La notte ci sorride, a noite sorri-nos, natten ler mot oss, the night smiles on us, in ganz Europa kennt man den Ausdruck: die Nacht ist uns gnädig, und er gilt auch für den Prunk von Petersburg. Die Nacht dämpft die Farben, reduziert das Grün und Gelb und Kitschrosa der Palaisfassaden im "Petrine barockstil" auf gelblich angestrahlte Grautöne, das Dekor tritt zurück in den Schatten, Linien klären sich, aus Schwüngen, Bögen, Schnörkeln, Schnecken werden Waagerechte und Senkrechte, und das tut dem Auge des Betrachters gut. Ein gewisses Ebenmaß stellt sich her in einer Stadt, die sonst kein Maß kennt.
Nach Jahren des Mangels herrscht jetzt Übermaß an allem, an Lärm, an Hektik, an Geschäftigkeit, an Бизнес, an Verkehr, an Adelspalästen, an Reichtum und an Armut. In dem Park zwischen der völlig überdimensionierten Isaak-Kathedrale, der ebenso großen Admiralität und der Boris-Jelzin-Bibliothek (er hat bestimmt nie einen Fuß hineingesetzt) sitzt einer von zahllosen Obdachlosen auf einer Bank im Schatten vor dem Licht der grellen Scheinwerfer auf den Dächern. Seine Beine sind dick umwickelt und stecken in schwarzen Müllsäcken. Zuerst dachte ich, gegen die Kühle der Nacht, doch dann sehe ich, daß die schwarzen Stümpfe unten schmal zulaufen, der Mann hat keine Füße. Er hat keine Krücken, keinen Rollstuhl. Er sitzt auf dieser Bank fest. Tag und Nacht. Gestrandet. Wen kümmert’s? Die Nacht ist uns gnädig.
Und die Töchter der Reichen führen nachts ihre Pferde aus. Die haben sogar je vier Beine. Es herrscht Überfluß.
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