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Sonntag, 15. Juni 2008
Raschids Vaters
Der Eingang führte durch einen kurzen gewinkelten Gang ohne Tür. Fenster gab es nicht, aber durch das Geflecht der silbrig grauen Palmwedel, die sich nach oben zu einem niedrigen Dach wölbten, fiel ein Netz filigraner Lichtbahnen. Auf dem Boden aus sauberem, weichem Sand lagen ein paar bunt gemusterte Webteppiche. Braucht man wirklich viel mehr Mobiliar?
“Nehmt Platz”, forderte uns Raschid auf. Zwei kleine Mädchen von vielleicht fünf Jahren steckten neugierig ihre Lockenköpfe herein. Dann erschien eine junge Frau mit einem Tablett, stellte es auf dem Boden ab und begrüßte uns mit einem leichten Händedruck. “Salaam alejkum.” “Meine Schwester”, erklärte Raschid, “bei uns Bedui tragen die Frauen keinen Schleier, und wir verstecken sie auch nicht vor Fremden.” Er nahm winzige Mokkatässchen und schenkte uns ein. Dann hob er den Deckel von einer Schale. “Kaffee und Datteln, die traditionellen Symbole unserer Gastfreundschaft. Bitte, bedient euch!” Der Kaffee war mit Kardamom gewürzt, die Datteln zergingen im Mund. “Solche, wie sie in Europa verkauft werden, würden wir niemals essen”, bemerkte er stolz.
“Warst du schon in Europa?”
“Ja, mehrmals. Zuletzt in München. Es hat viel geregnet. Der Himmel war immer grau. - Entschuldigt mich einen Moment.” Draußen war noch ein Auto vorgefahren. Kurz darauf trat er in Begleitung einer blonden Frau wieder ein; Claudia, eine im Oman lebende Freundin der Familie aus Deutschland, stellte er vor. (Aus München, nahm ich an.) Draußen aber warte jetzt sein Vater mit den Kamelen auf uns.

Der Mann, der vor der Hütte stand, war fast zierlich schlank, sehr dunkel von der Sonne und von unbestimmbarem Alter. Nach einem genickten und gemurmelten Salaam und dem leichten Handschlag der Araber ging er schweigend vor uns her zu einer Gruppe von Kamelen, die bereits gesattelt im Sand lagen. Mit einer flüssigen Bewegung einem noch ein Führseil ums Maul geschlungen, aufgesessen, die Kamele ruckten erst hinten in die Höhe, dann auf die hohen Vorderbeine, und wir schritten schon, sanft im Passgang schwankend, in die Wüste hinaus. Kein widerwilliges Blöken und Brüllen genervt unwilliger Biester, kein Geschrei, kein Zerren an Ketten, die den Tieren mit Dornenpflöcken durch die Nasenwände getrieben waren, keine Tritte, keine Flüche - dieses sanfte Miteinander hier war mit der üblen Kameltreiberei am Rand der marokkanischen Sahara nicht zu vergleichen.
Der wiegend weiche Schritt der Tiere auch nicht. Ihre Schattenrisse auf dem roten Sand wurden von ellenlangen Beinen getragen. Die Sonne zu unserer Rechten stand inzwischen tief. Raschids Vater kniete vor uns auf seinem hellbraunen Leittier und gab mit nichts zu erkennen, ob er Englisch verstand. Ein leiser, kaum spürbarer und noch immer heißer Südwind bauschte sein weißes Gewand. Auch wir schwiegen lieber. Was gab es auch zu sagen? Sonne, Wärme, Wind, in alle Richtungen bis zum Horizont wellender Sand in Formen vollkommener Ästhetik; Ewigkeit. Stille.

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