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Dienstag, 14. Juli 2009
Schwedens Anakreon
Über Bellman ist längst alles herausgefunden und gesagt, was sich sagen läßt. Am kürzesten auf den Punkt gebracht vielleicht von Ernst Moritz Arndt in seinen Historischen Charakterschilderungen:
“Bellman ist einer der außerordentlichsten Menschen, die je gelebt haben. Er war ein ächter Improvisator, oder richtiger gesagt, ein ächter Inspirirter: keine Gelehrsamkeit, keine Vorbereitung, kein Verlangen zu glänzen. Er war gern in Trinkgesellschaften und frohen Kreisen, in denen er sich oft zu bacchantischen Freuden hinreißen ließ. Bei diesen Gelagen kam Apollo‘s heilige Verzückung über ihn, und fast alle seine Gesänge waren die Kinder solcher Augenblicke. Wenn ihn der Wein in poetische Stimmung versetzt hatte, suchte er sich zuerst die Melodie zu seinem Liede, trug dieselbe vor, indem er der verschiedenen Instrumente Klang mit Mund und Fingern nachmachte, und sang dazu, was die inspirierende Muse ihm eingab. So improvisierte er halbe Nächte.”
Doch weil er nie mit Geld umgehen konnte und auch die kleine Pension, die ihm der König schließlich aussetzte, nie reichte, lebte er mit seiner siebzehn Jahre jüngeren Frau und vier Kindern zeitlebens in bescheidenen bis ärmlichen Verhältnissen. Schon tuberkulosekrank mußte er 1794 für Monate ins Schuldgefängnis. Von dort schrieb er unter dem Absender “Königliches Schloß” einen langen Brief an einen Doktor Blad, der auch eine kurze und launige autobiografische Skizze enthält: “Man wird mir zugestehen, daß ich ein Herr von sehr wenig Tiefsinnigkeit bin... daß ich keinem Wesen in der Natur übel will, daß ich unendlich einen edlen Mann, aber mit unauslöschlichen Flammen die Frauen und kleine, artige Kinder liebe, daß ich mit Appetit esse, wenig, aber gut: Sonntags Kohl, Donnerstags Erbsen und Samstags Hering.”

Beigelegt war auch diese Zeichnung mit den Versen
An Bruder Elfman den 1. Mai 1794
Erster Mai – so seh ich aus,
als spukte ich im Haus,
doch bevor ins Grab ich fahr,
rauche ich noch dieses Jahr.
Das schaffte er gerade noch. Am 11. Februar 1795 starb er eine Woche nach seinem 55. Geburtstag.


Das Beste, um dem Improvisationsgenie Bellman näher zu kommen, ist natürlich immer noch, seine Texte und seine Musik zu hören. Glücklicherweise sind beide überliefert. Noten zu drucken, wurde in Schweden erst gegen Ende seines Lebens möglich. Als der geschäftstüchtige Komponist Olof Åhlström um 1790 die erste Notendruckerei des Landes gründete und den bereits schwindsüchtigen Bellman aufsuchte, um die Melodien seiner Lieder aufzuzeichnen, wurde dieser noch einmal von einem Kreativitätsschub mitgerissen und schrieb einige seiner schönsten Episteln: Haga oder die 82. Epistel Hvila vid denna källa, eine zunächst ganz unbeschwerte Rokokoschäferei, aus deren Hintergrund zum Ende der Tod hervortritt: “Endlich in all dem Grünen / hörst du meinen letzten Abschied tönen...”

