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Dienstag, 8. September 2009
Ankunft in einem noch fremden System
Nach langsamer Fahrt durch die Nacht - steuerbord blinkte ein Leuchtturm in der Dunkelheit, an dem wir lange, lange nicht vorbei kamen, - liefen wir in den frühen Morgenstunden des 21. August in die weite Mündung der Düna ein. Das Land war flach, von niedrigem Uferwald bestanden. Ein leiser, kühler Morgenwind riffelte dem Fluß eine Gänsehaut. Wieder ein Leuchtturm zur Rechten. Weiter landeinwärts stachen die Nadeln von Masten und Kränen aus dem schwach geröteten Morgenlicht. Eine Militäranlage, Flottenbasis, ein paar große Öltanks, Lagerhäuser, Industrieanlagen, aber von der eigentlichen Stadt nichts zu sehen. Hinter wie vielen Flußbiegungen mochte sie liegen? Doch schon rumorte die Maschine auf, die Schrauben quirlten das Wasser schaumig, wir drehten bei und manövrierten rückwärts an eine Pier. Unser Bote setzte uns im Irgendwo einer namenlosen, ziemlich trist bröckelnden Hafenanlage an Land. Rissiger Asphalt, darin mit braunem Wasser gefüllte Schlaglochpfützen, rostiges Eisen, grauer Beton, das Gelände abgeriegelt mit einem massiven Eisenzaun. Die ersten Autos rollten wie blinde Käfer aus dem Schiffsbauch und torkelten auf der Suche nach einer Ausfahrt unsicher über das Gelände. Dann formierte sich eine Schlange, wir reihten uns ein, Paßkontrolle. Wieso eigentlich, befinden wir uns nicht nach wie vor innerhalb der EU? Aber schon hat man sich der Autorität der Uniformen gefügt und zeigt seine Papiere vor. Der Schlagbaum geht hoch, wir rollen in ein unbekanntes Land, das vor nur zwanzig Jahren noch zur fast unerreichbaren Terra incognita des sowjetischen Imperiums gehörte.
Die Straße führt in eine gerade erwachende Arbeitervorstadt mit grauen Plattenbauten, im Erdgeschoß kleine Geschäfte, vor allem Apotheken, die alle Arten von drogas zu führen scheinen. “Ja, ja”, nickt Miss Serbien auf dem Beifahrersitz, “das war bei uns genauso, als wir zum Kapitalismus konvertierten. Als erstes schossen Apotheken aus dem Boden, weil man mit Markenmedikamenten und -präparaten aus dem Westen einen Riesenreibach machen konnte.”
Verschlafen guckende Menschen stehen in kleinen Gruppen schweigend an Haltestellen und warten auf den Bus, der sie zur Arbeit in die Stadt bringt. Es sind O-Busse, “die Pest des öffentlichen Nahverkehrs”, wie es lapidar vom Nebensitz heißt, weil sie mit ihren Ausfällen und Kurzschlüssen zumindest in Belgrad immer wieder das ganze Verkehrssystem zum Erliegen bringen sollen. Tatsächlich bildet sich auch hier an einer einspurig verengten Stelle ein Stau, weil ein Bus traurig die langen Fühler seiner Stromabnehmer hängen läßt. Ansonsten ist die Fahrt durch den Berufsverkehr - trotz sparsamer Beschilderung - nicht schwierig; es wird ruhig und zivilisiert, ja, rücksichtsvoll gefahren. Wir kommen auch ohne Stadtplan oder Navigations-Else in die Innenstadt und gleich wieder hinaus, denn wir wollen erst einmal außerhalb in einem Badeort an der Bucht unser Zelt aufschlagen.

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