Find more about Weather in Piran, LJ
Freitag, 12. September 2008
Lipstick-Pitbull
Während sich die beiden Oberkandidaten am 9. September mit Krokodilstränen in Trauer vereint in den Armen lagen, wollte die erst neu in den Ring getretene Vizekandidatin rasch noch ein bisschen Wahlkampf machen und gab ABC-News ein ausführliches dreiteiliges Interview. Darin erläuterte die Expertin in Sachen Militär und Außenpolitik - als Gouverneurin von Alaska ist sie Oberbefehlshaberin der alaskanischen Heimatschutztruppen - auch umfassend ihre Haltung zum Georgien-Konflilkt: Jawohl, Georgien solle in die NATO aufgenommen werden. Auf die Nachfrage, ob die USA dann im Fall eines Angriffs Russlands auf Georgien Russland auch den Krieg erklären sollten, antwortete die Kandidatin entschlossen: "Perhaps so. I mean, that is the agreement when you are a NATO ally, is if another country is attacked, you're going to be expected to be called upon and help. And we've got to keep an eye on Russia. For Russia to have exerted such pressure in terms of invading a smaller democratic country, unprovoked, is unacceptable."

Na ja, Mrs Palins Russenangst lässt sich doch nachvollziehen. Ist schließlich erst 141 Jahre her, seit die USA dem Zaren Alaska abgekauft haben. Für 0,0004 US-Cent pro Quadratmeter. Was für ein Schnäppchen! Kein Wunder, dass die Amerikaner fürchten, Russland könnte noch mal ein paar Nachforderungen stellen. Da gab's doch in den 90er Jahren schon mal einen Parteiführer namens Schirinowski, der durch seine Anwälte die Rechtmäßigkeit des Alaska-Deals anfechten wollte und die Rückgabe dieses ehemals russischen Territoriums forderte. Schirinowski war ein verbrecherischer Idiot, gewiss, aber was heißt das schon?

Einen Tag nach dem Interview mit Palin, am 10.9., schrieb übrigens der US-Botschafter in Schweden, Michael Woods, einen besorgten Artikel in der konservativen Tageszeitung Svenska Dagbladet, in dem er die Europäer davor warnt, sich von Energieimporten aus Russland abhängig zu machen: "Wir wissen ganz genau, dass Russland nicht zögert, Energie als Druckmittel einzusetzen." Aus seiner Position, bei der Energieversorgung selbst relativ unabhängig zu sein, könne Schweden in der EU "eine führende Rolle einnehmen, um der Abhängigkeit von russischer Energie entgegenzuarbeiten." Insbesondere solle Schweden seine (noch ausstehende, aber notwendige) Zustimmung zu der deutsch-russischen Gaspipeline NordStream durch die Ostsee "ernsthaft überdenken". -
Ja, verdammich, waren es nicht gerade Deutschland und Frankreich, die (anders als die von der Pipeline umgangenen baltischen Länder und Polen) innerhalb von EU und NATO gegen zu harsche Reaktionen auf Russlands Aktionen im Georgienkonflikt auf die Bremse getreten haben? Die Belohnung aus Washington erfolgt prompt.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 11. September 2008
Schweinischer Wahlkampf
"Du kannst einem Schwein Lippenstift auftragen, doch es bleibt immer noch ein Schwein."
In den USA soll es ein geläufiger Spruch sein, aber trotzdem kommt es wohl schon darauf an, wer ihn in welchem Zusammenhang über wen äußert. In diesem Fall war es der smarte, höfliche, kultivierte Barack Obama auf einer Wahlkampfshow in Virginia. Anschließend ließ er natürlich gleich dementieren, er habe damit auf die einzige verbliebene Frau im Präsidentschaftswahlkampf gezielt Wie könnte man auch bloß darauf kommen? Zumal Frau Palin erst vor wenigen Tagen auf einer ähnlichen Veranstaltung erklärt hatte, der Unterschied zwischen ihr und einem Pitbull sei der Lippenstift.
Auch bei uns gibt es kluge Sprüche, die man, ohne jemanden speziell zu meinen, einfach mal so ins Blaue äußern kann. Einer von ihnen lautet:
"Die sollte man alle in einen Sack stecken und mit dem Knüppel draufhauen. Man kann keinen Falschen treffen."