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Sonntag, 12. Juli 2009
Unsterblicher Bellman
Beim verdaulichen Weiterschlendern nach einem veritablen Stück Prinzessinnentorte entdecke ich im Schaufenster eines Antiquariats eine kleine Typologie der Mauerankerformen in der Altstadt. Sie änderten sich mit dem Zeitgeschmack von Generation zu Generation und erlauben gleich auf den ersten Blick eine Altersbestimmung der Häuser. Die Entwicklung verlief von schnörkeligen Barockschleifen zu ganz schlichten Haken der Aufklärung.
Ein solcher Haken in der Aufklärung ist noch immer jedem Schweden bekannt. Wenn man von der Deutschen Kirche durch die Straße der schwarzen Männer kommend auf die Österlånggata trifft und noch ein paar Schritte Richtung Süden geht, steht man vor einem alten ockergelben Haus mit großen, grau gerahmten Fenstern und einem schmiedeeisernen Wirtshausschild: Gyldene Freden. Seit 1722 ließ sich im “Goldenen Frieden” die Stockholmer Künstlerbohème vollaufen. Dadurch geadelt, ist es heute ein vornehmes Restaurant, in dem einmal in der Woche die Mitglieder der Schwedischen Akademie tafeln, in einem Salon, der nach einem Stammkunden des 18. Jahrhunderts benannt ist: Carl Michael Bellman. Seine Lieder und Episteln, 1790/91 drei Jahre vor seinem Tuberkulosetod erstmals gedruckt, sind seitdem nicht tot zu kriegen. Kaum eine schwedische Sängergeneration, die sich an diesen Liedern über Liebe, Suff und Tod nicht versucht hätte. Im 19. Jahrhundert wurden sie erst einmal chemisch gereinigt und schöngesungen wie noch nach dem Zweiten Weltkrieg von dem dänischen Tenor Axel Schiøtz. Dann kamen Sven-Bertil Taube und nach ihm die Liedermacher der 68er-Bewegung: Fred Åkerström und Cornelis Vreeswijk, die einen sehr viel erdnäheren Bellman wieder zum Leben erweckten. Anfang dieses Jahres legte der Schauspieler und Sänger Mikael Samuelson eine komplett neue, laute, rauhe bis rinnsteindreckige Interpretation vor, die zeigt, wie lebendig die Musik Bellmans heute noch sein kann.
Leider habe ich noch keinen Youtube-Clip o.ä. dieser tollen Einspielung gefunden (bei iTunes ist die CD Movitz jedoch zu hören/bekommen); hier aber wenigstens der Text der ersten drei Strophen der 30. Epistel in der recht freien, aber singbaren Übersetzung von H.C. Artmann und Michael Korth:

Trink aus dein Glas, der Tod schon wartet deiner.
Er schleift sein Schwert, will dir ans Leben gar.
Sorg dich nicht! Denk, nur an der Tür erscheint er
Und wartet dort, vielleicht noch ein, zwei Jahr.
Movitz, die Schwindsucht, die bringt dich zu Grabe.
|Zupf die Oktave,
Stimm deine Saiten, sing wie schön es einst war.||

Gelb dein Gesicht, im Fieber deine Wangen,
Gedrückte Brust und plattes Schulterblatt.
Laß sehn die Hand! Die Adern blaue Schlangen,
Feucht und geschwollen jede wie im Bad;
Schweißig die Hand, deine Adern, sie schwellen.
|Spiel Villanellen,
leer deine Flasche, sing und sei nicht fad!||

Himmel, du stirbst, dein Husten macht mir Sorgen.
Trocken dringt er aus deiner Brust so laut.
Weiß ist die Zung, dein Herz so bang verborgen;
Weich wie ein Schwamm sind Sehnen, Mark und Haut.
Atme! - Bäh, welch ein Dunst aus deiner Asche.
|Leih mir die Flasche!
Auf die Gesundheit! - Wer sich jetzt noch traut.||

