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Montag, 19. Juli 2010
Maitagorry (II)
Auf der offenen Heide und erst recht auf den großen, grell die Sonne reflektierenden Sandflächen wurde es fast unerträglich heiß. Anfangs wehte noch ein Hauch und führte eine wunderbar belebende Mischung an Düften mit sich, erdig, holzig, nach grünen Kiefernnadeln, Harz und würzigem Wacholderholz mit einer Kopfnote von süßem Gras, ein Duft, bei dem es mir unter dem Schädeldach kribbelt wie nach einer Kopfmassage mit ätherischen Ölen und Menthol. So konnte ich immer weiter radeln, ohne zu ermüden. Dabei strömte mir längst der Schweiß über Stirn und Rücken, aber so lange der Wind anhielt, füllte mich jeder Atemzug mit einem belebenden Elixier. Duftdoping.
Irgendwann schlief auch der letzte Luftzug noch ein, das Licht wurde fahl, stumpf gleißend, die Hitze legte sich wie geschmolzenes Blei über die weite Senke, auf deren Grund ich bald nur noch kroch, jede Pedalumdrehung ein schweißtreibender Kraftakt. Dann kam auch noch eine leichte Steigung, aber an ihrem Ende oben winkte ein lichter Hain aus Kiefern mit ausladenden Schirmkronen, die das Licht hellgrün siebten. Nachdem ich mich hinauf gequält hatte, hielt ich an. Eine bessere Stelle, um in lichtem Schatten zu verschnaufen, im Gras zu liegen und zu lesen oder von diesem erhöhten Ansitz den Blick über die Heide schweifen zu lassen, konnte ich nicht finden.
Die grausame Dürre hielt an. Seit über fünf Monaten kein Tropfen Regen. Barral träumte, die Schlange Leheren senge ihn. Bis in den Vormittag lag der Herr wie betäubt, nackt auf dem Estrich. Keine Wolke am tiefblauen Himmel. Er ritt zur Gallamassa baden. Larrart mit Gesellen und Kindern war da. "Schmiedest du heute nicht?" -- Wir haben das Feuer ausgehen lassen." -- "Maita?" -- "Daheim, Mon Dom."
Unter dem Vordach der Schmiede schlang er den Zügel des Pferdes um den Ring, lockerte den Sattel und deckten den Schäfermantel über die Kruppe. Drinnen hörte er Maitagorry singen. Kein Mensch auf den Straßen. Er ging ins Haus. Sie war nicht zu finden. Er legte den Messergurt ab und nahm den Riemen. Im Keller schien sie zu sein. Auf der Treppe begegneten sie sich. Er trat an die Wand. Einen Eimer Eis auf dem Kopf, stieg sie vorüber. Rätselhaft aus der Schräge sah sie ihn an. Olivbraun glänzte ihre Haut, grauweiß stumpf leuchtete ihr Schurz. Oben setzte sie den Bottich ab. Vorsichtig armend mit offenen Zähnen, betrachtete sie den Herrn in der fernen Ecke. "Komm doch", lockte sie. "Komm doch. Wenn es nur das ist, komm doch." Ohne den Blick von ihm zu wenden, griff sie über die Hüfte und löste das Tuch. -- "Es ist nicht nur das, Maita. Ich will, daß es regnet." -- "Dann komme der Herr. Dann küsse Luziade mir den Fuß. Dann peitsche er die Fee Maitagorry in seine Seele. Komm, wie einst ich kam. Erniedrige dich, wie einst ich mich erniedrigte. Schön ist dein Rücken. Seidig ist dein Rücken. Ich setze meinen Fuß auf dich. Ich stoße dich in die Schande, weil du der Herr bist, der mein Herz verbrennt." Mit einem Tritt warf sie den Knienden um, lief an den Gewölbepfeiler, zog sich am Kettenring auf. "Komm doch, ich will ein Kind. Knecht, Liebster, Wilder, Luziade, brauner Fels. Maitagorry wird dich begraben in Eis."
Wortlos vor Wut und Liebe leckte er ihre Wunden, damit sie heilen konnten, warf sich aufs Pferd und galoppierte über die Felder. Die Luft war bleiern. Die Sonne sog Wasser. Ein malvenfarbener Hof umgab das Gestirn. Die Vögel schlüpften ins Buschwerk. Geschmeiß flog in sirrenden Wolken um Roß und Reiter. Über dem Tec wuchs eine Wetterwand auf, grauweiß wie Maitas Schurz.
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