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 6. September 2008
Altweibermärchensommer

Der singende Anarchist und das zensierte Interview

September. Die größte Hitze des Hochsommers scheint endlich gebrochen (lacht da jemand leicht bitter auf?), wenn die Sonne scheint, tut sie es mild, der Wind kommt frischer über die Nordsee gebraust.
Zeit, sich langsam auf den kommenden Herbst einzustimmen. Zum Beispiel, indem man ein paar alte Schallplatten aus dem Keller holt, deren Musik so schön zum Herbst passt wie die des Pfeife rauchenden Anarchisten Georges Brassens selig. Lange nicht gehört, wie? Ich, zugegeben, auch nicht. Aber zum spätsommerlichen Rauschen der hohen Pappel oder dem frühherbstlichen Rauschen des Regens passen seine der Tristesse zum Trotz fröhlich hüpfende Gitarre und seine warme Stimme wie ein leichter Rotwein. Ganz recht, schwerer Burgunder schmeckt mir nicht. Der Esprit dieses selbsterklärten Unkrauts mit schlechter Reputation umso mehr. Die rührt wohl auch daher, dass der inzwischen zum Lektürekanon für französische Schüler gehörende Georges-Charles Brassens kurz nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Kürzel G.C. ein Jahr lang etliche Artikel für die Anarchistenzeitung Le Libertaire geschrieben hat, in denen es schon einmal hieß: "Man sei vergewissert: der Tag wird kommen [...], an dem die Sonne über einer neuen, endlich aller Polizisten ledigen Welt aufgeht [...] Vertrauen wir auf den Tod. Er wird uns nicht enttäuschen” (11. 10. 1946) Auch später hat er sich nie davon distanziert:
“Ich bin Mitglied einer Bewegung gewesen, der libertären Bewegung, und eigentlich habe ich sie nie verlassen. Ich habe nie einen Mitgliedsausweis besessen und bin nie ausgetreten [...] Ich bin ein bißchen vom Aktivismus abgerückt, wenn Sie so wollen. Was die anarchistische Moral und Philosophie angeht, habe ich mich aber kein bißchen bewegt [...] Jeder hatte von der Anarchie seine ganz persönliche Vorstellung. Das ist es ja eben, nebenbei, was so spannend ist: daß es kein wirkliches Dogma gibt. Es ist eher eine Moral, eine Art, das Leben zu begreifen, glaube ich." -

Je suis la mauvaise herbe, braves gens.”

Nachtrag
Die scheinbare Leichtigkeit in seinen Liedern täuscht Unbekümmertheit oft nur vor oder setzt sich vorsätzlich über die eigentlich beschriebene Misere hinweg. Und auch hier sollen nicht auf einmal Friede, Freude und frühherbstliche Eierkuchen verkündet werden, als hätte es im Kaukasus nicht gerade geknallt und würden die USA und Russland nicht in der ganzen Region Brust gegen Brust Positionen aufbauen. Darum als Ergänzung zu meinen eigenen Beiträgen in der letzten Woche der längst überfällige Hinweis auf den oft gut informierten und höchst interessanten Blog des Spiegelfechters.
Da sollte man sich übrigens auch mal den gesamten Wortlaut des Interviews von ARD-Korrespondent Thomas Roth mit Wladimir Putin ansehen, besonders die rot markierten Stellen, die vor der Ausstrahlung der Schere zum Opfer gefallen sind. Man bekommt einen sehr schönen Eindruck, welche Aussagen im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen offenbar nicht genehm sind als überflüssig angesehen werden.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 1. September 2008
At the Black Sea. From Backwater to Blackwater
Ein Grund, weshalb der Westen von Krieg und Unterdrückung unbeeindruckt Georgien weiterhin den Rücken stärkt, trägt die Abkürzung BTC: Baku - Tiflis - Ceyhan. Es sind die drei wichtigsten Städte an der Pipeline, durch die westliche Ölfirmen wie BP, Amoco und Exxon seit drei Jahren Erdöl aus dem Untergrund des Kaspischen Meeres auf die Märkte des Westens saugen. Da sie weder iranisches noch russisches Territorium berühren sollte, wurde sie auf einer sehr viel längeren Trasse durch Georgien verlegt. Keinesfalls also soll Russland jetzt Georgien wieder in seinen Einflussbereich bringen. Auf dieses eminente Interesse des Westens, Russland aus Georgien herauszuhalten, hat Saakaschwili bei seiner Attacke auf Südossetien womöglich spekuliert. Georgien ist aber nicht das einzige Land, in dem der Westen, voran die USA, zur Sicherung wirtschaftlich vitaler Interessen auch militärische Positionen aufbaut und wieder einmal heftig mit dem Feuer am Ölfass spielt.
[weiterlesen]