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Freitag, 10. Juli 2009
Gamla stan
Noch viel mehr Touristen sind jenseits der Brücke auf der Altstadtinsel unterwegs. Durch die Västerlånggata schieben sie sich vom Reichstag bis Järntorget oder Slussen an der Spitze der Insel und, oft Ellbogen an Ellbogen, durch die Österlånggata wieder zurück zu dem häßlich flußschlammbraunen Schloß, das wie eine überdimensionierte Kaaba die Hauptzugänge zur Altstadt und von den umliegenden Ufern aus auch ihre Ansicht dominiert. Mit den gleichförmigen und schier nicht enden wollenden Fassaden seiner vier Flügel auf massigen Quadersockeln beansprucht dieser Monolith eine Ausdehnung für sich, die im Kontrast zu den direkt anschließenden engen Gassen der Altstadt einen geradezu brutalen Machtgestus darstellt. Hier hat jemand von Absolutismus durchdrungen richtig die Ellbogen ausgefahren und die Bürger seiner Stadt auf noch engeren Raum zusammengeschoben.
In den schmalsten Gassen zwischen den hohen alten Pack- und Wohnhäusern muß dagegen selbst ein einzelner Passant noch die Ellbogen anlegen. An manchen Häusern sind die Innenseiten der Schlagläden verspiegelt, damit man sie jeweils so weit öffnen kann, daß sie ein paar Sonnenstrahlen in der Gasse einfangen und ins Innere der Räume reflektieren.
Die älteste namentlich bekannte ist die Straße der Kaufleute, Köpmangatan, die vom Großmarkt (Stortorget) zum Osttor in der ehemaligen Stadtmauer und dem davor liegenden Schiffslandeplatz hinabführte. Wie in Lübeck die Gruben ziehen sich auch in Gamla stan viele schmale Gäßchen vom erhöhten Rücken im Zentrum beiderseits zum Wasser hinab. Der Vergleich mit Lübeck ist nicht zufällig. Die Hansestadt war schon Mitte des 13. Jahrhunderts die erste, die mit Stockholm ein Handelsabkommen schloß. Lübische Kaufleute bekamen nicht nur ihre eigene Gildehalle, aus der später die deutsche Kirche erwuchs, sie beteiligten sich in so großer Zahl und mit solchem Einfluß am Stadtregiment, daß eigens gesetzlich festgelegt werden mußte, daß sie im Rat der Stadt höchstens die Hälfte aller Sitze einnehmen durften. Die 1612 gegründete deutsche Schule besteht bis heute.
Nach 1490 ließ Reichsverweser Sten Sture d.Ä. Bernt Notke, den besten und berühmtesten Maler Lübecks und des gesamten Ostseeraums, nach Stockholm kommen. Er hatte zuvor die Lübecker Marienkirche mit dem berühmten Totentanz ausgemalt, den Flügelaltar des Doms in Aarhus und das Retabel der Heiliggeistkirche in Reval (Tallin) geschnitzt. In Stockholm fertigte er zu Ehren von Sten Stures Sieg über ein Unionsheer unter König Christian I. am 10.10.1471 auf dem Brunkeberg vor Stockholms Toren die monumentale Holzskulptur “St. Georg und der Drache” an, die symbolisiert, wie Sten Sture in Gestalt des Heiligen den bösen dänischen Drachen niederreitet.

Das Original steht in der Storkyrka, ein Bronzeabguß auf dem Köpmantorget. Draußen in den Straßenschluchten wechseln tiefe Schlagschatten ohne Übergang mit grell blendenen Sonnenbahnen. Seitdem man im 18. Jahrhundert beschloß, die Häuser zu verputzen und in toskanischen Terrakottafarben zu streichen, scheint auch bei bewölktem Himmel immer ein warmer sonniger Ton von den Fassaden auszustrahlen. Dazu paßt es gut, daß auch Stockholmer Cafés seit Jahren in südländischer Manier sommers Tische und Stühle nach draußen stellen, wo immer sich ein wenig Raum dazu bietet. Auf Järntorget zum Beispiel, wo seit 1785 Sundbergs Konditori Kaffee ausschenkt. Und zwar immer noch nach der alten gastfreundlichen Manier, derzufolge man für die erste Tasse zahlt und anschließend nachfüllen darf, bis der Magen in die Knie geht. (Schweden wissen natürlich, daß es als unhöflich und vulgär gierig gilt, mehr als zweimal nachzuschenken.) Teile der ursprünglichen Rokokoeinrichtung im Café scheinen bis auf den heutigen Tag überdauert zu haben. Die Kuchenvitrine sieht selbst aus wie eine mehrstöckige Torte. Und was sich darin alles zum Verschlemmen anbietet... Ich sage nur Prinsesstårta! Leicht nussige Sahnecrème umhüllt von einem zarten Mantel aus grünem, puderzuckerüberstäubtem Pistazienmarzipan. -

