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Donnerstag, 13. November 2014
Gedanken auf einem Buschspaziergang: Zur Savannentheorie
Spaziergang im Busch. Bei annähernd 40° Hitze; und Busch meint hier nicht schattenspendenden Hochwald, sondern eher offene Gras- und Buschsavanne mit Ansammlungen von etwas mehr als mannshohen Pandanus- oder Schraubenbäumen und lichten Eukalyptushainen, eingerahmt von roten Sandsteinfelsen, die wie hitzereflektierende Backöfen wirken. Das alles unter einer Sonne, die einem auf 12° südlicher Breite fast senkrecht Löcher in die Schädeldecke bohrt, wenn man keinen Hut trägt. Ich schwitze unter dem Hut aber noch mehr, und habe das Gefühl, ihn immer wieder abnehmen zu müssen, um den Hitzestau darunter zu lüften. Seitdem unsere ‟very English rose” Jennifer an einem der ersten Tage in Jowalbinna fast einen Kreislaufkollaps durch Dehydrierung erlitt, haben wir unsere Lektion zum Trinken gelernt, aber trotzdem: die empfohlenen 4 Liter Flüssigkeit am Tag schaffe ich einfach nicht. Statt andauernd eine Flasche an den Hals zu setzen (und anschließend sofort noch mehr zu schwitzen), halte ich es lieber mit dem Rezept der australischen Kamellady Robyn Davidson und trinke morgens einen ganzen Billy Tee, über den Tag nur hin und wieder einen Schluck aus der Feldflasche, um die Kehle feucht zu halten, und dann abends wieder ausgiebig. ‟When the sun and the dry air suck gallons of sweat out of you during the day, the more you drink the more thirsty you become.” Genau diese Erfahrung mache ich auch.
An Zoologischem läßt sich bei dieser Hitze und zu dieser Tageszeit nicht viel sehen, die Tiere sind schlauer als wir. Lediglich etwas Avifauna macht sich von Baum zu Baum flatternd oder krächzend bemerkbar. Papageien und Kakadus vor allem, in der weißen und in der schwarzen Variante, Gelbhauben- und Rabenkakadus also. Und wie immer der eine oder andere Schwarzmilan oben in der Thermik kreisend, die Aasvögel des Kontinents. Aber noch bin ich nicht gar für ihn, schreite vielmehr einigermaßen munter fürbaß, denn in der trockenen Hitze und ohne Gepäck fühle ich mich geradezu leicht. (Ans leichte Dauerschwitzen gewöhnt man sich.) Und ich mag diese halboffenen, weiten Savannenlandschaften. Wenn das mal nicht genetisch angelegt ist. Wie es der Evolutions- und Soziobiologe Gordon H. Orians glaubt: Instinktive Vorlieben für bestimmte Landschaftsformen sind ererbte Kondensate stammesgeschichtlicher Erfahrungen: Da geht es uns gut. Und welche Landschaftsform könnte diese gespeicherte Urerfahrung eher in uns auslösen als die Savanne Ostafrikas, in der der moderne Mensch entstanden ist, ein Habitat also, das ihm offensichtlich entgegenkam?
‟Vergleichen wir diese zwanzig Millionen Jahre mit einem Tag, so wären die 6000 Jahre der geschichtlichen Zeit gerade dessen letzte 26 Sekunden und die Neuzeit gar nur seine letzten zwei – gegenüber den Zeiträumen, in denen sich die elementaren körperlichen und seelischen Anpassungen des Menschen entwickelt haben, fielen sie nicht ins Gewicht”, schrieb der unvergessene Dieter E. Zimmer einmal in einem Bericht des Zeit-Magazins über Orians ‟Savannen-Theorie”. ‟Die tropische Savanne, ganz besonders jene mit unregelmäßigen Bodenerhebungen, welche schützende Klippen und Höhlen boten, muß die optimale Umwelt des Frühmenschen gewesen sein”, folgert Orians. ‟Ihr Bild hat er sich bewahrt... als die Bereitschaft, mit positiven Emotionen zu reagieren, wenn er in Landschaften kommt, die ihr ähnlich sind.”
‟Skeptiker werden es nie glauben”, räumt Zimmer ein, aber unser eigener Körper könnte Orians Theorie stützen. Er ist ja, ohne Hilfsmittel wie Heizung, Kühlung, Kleidung etc., auf einen bestimmten Temperaturbereich geeicht. Unser Temperaturoptimum, bei dem unser thermoregulatorisches System überhaupt nicht mit Schutzfunktionen wie Frieren oder Schwitzen in Aktion zu treten braucht, liegt (ich gebe es in Richtung einer bestimmten Adresse nur ungern zu) bei 29 Grad. ‟Zwischen 24 Grad und 35 Grad muß es nur Minimales leisten” – sofern keine hohe Luftfeuchtigkeit wie in tropischen Regenwäldern hinzutritt. ‟Unser ganzer Körper, sein Vermögen der Thermoregulation ist die Erinnerung: Wo es am wenigsten strapaziert wird, fühlt es sich einfach am wohlsten, zieht es ihn am stärksten hin.” –
Funktioniert absolut in meinem Fall. Wie es mir schon auf unserer ersten Australienreise mit der Spinnifex-Savanne im Roten Zentrum erging, so ist auch dieses Kennenlernen und Erkunden der offenen Savanne im Süden des Kakadu-Nationalparks fast wie ein Wiedererkennen. So fremd die einzelnen Tier- und Pflanzenarten auch sein mögen, das Gesamtbild ‟paßt”, es fühlt sich insgesamt überhaupt nicht fremd an. Wie groß die Hitze auch sein mag, durch die geringe, ‟richtige” Luftfeuchtigkeit kann ich sie gut aushalten, mein Organismus fühlt sich nicht niedergedrückt, sondern sogar leicht und frei.
