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Donnerstag, 1. Oktober 2009
Nachsommer in Estland
Pärnu soll die “Sommerhauptstadt” Estlands sein. Sie ist es. Und wie!
Es ist aber längst Nachsommer und dementsprechend noch schöner. Vor dem Schlafengehen am Vorabend waren bereits die ersten Sterne am Himmel angeknipst worden, am Morgen erleuchtete warm die Sonne das Zelt. Es hat schon etliche Jahre in verschiedensten Weltgegenden auf dem Buckel, aber ich schätze es immer noch sehr. Die Kombination aus windstabilem Tunnel außen und geräumig wirkender Kuppel innen, samt viel Vorzelt, die gut kalkulierte Farbgebung, mit der es sich außen in jede Landschaft einpaßt und im Innern immer ein mild gedämpftes, warmes Licht verbreitet, finde ich bis jetzt unübertroffen. Aber leider ist keines dieser ultraleichten Kunstfasergewebe bis heute auf Dauer UV-beständig, und auch die Reißverschlüsse zicken neuerdings manchmal rum. Einem tagelang niederrauschenden Dauerregen dürfte die gute alte Haut nicht mehr überall standhalten.
In Pärnu aber scheint die Sonne. Ein paar letzte, tief gestaffelt am Skandinavienhimmel dahinsegelnde Wölkchen lösen sich bald in reines Wohlgefallen auf. Vor dem breiten, feinsandigen Strand gluckst ein wenig nachsaisonhaft die Ostsee. Sehr gemächlich fließt auch der Pärnu-Jogi der Pernauer Bucht zu. Die alten Stadtteile liegen auf einer Halbinsel zwischen Fluß und Meer. Wasser zu beiden Seiten. Das letzte erhaltene Tor in der ehemaligen Stadtumwallung stammt aus der Zeit, als große Teile des Baltikums zu Schweden gehörten. Entworfen hat es der “Vauban Schwedens”, Erik Dahlberg. Vom einfachen Buchhalter in Schwedisch-Pommern über eine Pionier- und Festungsbauerkarriere in der Armee (er war es, der im Januar 1658 den Schweden die Route über das Eis des Kleinen und des Großen Belts absteckte, auf der zur grenzenlosen Verblüffung des dänischen Feinds die komplette Armee geradewegs auf Kopenhagen marschierte) stieg er zum Feldmarschall auf, wurde geadelt und zum Generalgouverneur von Bremen-Verden ernannt, 1696 mit 70 Jahren Generalgouverneur von Livland. Aus Protest gegen die Kriegspläne Karls des Verrückten, den Voltaire so bewunderte, daß er seine Biographie verfaßte, bat Dahlberg 1702 um seine Entlassung und kehrte nach Schweden zurück.
Sehr martialisch wirkt das alte Tor von Pärnu mit seinem geschwungenen Giebelaufsatz nicht, eher wie das Torhaus eines holländischen Barockschlößchens. Und ein bißchen abseits liegt es inzwischen auch, denn für Autos ist sein Doppeltor viel zu eng, und so mußten der Fortschritt und die Stadtentwicklung einen Bogen darum machen.
Wir schlendern aus der Altstadt durchs Tor ins sogenannte Kurviertel. Es ist so grün, daß es mehr wie eine Fortsetzung des lichten Küstenwalds denn nach Wohngegend aussieht. Ist es nicht wieder die enge Verbundenheit der Baltenvölker mit dem Wald, die hier sichtbar wird? Andererseits waren es wohlhabende Russen, die Pärnu seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Sommerfrische entdeckten, zum Kurort ausbauten und ihre Sommervillen zwischen die hohen Kiefern bauten. (Heute stehen einige von ihnen, frisch renoviert, für je eine Viertelmillion Euro zum Verkauf.) In den ausgedehnten Parks und Gärten, die bis unmittelbar an den breiten Strand heranreichen, ragen auch viele alte Kastanien und Eichen mit breiten Kronen in den blauen Himmel. Spontan beschließen wir, den ganzen Tag hier zu verbringen und die Seele heute bis in diesen Himmel baumeln zu lassen.