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Dienstag, 7. Juli 2009
Stockholm, Riddarholmen
Wichtigste Stadt des Landes ist Stockholm natürlich heute noch; also auf zum Rundgang! Selbstverständlich beginnt er auf Riddarholmen, der ältesten Keimzelle der Stadt. Im 9. Jahrhundert lag hier eine winzige Ansammlung von Fischerhütten namens Agnefit.
Fit ist ein gemeinnordisches Wort, das sumpfiges Wiesengelände, ein Bruch, bezeichnet, und Agne war nach Snorri Sturlusons euhemeristischem Königsbuch Heimskringla ein sagenhafter schwedischer König aus der auf Odin zurückgehenden Dynastie der Ynglinge. Er war ein Sohn des Königs Dag, der die Sprache der Vögel verstand und wegen eines getöteten Sperlings einen Kriegszug gegen die Insel Gotland führte, auf dem er durch eine geschleuderte Heugabel vom Pferd geholt wurde und zu Tode kam. Sohn und Nachfolger Agne zog stattdessen gegen die Finnen und brachte als Kriegsbeute die Tochter ihres geschlagenen Anführers mit zurück nach Schweden, wo er das Mädchen Skjalf wohl gewaltsam zu seiner Frau machte. Nach einer Weile bat sie ihn, ein Gastmahl zum Gedenken an ihren toten Vater zu halten und dabei den goldenen Halsring seiner Familie zu tragen. Als Agne betrunken eingeschlafen war, knotete Skjalf ein starkes Seil an den Halsring, warf es über einen Ast und ließ ihren Mann daran von ihren Leuten in die Höhe ziehen, bis er ausgebaumelt hatte. Um seinen Grabhügel in Agnes Fit entstand später die gleichnamige Siedlung.
Etwa zwanzig Jahre nach der Gründung einer Stadt auf dem einen Katzensprung entfernt liegenden Stockholm schenkte König Magnus Ladulås (=Scheunenschloß) das kleine Inselchen 1270 dem Franziskanerorden, der dort bis zur Reformation 1527 ein Kloster unterhielt. Nach der Austreibung der Mönche bewohnten erst ein paar kleinere Staatsbeamte den Holm, ehe die kriegsgewinnlerischen Hochadelsfamilien der aufstrebenden Großmacht Schweden ihn im Dreißigjährigen Krieg als idealen Standort für ihre Stadtpalais ganz in bequemer Nähe zum königlichen Schloß requirierten.
Stenbockska palatset, erbaut 1640, Architekt: Nicodemus Tessin d.Ä. Ein Dutzend barocker bis klassizistischer Adelspaläste, jeweils von den Stararchitekten ihrer Epoche entworfen, umsteht die seit dem Tod Gustavs II. Adolf 1632 zur Grablege der schwedischen Könige bestimmte Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters. In ihnen residierten die Oxenstierna, Stenbocks, Bondes, Banérs, Sparres und Wrangels, wenn sie sich in der Hauptstadt aufhielten. “Von allen vierzehn Holmen Stockholms haßten die Arbeiter Riddarholmen wohl am meisten”, schrieb Schwedens bester Arbeiterschriftsteller Ivar Lo-Johansson 1954 in seinem autobiographischen Buch Stockholmaren. “Da lagen die Paläste des alten Dienstadels, die später von den Ämtern benutzt wurden, von den Bürokraten, und da stand die Riddarholmskyrka mit ihren toten Königen, in der der Adel glorifiziert wurde.” - Und einer, der sich sowohl den Arbeitern wie dem Adel zurechnete, kam auf Riddarholmen zur Welt: August Strindberg. Sein Vater arbeitete dort als Frachtkommissionär für die Dampfboote auf dem Mälarsee. Heute soll auf dem Holm nur noch 1 Mensch wohnen, ein pensionierter Beamter, dessen ehemalige Dienstwohnung nach seinem Tod anderweitig genutzt werden soll. Vor allem der phantastischen Aussicht hinüber zum Stockholmer Stadthaus und über den Mälarsee wegen kommen allerdings täglich Hunderte Touristen auf den Riddarholm. Die Uferterrasse, an der noch immer die Ausflugsdampfer nach Mariefred und anderen Mälarorten anlegen, ist zwar ein wenig dem Wind ausgesetzt, aber gerade daher kann man hier - im Zentrum einer Millionenmetropole - einige der wesentlichen Qualitäten des Nordens erleben: sauberes Wasser, klare Luft und einen unvergleichlich weiten Himmel.