... link (2 Kommentare)   ... comment


Samstag, 30. August 2008
Mutabor. Märchen aus einem friedliebenden Staat Europas


Nicht jedes Volk der Welt, das aus einem Staatenverbund austreten wolle, sei in der Lage, einen eigenen Staat zu bilden. Dann würde man sehr viele Probleme in der Welt bekommen.”
Sagte Bundeskanzlerin Merkel nach einem Bericht der Tagesschau. Nein, nicht im Herbst 1989. Jedenfalls ist das nicht dokumentiert. Sie sagte es auch nicht jüngst bei der Abtrennung des Kosovo von Serbien im Februar dieses Jahres.
[weiterlesen]

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 28. August 2008
Den Blick einmal auf das Pflaster der Bürgersteige gerichtet, fällt einem natürlich als Aphorismus des Tages unweigerlich der alte Spontispruch aus dem zur Zeit vielerorts gefeierten Jahr '68 ein:
"Sous les pavés, la plage."

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 26. August 2008
Oberflächliches
Karl Schlögel (Im Raume lesen wir die Zeit) verdanke ich den Hinweis auf den sowjetischen Schriftsteller Konstantin Paustowski, der in seinen Erzählungen vom Leben behauptet hat, er könne an der Oberfläche von Bürgersteigen den Gang der Weltgeschichte ablesen. Dazu muss man allerdings wissen, dass Paustowski zum Beispiel in den frühen Jahren nach der Oktoberrevolution das Pflaster von Odessa absuchte und da noch Patronenhülsen und eingetrocknete Blutflecke fand.
Schlögel lenkt den Blick auf das Pflaster selbst, das scheinbar Glatte, Unbeeindruckte. Das aber ist es gerade nicht. "Trottoire zeigen Spuren: Abnutzungsspuren der Zeit." Um sie zu entdecken, muss man aufmerksam hinsehen. Dagegen ist es viel einfacher, gleich von dem unter der Oberfläche liegenden Wesentlichen zu schwafeln, meint Schlögel. "Wer sich mit dem Wesen beschäftigt, muß sich bei der Erscheinung erst gar nicht aufhalten."
Dabei hatte Paustowski recht: An Oberflächen lässt sich eine Menge ablesen. "Der Zustand von Trottoiren ist der sicherste Indikator für den Zustand einer Stadt. Sie sind die Haut, und sie sind wie diese gepflegt oder ungepflegt, je nachdem. Man merkt ihr an, ob sie in Schuß gehalten wird... Die Verwitterung eines ganzen Kontinents kann man am Zustand der Trottoirs ablesen. Katzenkopfpflaster ist die Signatur für eine Welt, die bald gänzlich verschwunden sein wird."
Und was sagt folgende Momentaufnahme aus der deutschen Hauptstadt über den Zustand der Berliner Republik?

... link (0 Kommentare)   ... comment