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Montag, 24. September 2012
Das kariöse Petersburg

Die strahlende Fassade des hochglanzrenovierten Sankt Petersburg weist noch etliche schwarze Löcher auf, Lücken im perlweiß sandgestrahlten Gebiß der Adelspaläste wie von Karies befallene, marode Zahnstummel.
Daß nicht schlagartig genügend Geld vorhanden war, um die gesamte Stadt zu sanieren, versteht sich von selbst. Interessant ist dann aber doch zu sehen, wofür das vorhandene Geld verwendet wurde und wird, und da ist die Tendenz völlig eindeutig: Äußerlich glanzvoll wiedererstehen soll die abgehobene feudale Pracht des alten, zaristischen Rußland und sonst nichts.


Alles, was an das frühere Leningrad und die siebzig Jahre der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken erinnert, soll nach den offenkundigen Wünschen der Investoren und Geldgeber hingegen verrotten und verfaulen. Eine ganze Epoche der russischen und europäischen Geschichte soll also tunlichst aus dem architektonischen Gedächtnis der Stadt verschwinden.

Sicher gibt es etliche Monstrositäten unter den Bauten aus der Sowjetzeit, aber monströs auf ihre Art sind einige der frisch vergoldeten Kirchen und Kathedralen auch. Nur zwei Ecken von der Isaak-Kathedrale entfernt, die mich frappierend an Sebalds Justizpalast in Brüssel erinnert, steht am Ufer des Moyki-Kanals (noch) eine Art Kafka-Postamt. Beim ersten Anblick denkt man, die Abrißbirne habe schon zwei-, dreimal zugeschlagen, bevor die Arbeiter dann ins Wochenende gingen und nicht wiederkamen. Aber nein, in diesem Gebäude wird noch in mehreren Etagen gearbeitet, auch wenn die immerhin mit titoistischem Donauwasser gewaschene Herzogin meinte, wahrscheinlich würden die Angestellten darin mit dem Stempeln nie erscheinender Ersttagsbriefmarken beschäftigt.

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