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Montag, 6. Juli 2009
Aus dem Meer gehoben. Stockholms Anfänge
Als die letzte Eiszeit allmählich zu Ende ging, vor 12000 Jahren etwa, lag das Gebiet des heutigen Stockholm noch gut 150 Meter unter dem Meeresspiegel. Vom Druck des Eises befreit, begann sich die skandinavische Halbinsel zu heben. Sie tut es noch heute; in der Stockholmer Gegend um fast 4 Millimeter pro Jahr, also gut sichtbare 40 Zentimeter in einem Jahrhundert.
Die ältesten Fundstücke von Menschen in der Region sind 8000 Jahre alt und fanden sich südlich der heutigen Stadt an einem ehemaligen Uferstreifen, der jetzt in einer Höhe von 60 Metern über dem Meer liegt. Etwa 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung tauchten in dem breiten Durchlaß von der Ostsee in die Bucht des heutigen Mälarsees die ersten Granitfelsbuckel aus dem Meer auf. Mit zunehmender Höhe und Größe wirkten sie wie Wellenbrecher, und an den Rändern der so geschützten großen Mälarbucht dahinter entstanden während der Bronzezeit etliche Seehundjäger- und Fischersiedlungen, die begannen, untereinander und über das Wasser entlang der Küste auch mit anderen Regionen Handel zu treiben. In der anschließenden Eisen- und Wikingerzeit wuchs auf einer der jungen Inseln im Mälarsee eine von den Königen der Svear gegründete stadtähnliche Handelssiedlung fast von den Ausmaßen Haithabus heran. Nach Birka brachten Fernhändler Luxuswaren für den Königshof auf der Nachbarinsel Adelsö selbst aus den muslimisch-arabischen Ländern am Südrand des Schwarzen Meeres: kostbares Glas, Seide, Gewürze, geprägte Silbermünzen, und tauschten sie gegen Eisen, Pelze und Bernstein. Ende des 10. Jahrhunderts wurde dieser blühende Handelsort plötzlich aufgegeben. Ein Grund dafür könnte gewesen sein, daß sich der nach Süden gerichtete Zufahrtsweg beim heutigen Södertälje durch weitere Landhebung damals schloß.
Nachfolger Birkas wurde Schwedens erste Hauptstadt: Sigtuna am Nordufer der Mälarbucht. Die fortschreitende Landhebung verengte die Zufahrten in die Bucht, die allmählich zum Mälarsee wurde, immer weiter, und die Schären und Holme in den noch verbliebenen wenigen Zufahrten wurden als Kontrollpunkte der Handelsschiffahrt strategisch interessant.
Ungefähr um die gleiche Zeit als König Erik der Siegreiche Svealand und Götaland unter seiner Herrschaft zu Schweden vereinte und als Hauptstadt des neuen Reiches Sigtuna gründete (980), wurde in dem Durchfluß zwischen der heutigen Altstadtinsel Stockholms und Norrmalm eine Palisadensperre errichtet. Die Durchfahrt, mit einem Kastell gesichert und 1219 von dem isländischen Historiker Snorri Sturluson besucht, erhielt danach den Namen Stocksund. Das Kastell wurde erweitert, vor seinen Mauern entstand eine Handelssiedlung. Im Sommer 1252 siegelte Schwedens Regent, Birger Magnusson, Jarl von Östergötland, zwei Briefe in Stockholm, die als Gründungsdokumente der Stadt gelten. Noch im gleichen Jahr schloß sie einen Handelsvertrag mit den Hansekaufleuten Lübecks, und keine fünfzig Jahre später war Birger Jarls Gründung bereits die wichtigste Stadt des Landes.

