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Sonntag, 19. Februar 2012
13,48̊ S, 171,45̊ W: Vailima, Samoa
Nach dem Wechsel West-Samoas auf die andere Seite der Datumsgrenze gehören die Hähne in Apia zu den ersten auf der Welt, die den neuen Tag begrüssen. Sie tun es noch in der Dunkelheit laut und ausgiebig.

“Louis meint, ich habe eine Bauernseele, weil ich das Bewußtsein liebe, daß es meine eigene Erde ist, worin ich wühle. Besäße ich die Seele eines Künstlers, dann hätte der Stumpfsinn des Besitzens keine Macht über mich.” Fanny Stevenson im Oktober 1890 in ihrem Tagebuch, einen Monat nach dem Einzug auf Vailima
(zit. nach: Südseejahre. Eine ungewöhnliche Ehe in Tagebüchern und Briefen, 2011).

Vailima und Samoa verlängerten das Leben ihres Mannes um einige Jahre. In jedem anderen als dem tropischen Südseeklima verschlimmerte sich sein Lungenleiden akut. Selbst von einer kurzen Reise nach Sydney im Februar 1891 kehrte er sterbenskrank zurück. “Es ist klar, daß er in der Südsee bleiben muß, er kann in keinem anderen Klima leben”, schrieb Fanny in ihr Tagebuch. Ein halbes Jahr später kam sie noch einmal darauf zurück: “Wir haben den Kolonien [Australien] eine faire Chance gegeben, und sie sind für Louis der Tod, während dies hier Leben und ein gutes Stück Gesundheit bedeutet.”
In Vailima erholte er sich, und es ging ihm vergleichsweise gut. Besonders nachdem das Haus fertig eingerichtet war und er im Vorwissen seines baldigen Todes im Mai 1891 seine ganze Familie, seine Mutter und seine Tochter mit Mann und Kind, nach Vailima geholt hatte. Sein Arbeitsvermögen kehrte zurück, nachdem er in Sydney kaum hatte schreiben können. “Ein entsetzlich zähes Ringen, in einem ganzen Monat nur zwei Kapitel im Embryonalzustand”, hatte er seinem Freund und Herausgeber Sydney Colvin aus Australien berichtet. Zurück in Vailima vollendete er The Wrecker (“66000 Wörter in dreißig Tagen”) und die Erzählung The Beach of Falesa. “In mancher Hinsicht halte ich es für mein bestes Werk [...] Es ist die erste realistische Südseerzählung. [Sie] wird mehr Wissen über die Südsee vermitteln als eine ganze Bibliothek.”
Noch anderthalb Jahre vor seinem dann doch plötzlichen Sterben an einer Hirnblutung jubelte er geradezu auf:
Kardinalshonigfresser (Myzomela cardinalis)

“Ach, ein Morgen wie noch keiner zuvor, mit einer himmlischen Süße, Frische, unvorstellbaren Farben in tiefster Tiefe und einer ungeheuren Stille, gebrochen nur vom fernen Rauschen des Pazifiks und vom üppigen Gesang eines einzelnen Vogels. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für eine Erleichterung bedeutet. Es kommt einem vor wie eine neue Welt”,
schrieb er Colvin Anfang April 1893; zur gleichen Zeit, als Gauguin auf Tahiti Vaterfreuden entgegensah und seine Abreise vorbereitete.

Den Weg ganz hinauf zu Stevensons Grab habe ich mir erspart. Der unverbesserliche Romantiker hat sich als Grablege den Gipfel des höchsten Berges oberhalb seines Anwesens auserkoren. Von dort - es liegt selbst schon in luftiger Höhe - soll es noch einmal fast eine Stunde steil bergauf gehen, durch feuchtheißen Tropenregenwald. Und es ist ein heißer Tag, unser heißester bisher auf Samoa. So heiß, daß selbst eine verschwitzte Wirtin stöhnt: "An diese Hitze gewöhnt man sich nie." Noch dazu in der Schwüle der Regenzeit. Gut 35 ̊ sind es heute, bei annähernd 100% Luftfeuchtigkeit. Die Berge dampfen in Wolken. Und man sieht deutlich, wie sie sich in breiten, dunkelgrauen Bändern abregnen.


Robert Louis Balfour Stevenson, Esq., hat seinerzeit die besten baulichen Maßnahmen vor Erfindung der Klimaanlage ergriffen, um ein Wohnen unter solchen Bedingungen erträglich bis angenehm zu machen. Seine "Dichterhütte" in Vailima steht schon einmal einige hundert Meter über der hitzekochenden Küstenebene auf einer großen, freien Lichtung im dichten Wald um einen klaren Bach mit einem kleinen Stauwehr. Das Haus ist ein sehr geräumiger, fast weitläufiger, luftiger Holzbau in zwei Stockwerken, wie eine der großen Pflanzervillen seiner Zeit in den amerikanischen Südstaaten. Große, hohe Schiebefenster lassen viel Luft zirkulieren. Die offiziellen Empfangsräume im Erdgeschoß sind zwar dunkel getäfelt, aber die Wohnräume der Stevensons im Obergeschoß sind über breite Treppen zu erreichen und in hellen Grün- und Blautönen gestrichen. Wenn die Türen offenstehen, ergibt sich eine luftige Flucht gut durchlüfteter, heller Räume. Ein feiner Duft nach Räucheraromen und alter, schwefelpudriger Medizin weht noch hindurch; angenehm, aber er hält auch die Erinnerung an die Atemnot und die schwache Lunge des ehemaligen Hausherrn wach. Trotz der etwas steifen Möbel aus dem 19. Jahrhundert, von denen es aber nicht zu viele gibt, ein schönes, ein wohnliches Haus, das Stevenson sich hier hat errichten lassen.

Vailima. Stevensons Haus auf Samoa

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