Es ist aber längst Nachsommer und dementsprechend noch schöner. Vor dem Schlafengehen am Vorabend waren bereits die ersten Sterne am Himmel angeknipst worden, am Morgen erleuchtete warm die Sonne das Zelt. Es hat schon etliche Jahre in verschiedensten Weltgegenden auf dem Buckel, aber ich schätze es immer noch sehr. Die Kombination aus windstabilem Tunnel außen und geräumig wirkender Kuppel innen, samt viel Vorzelt, die gut kalkulierte Farbgebung, mit der es sich außen in jede Landschaft einpaßt und im Innern immer ein mild gedämpftes, warmes Licht verbreitet, finde ich bis jetzt unübertroffen. Aber leider ist keines dieser ultraleichten Kunstfasergewebe bis heute auf Dauer UV-beständig, und auch die Reißverschlüsse zicken neuerdings manchmal rum. Einem tagelang niederrauschenden Dauerregen dürfte die gute alte Haut nicht mehr überall standhalten.
In Pärnu aber scheint die Sonne. Ein paar letzte, tief gestaffelt am Skandinavienhimmel dahinsegelnde Wölkchen lösen sich bald in reines Wohlgefallen auf. Vor dem breiten, feinsandigen Strand gluckst ein wenig nachsaisonhaft die Ostsee. Sehr gemächlich fließt auch der Pärnu-Jogi der Pernauer Bucht zu. Die alten Stadtteile liegen auf einer Halbinsel zwischen Fluß und Meer. Wasser zu beiden Seiten. Das letzte erhaltene Tor in der ehemaligen Stadtumwallung stammt aus der Zeit, als große Teile des Baltikums zu Schweden gehörten. Entworfen hat es der “Vauban Schwedens”, Erik Dahlberg. Vom einfachen Buchhalter in Schwedisch-Pommern über eine Pionier- und Festungsbauerkarriere in der Armee (er war es, der im Januar 1658 den Schweden die Route über das Eis des Kleinen und des Großen Belts absteckte, auf der zur grenzenlosen Verblüffung des dänischen Feinds die komplette Armee geradewegs auf Kopenhagen marschierte) stieg er zum Feldmarschall auf, wurde geadelt und zum Generalgouverneur von Bremen-Verden ernannt, 1696 mit 70 Jahren Generalgouverneur von Livland. Aus Protest gegen die Kriegspläne Karls des Verrückten, den Voltaire so bewunderte, daß er seine Biographie verfaßte, bat Dahlberg 1702 um seine Entlassung und kehrte nach Schweden zurück.
Sehr martialisch wirkt das alte Tor von Pärnu mit seinem geschwungenen Giebelaufsatz nicht, eher wie das Torhaus eines holländischen Barockschlößchens. Und ein bißchen abseits liegt es inzwischen auch, denn für Autos ist sein Doppeltor viel zu eng, und so mußten der Fortschritt und die Stadtentwicklung einen Bogen darum machen.
Wir schlendern aus der Altstadt durchs Tor ins sogenannte Kurviertel. Es ist so grün, daß es mehr wie eine Fortsetzung des lichten Küstenwalds denn nach Wohngegend aussieht. Ist es nicht wieder die enge Verbundenheit der Baltenvölker mit dem Wald, die hier sichtbar wird? Andererseits waren es wohlhabende Russen, die Pärnu seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Sommerfrische entdeckten, zum Kurort ausbauten und ihre Sommervillen zwischen die hohen Kiefern bauten. (Heute stehen einige von ihnen, frisch renoviert, für je eine Viertelmillion Euro zum Verkauf.) In den ausgedehnten Parks und Gärten, die bis unmittelbar an den breiten Strand heranreichen, ragen auch viele alte Kastanien und Eichen mit breiten Kronen in den blauen Himmel. Spontan beschließen wir, den ganzen Tag hier zu verbringen und die Seele heute bis in diesen Himmel baumeln zu lassen.
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