Birger Jarls Statue auf Riddarholmen mit Blick zur Altstadt

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Dienstag, 30. Juni 2009

Der Blick von Södermalm


"Über Liljeholm stand die Sonne und warf ganze Strahlenbündel ostwärts. Sie durchdrangen die Rauchsäulen von Bergsund, eilten über den Riddarfjord, kletterten zum Kreuz der Riddarholm-Kirche hinauf, warfen sich auf das steile Dach der Tyska-Kirche, spielten mit den Wimpeln der Schiffe im Skeppsbro, blinkten auf in den Fenstern des großen Zollhauses, beleuchteten die Wälder von Lidingö und erstarben in einer rosenfarbenen Wolke, weit, weit in der Ferne, wo das Meer liegt. Und von dort kam der Wind...
Er wandte sich dem Wind zu, knöpfte den Überzieher auf und atmete ein paarmal tief; das schien ihm Brustkorb und Herz zu erleichtern. Dann begann er an dem Geländer, das den Park von dem steilen Abhang zur See trennte, hin und her zu gehen. Weit unten lärmte die erwachende Stadt: die Dampfkräne im Stadsgårdhafen kreisten, die Eisenstangen auf der Eisenwaage rasselten, die Pfeifen der Schleusenwärter pfiffen, die Dampfer im Skeppsbro stießen Dampf aus, die Omnibusse polterten über das Kopfsteinpflaster des abschüssigen Schloßplatzes... all das machte den Eindruck von Leben und Geschäftigkeit und schien die Energie des jungen Mannes zu wecken; sein Gesicht drückte jetzt Trotz, Lebenslust und Entschlossenheit aus, und als er sich über das Geländer beugte und auf die Stadt hinabblickte, war es, als betrachte er einen Feind."

(August Strindberg: Das rote Zimmer, 1879)

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Sonntag, 28. Juni 2009
Oslo oder Stockholm?
Okej, man ska ej generalisera
Ja, säga jämt att folk är så och så
Men aktare’ va’ fint det är i Oslo
Det Oslo som jag känt i sex, sju år.

So sang der schwedische Troubadour und Bellman-Interpret Fred Åkerström 1973:

“Okay, man soll nicht verallgemeinern; sagen, Menschen seien so oder so. Aber guck mal, wie schön es in Oslo ist, in dem Oslo, das ich seit sechs, sieben Jahren kenne.” Man würde dort merken, sang er weiter, daß Oslo nun sei wie Stockholm, als er noch ein kleiner Knirps war. “Ja, noch gibt es eine Freude in Oslo, wie es sie in Stockholm nie mehr geben wird, denn Stockholm hat der Schlachter das Messer in die Kehle gestochen, meiner feinen, alten Kindheitsstadt.”

Anschließend räumte er allerdings ein, daß der Vergleich so einseitig auch nicht stimmt: “Men klart att det finns taskigt folk i Oslo... - Klar, es gibt auch fiese Typen in Oslo, die mit dem Geld verdienen, was andere produzieren. Aber so‘n Scheiß gibt‘s auch in Stockholm, in Bonn und Brüssel, London und New York.”
Ja, das gibt‘s überall und die freundliche Liebeserklärung an Oslo in allen Ehren, aber der Vergleich fällt schon im Lied in sich zusammen und in der Wirklichkeit erst recht. Oslo müßte wohl noch ein paar Jahrhunderte bauen, um den städtebaulichen Substanzvorsprung Stockholms einholen zu können.
Gemeinsam haben beide den überhaupt nicht hoch genug einzuschätzenden Standortvorteil der Lage am Wasser. Oslo den Fjord, der an der fast venezianisch repräsentativen Terrasse zu Füßen des Stadthauses endet, die idyllische Insel Bygdøy draußen vor dem Ufer und seit dem Bau von Aker brygge das Bemühen, den Fjord mehr in das städtische Leben einzubeziehen (ein Bemühen, dem ja auch das neue Opernhaus entspricht). Aber Stockholm ist auf eine Weise vom Wasser durchdrungen, geprägt und belebt wie keine zweite Stadt nördlich der Alpen. Die folgende anklickbare Bildergalerie soll das verdeutlichen.
Volvo Ocean Race '09 Konsthögskolan Söderberg

Stadshuset

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Freitag, 16. Januar 2009
Ales stenar
Noch einmal zu Ales stenar. Ich stehe wie viele mehr als skeptisch zu Bob Linds “archäoastronomischen” Berechnungen, die diese nach den Umrissen eines Schiffes geformte Steinsetzung als einen Sonnenkalender der Bronzezeit auffassen wollen. Mit einer (von Lind selbst in Auftrag gegebenen) Ausnahme weisen die bisherigen sieben C-14-bestimmten Bodenproben alle auf eine Errichtungszeit um 600 u.Z. Schon damit steht Linds Bronzezeittheorie auf weniger als wackligen Füßen. Außerdem trifft natürlich der Generaleinwand zu, daß im Prinzip jedem Stein oder Gegenstand, der an einem Punkt über den Horizont ragt, wo die Sonne auf- oder untergeht, Kalenderfunktion zugesprochen werden kann. Andererseits räumen selbst die schärfsten Kritiker ein, daß eine so große Anlage wie diese wohl kaum ohne irgendeine Art von Absicht und Plan errichtet worden ist.