À propos fremde Pflanzenarten: Ich frage mich doch, welche seltsame Art der Felsenbirne da hinten zwischen den Felsen wächst, und gehe näher. Hat sich was mit ‟Felsenbirne”. Wenn die grünen ‟Früchte” reif und braun werden und sich öffnen, sieht man die dichte Watte an Fasern, die sie enthalten. Hier wächst der beste Stoff für Polster- und Matratzenfüllungen: Kapok. Die nach Pappelflaum leichteste Naturhohlfaser der Welt, noch dazu wasserabweisend.
An Zoologischem läßt sich bei dieser Hitze und zu dieser Tageszeit nicht viel sehen, die Tiere sind schlauer als wir. Lediglich etwas Avifauna macht sich von Baum zu Baum flatternd oder krächzend bemerkbar. Papageien und Kakadus vor allem, in der weißen und in der schwarzen Variante, Gelbhauben- und Rabenkakadus also. Und wie immer der eine oder andere Schwarzmilan oben in der Thermik kreisend, die Aasvögel des Kontinents. Aber noch bin ich nicht gar für ihn, schreite vielmehr einigermaßen munter fürbaß, denn in der trockenen Hitze und ohne Gepäck fühle ich mich geradezu leicht. (Ans leichte Dauerschwitzen gewöhnt man sich.) Und ich mag diese halboffenen, weiten Savannenlandschaften. Wenn das mal nicht genetisch angelegt ist. Wie es der Evolutions- und Soziobiologe Gordon H. Orians glaubt: Instinktive Vorlieben für bestimmte Landschaftsformen sind ererbte Kondensate stammesgeschichtlicher Erfahrungen: Da geht es uns gut. Und welche Landschaftsform könnte diese gespeicherte Urerfahrung eher in uns auslösen als die Savanne Ostafrikas, in der der moderne Mensch entstanden ist, ein Habitat also, das ihm offensichtlich entgegenkam?
‟Vergleichen wir diese zwanzig Millionen Jahre mit einem Tag, so wären die 6000 Jahre der geschichtlichen Zeit gerade dessen letzte 26 Sekunden und die Neuzeit gar nur seine letzten zwei – gegenüber den Zeiträumen, in denen sich die elementaren körperlichen und seelischen Anpassungen des Menschen entwickelt haben, fielen sie nicht ins Gewicht”, schrieb der unvergessene Dieter E. Zimmer einmal in einem Bericht des Zeit-Magazins über Orians ‟Savannen-Theorie”. ‟Die tropische Savanne, ganz besonders jene mit unregelmäßigen Bodenerhebungen, welche schützende Klippen und Höhlen boten, muß die optimale Umwelt des Frühmenschen gewesen sein”, folgert Orians. ‟Ihr Bild hat er sich bewahrt... als die Bereitschaft, mit positiven Emotionen zu reagieren, wenn er in Landschaften kommt, die ihr ähnlich sind.”
‟Skeptiker werden es nie glauben”, räumt Zimmer ein, aber unser eigener Körper könnte Orians Theorie stützen. Er ist ja, ohne Hilfsmittel wie Heizung, Kühlung, Kleidung etc., auf einen bestimmten Temperaturbereich geeicht. Unser Temperaturoptimum, bei dem unser thermoregulatorisches System überhaupt nicht mit Schutzfunktionen wie Frieren oder Schwitzen in Aktion zu treten braucht, liegt (ich gebe es in Richtung einer bestimmten Adresse nur ungern zu) bei 29 Grad. ‟Zwischen 24 Grad und 35 Grad muß es nur Minimales leisten” – sofern keine hohe Luftfeuchtigkeit wie in tropischen Regenwäldern hinzutritt. ‟Unser ganzer Körper, sein Vermögen der Thermoregulation ist die Erinnerung: Wo es am wenigsten strapaziert wird, fühlt es sich einfach am wohlsten, zieht es ihn am stärksten hin.” –
Funktioniert absolut in meinem Fall. Wie es mir schon auf unserer ersten Australienreise mit der Spinnifex-Savanne im Roten Zentrum erging, so ist auch dieses Kennenlernen und Erkunden der offenen Savanne im Süden des Kakadu-Nationalparks fast wie ein Wiedererkennen. So fremd die einzelnen Tier- und Pflanzenarten auch sein mögen, das Gesamtbild ‟paßt”, es fühlt sich insgesamt überhaupt nicht fremd an. Wie groß die Hitze auch sein mag, durch die geringe, ‟richtige” Luftfeuchtigkeit kann ich sie gut aushalten, mein Organismus fühlt sich nicht niedergedrückt, sondern sogar leicht und frei.
À propos fremde Pflanzenarten: Ich frage mich doch, welche seltsame Art der Felsenbirne da hinten zwischen den Felsen wächst, und gehe näher. Hat sich was mit ‟Felsenbirne”. Wenn die grünen ‟Früchte” reif und braun werden und sich öffnen, sieht man die dichte Watte an Fasern, die sie enthalten. Hier wächst der beste Stoff für Polster- und Matratzenfüllungen: Kapok. Die nach Pappelflaum leichteste Naturhohlfaser der Welt, noch dazu wasserabweisend.
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