wird das einmal gräßlich aussehen."

Noch aber strahlt die Fassade wie frisches Gletschereis. Hier noch Aufnahmen aus dem makellosen Inneren. Die Wände zur Garderobe, gestaltet von dem isländischen Künstler Ólafur Elíasson.

Oslo, Oper, Interieur

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Donnerstag, 18. Juni 2009
Mit großer Geste hingeworfen: Oslos Oper
Kommt man von einem Gang durch die Stille hamsunscher Wälder zurück, ist es ohrenbetäubend, welchen Lärm eine Versammlung von nur zehn Dutzend Menschen im Gespräch entwickelt. In 31 Sprachen.
Später dann Oslo, Café Bacchus an der Domkirche. Flieder duftet noch in voller Blüte, es schneit weißrosa Kastanienblüten. Unter den Mittagsgästen auf dem Domhof mindestens vier sichtlich Schwangere und etliche junge Mütter. Reiches Norwegen!


Sein neuer Reichtum ist natürlich auch an den Preisen abzulesen: laut Economist hat es endlich den zweifelhaften Spitzenplatz errungen, jetzt die teuerste Stadt der Welt zu sein. Die Spitze des Eisbergs, sozusagen, wird sichtbar an seinem neuen, im letzten Jahr eröffneten Opernhaus. Dessen große weiße Flächen, schräge Rampen und spitze Winkel scheinen mir einiges mit der Ästhetik der Luxusjachten eines Roman Abramowitsch gemein zu haben. Oder mit Caspar David Friedrich. Jawohl. Mit seinem Eismeer-Bild. Der 500-Millionen-Euro Bau (geringfügig teurer als das Kanzleramt in Berlin) steigt nämlich wie ein pyramidenhaft sich türmendes Gebirge aus (carrara-)marmornen Eisplatten aus dem im Kontrast dazu sehr dunkel wirkenden Oslofjord. Jeder einzelne der insgesamt verbauten 36.000 Marmorblöcke soll vorher im Architektenbüro Snøhetta (Schneekäppchen) am Computer entworfen, berechnet und dann in Carrara maßgenau aus dem Steinbruch geschnitten worden sein.

Oper

Oper

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Freitag, 12. Juni 2009
Macke, Marc und Delaunay
Einen guten Ausklang fand der Ausflug ins Niedersächsische immerhin: Auf dem Rückweg fuhren wir über Hannover, um die Marc-, Macke- und Delaunay-Ausstellung im Sprengel Museum zu besuchen, und das hat sich sehr gelohnt.
Ich verstehe nichts von Kunst und Kunstgeschichte, wenn überhaupt, dann vielleicht etwas von Literatur. In der Literaturgeschichte habe ich gelernt, daß der Expressionismus eine Reaktion junger Autoren auf das Grauen der bis dahin unvorstellbare Opfer kostenden Materialschlachten und des Gaskriegs im Ersten Weltkrieg gewesen sei. Gleich im ersten Raum der Ausstellung springt mir aber entgegen, daß der Expressionismus in den Bildern von August Macke und Franz Marc längst vor dem Weltkrieg schon da war. Es sind sehr, sehr viele und ungeheuer gute Bilder der beiden in der Ausstellung zusammengetragen. Hinzu kommen v.a. mit Delaunay, aber auch mit Kandinsky oder Picasso Bilder von Künstlern, die der malerischen Entwicklung der beiden die Richtung vorgaben oder deren eigene Entwicklung parallel zu der ihren verlief. So kann man beim Rundgang Schritt für Schritt auch den Übergang vom Gegenständlichen zum Abstrakten in der Malerei des frühen 20. Jahrhunderts nachvollziehen. Das alles ist höchst anschaulich angeordnet, und ich glaube, ich habe anhand dieser Ausstellung einiges begriffen. Vor allem aber bot sie die Möglichkeit, sich immer wieder an den kraftvollen Formen und den intensiven Farben in den Bildern der beiden zu freuen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 19. Juli und ist absolut empfehlenswert.

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Mittwoch, 10. Juni 2009
Ein Fest auf dem Lande oder Der 50. Geburtstag
Es ist Sommer. Der warme Windhauch fächelt jeden Zweifel mit sich fort: Es ist Sommer. Auch wenn das Fest zu A‘s 50. Geburtstag nicht im Park von Schloß B‘rode stattfindet, sondern aus alter Tradition in denselben kühl-dunklen hohen Räumen wie jedes Fest dort, nur die meisten Gäste noch ein bißchen bescheuerter sind als früher, weil vom Gutsherrn und Geburtstagskind diesmal nicht nur der für‘s Europaparlament kandidierende Bruder, sondern zum Beispiel auch die ebenso bornierten wie strunzdoofen Brüder und Schwestern aus dem Lion‘s Club eingeladen wurden.
“Ich bin eine deutsche Steuerberaterin”, sagt eine von ihnen beim Essen und meint damit hinreichend zu begründen, weshalb sie gegen zu viel Sprachunterricht in der Schule, “Multikulti” und das Untertiteln von Spielfilmen im Fernsehen ist. “Lassen Sie uns keine Grundsatzdiskussion anfangen”, antwortet sie auf meine Entgegnung. “So genau wollen wir‘s doch gar nicht wissen. Es interessiert Sie doch auch nicht wirklich, was ich hier alles über unsere letzte Clubfahrt an die Mosel verzapfe.” In der Tat. Es interessiert nicht die Bohne, lasse ich sie stehen und verlasse mit der Herzogin die hohe Halle.
Über die Freitreppe gehen wir hinab in den kiesbestreuten Vorhof mit dem plätschernden barocken Springbrunnen, überschreiten auf steinerner Brücke den Wassergraben (in dem gerade wegen Sauerstoffmangels alle Fische verreckt bauchoben treiben) und ambulieren durch das offene Hoftor hinaus in die samtige Abendluft über den Feldern, wo das taktfeste Gestampfe zu Schlagern und Diskohits eines Dorf-DJ‘s endlich verklingt.
Wir nehmen einen sandigen Feldweg, der sanft ansteigend zwischen Weizen und verblühtem Raps zum Höhenzug hinaufführt. Irgendwann schließt sich der Rainbewuchs mit rankenden Heckenrosen zum Dach, und wir wandern in dem dämmerigen Tunnel bis zum Waldrand. Dort treten wir hinaus auf ein Feld und blicken zurück über das in Abenddunst gebettete Schloß. Von hier oben sieht es fast friedlich aus.
Im Wald hinter uns ruft ein Kuckuck nach seiner Abendfütterung. Ich zähle mit: Ein-, zwei-, dreimal; wie im Märchen. - Hm, drei Jahre noch? Das wäre aber nicht viel.
Gehen wir aus dem Märchenwald vielleicht doch lieber zurück ins Gruselkabinett dieser landadeligen Schranzen von der ganz dummen Provenienz, sagt die Herzogin zu mir. O, must I, Miss Sophie, frage ich mit Leidensmiene zurück. Yes, Mr Pommeroy, sagt sie zu mir. Du weißt ja, daß es doch ein paar Anständige und Gescheite unter den Gästen gibt. Stecknadeln im Heuhaufen, sage ich.

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