Ales Steine sind immerhin heute noch 59 an der Zahl (einige mögen im Lauf der Zeiten zerbrochen oder abtransportiert worden sein), mit einem Gewicht einzelner Steine von bis zu 1,8 Tonnen. Diese wurden, mit jeweils den größten Steinen an den Spitzen, in regelmäßigen Abständen in Form einer 67 Meter langen und spitz zulaufenden linsenförmigen Ellipse in Südost-Nordwest-Ausrichtung auf dem Plateau über einem heute 38 Meter hohen Steilufer so aufgestellt, daß die beiden Stevensteine exakt Sonnenauf- und -untergang am längsten und am kürzesten Tag jedes Jahres anpeilen.



Ich vermag nicht zu glauben, daß eine solche Ausrichtung absichtslos oder zufällig zustande gekommen ist. Außerdem ließen sich vom gleichen Beobachtungspunkt im Zentrum des Schiffs über andere Steine das Erreichen der Frühjahrs- und Herbsttagundnachtgleichen bestimmen (und noch viele andere kalendarische Ereignisse; doch werden Linds Behauptungen in dieser Richtung zunehmend haltloser und gar widerlegbar). Die Skeptiker wenden überdies zurecht ein, daß sich die grundlegendsten Beobachtungen auch mit viel weniger aufwendigen Mitteln wie etwa einem bloß mannshohen Stock machen lassen. Für landwirtschaftliche Zwecke wie meinetwegen die Festlegung bestimmter, für die Aussaat günstiger Tage haben derart simple und von jedermann herstellbare “Sonnenkalender” allemal genügt. Eine so große Steinanlage wie die von Ales stenar, deren Bestandteile eigens von anderswo herbeitransportiert wurden, dürfte also eine profundere Bedeutung besessen haben, die über ihre anderen Funktionen als Grabmal oder bloße Landmarke hinausreicht. Mit ihrer Hilfe ließ sich - womöglich unter pompösen Zeremonien einer Priesterschaft - sinnfällig vor Augen führen und beweisen, daß es regelmäßig Wiederkehrendes im Universum gab, daß der Mensch diese Regeln und Gesetze erkennen und mit ihrer Hilfe bestimmte Konstellationen selbst am Himmel vorhersagen konnte. In solchen Momenten stimmte das Wissen des Menschen mit dem Wissen des Numinosen, Himmlischen überein. Er befand sich im Einklang mit dem Höchsten. Darum ist die Beobachtung der Gestirne bei allen alten Völkern von Beginn an (Nebra!) eine so wichtige Aufgabe. Darum die unsägliche Mühe, so gewaltige Anlagen bis zum Ausmaß von Stonehenge aufzurichten.

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Donnerstag, 15. Januar 2009
Kontrastprogramm



Ystad, Pizzeria, 1.1.2009. New Year Blues. Wallander im Ruhestand.

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Mittwoch, 14. Januar 2009
Frischer Tag, neues Jahr, klar.
Der 1. Tag des neuen Jahres löste dann die letzten Frostnebel des vergangenen vollständig auf, und die Sonne ging strahlend über Ylvas Haus, der bereiften schonischen Ebene und der weithin sichtbaren Schiffssetzung und Landmarke der Ales stenar auf hohem Ufer über der Ostsee auf.



Strandspaziergang im weißen Sand von Sandhammaren, dann die lichten Kiefernhaine entlang der Küste nach Ystad. Die Herzogin von Despotovo begann jämmerlich zu frieren, aber der Wind war auch selbst in den Straßen zwischen den behaglichen Fachwerk- und Backsteinhäusern noch eisekalt. Kein Café, nichts geöffnet an diesem Neujahrstag, bis auf eine Videothek und später eine Pizzeria. - Es war schón kalt. Dafür knisterte später bei Ylva im Ofen ein gemütliches Feuer.

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