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Freitag, 17. September 2010
Kossyra, Akropolis

Von den Resten der Akropolis sehen wir hinab auf den Hauptort der Insel. Für die, die zu viel Regenbogenpresse lesen: Ja, Armanis schwarze Zigmillionenjacht liegt im Hafen, aber das ist völlig unwichtig. Viel interessanter ist der Punkt, auf dem wir stehen, denn hier lagerten bald zweitausend Jahre lang Persönlichkeiten von ganz anderem Format. Genau unter unseren Füßen nämlich hat mein alter Freund Thomas vor einigen Jahren drei wunderbar erhaltene römische Cäsarenbüsten aus einer bereits in der Antike wieder zugeschütteten Zisterne gegraben.
Im 7. oder 6. Jahrhundert v.u.Z. gründeten Phönizier oder Punier hier, nur achtzig Seemeilen von ihrem Heimathafen entfernt, die erste Kolonie Karthagos. Ihren Namen hielten sie in ihrer Konsonantenschrift als YRNM fest; manche lesen das als “Hiranin” und meinen, es würde so viel wie Vogelinsel bedeuten. Bekannter war die Insel in der Antike unter ihrem griechischen Namen Kossyra ("die Kleine"), denn mit ihrer strategisch günstigen Lage genau an der engsten Stelle des Mittelmeers lag sie seit der Bronzezeit im Kreuzungspunkt wichtiger Seehandelsrouten zwischen Afrika und Sizilien, zwischen der östlichen und der Westhälfte des Mittelmeers. Darum haben die Römer sie auch im ersten Punischen Krieg gegen Karthago 255 sofort überfallen und kassiert. 217, im 2. Punischen Krieg, ging sie endgültig in römischen Besitz über.


c) Arch. Inst., Uni Tübingen

Seit zehn Jahren gräbt Thomas mit seinen Teams die antike punisch-römische Akropolis aus, die eine Fläche von etwa 200x100 Metern einnimmt. 2003 stießen sie im Schutt einer bereits im 1. Jahrhundert verfüllten Zisterne auf die drei Kaiserbüsten – ein Sensationsfund, von dem so mancher Archäologe sein ganzes Forscherleben vergeblich träumt. “Wer weiß, was wir hier noch so alles zu Tage fördern”, hat Thomas in der damals eigens gedrehten Folge von Terra X im ZDF bloß sibyllinisch grinsend gesagt. (Auch der Focus u.a. berichtete damals ausführlich.)



Mittlerweile sind er und Wissenschaftler aus ganz anderen Disziplinen vor allem an den Zisternen der Punier interessiert. Die sind nämlich inwendig mit einem Putz ausgekleidet, der sie seit zweieinhalbtausend Jahren bis heute dicht und funktionsfähig erhalten hat. Aus welchem Material dieser Putz zusammengesetzt ist und wie er aufgetragen wurde, ist für heutige Bauchemiker eine höchst interessante Frage, denn wer von ihnen kann schon ein Dichtungsmaterial mit einer Haltbarkeit von zweieinhalb Jahrtausenden vorweisen? Und wäre das, wenn seine Zusammensetzung erst analysiert ist, nicht ein unter Gesichtspunkten von Nachhaltigkeit äußerst wertvoller Baustoff?




Ein wesentlicher Bestandteil dieses geheimnisvollen Putzes, erklärt Thomas, kam wahrscheinlich von dort drüben, von diesem Kegelstumpf eines Vulkans gleich gegenüber der Akropolis. Denn natürlich haben die Bauleute damals Material verarbeitet, das sie an Ort und Stelle vorfanden. Wer hätte schließlich auf den Gedanken kommen sollen, für gewöhnlichen Putz und Mörtel auf eine ohnehin steinige Insel eigens Sand (oder Asche) über See zu importieren?




Wir erwischen die Archäologen bei der Plünderung Arbeit auf der Grabung und händigen ihnen aus, was zwischenzeitlich zu einem wichtigen Mitgrund für unsere Reise geworden ist: Silikonknetmasse für die Zahnprothethik.

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