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Freitag, 14. August 2009
Wo man das Mittelalter lebendig erhält: Visby

Die Läden werden geschlossen, die Spektakel der Mittelalterwoche in den Mauern der mittelalterlichen Altstadt sind für dieses Jahr auch schon wieder vorüber. Bleibt zum Abschied noch ein Abendspaziergang durch das bilderbuchschöne Visby und dann für diesmal leise:
“Adjö Sverige!”









Hier noch ein paar Eindrücke von dem entspannten, fröhlichen Gaukelspiel auf den Wiesen beiderseits der über 700 Jahre alten Ringmauer (unter "creative commons"-Copyright der Flickrseite von Jon Åslund entnommen)


Medeltidsveckan, Visby '09
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© Jon Åslund


Medeltidsveckan, Visby '09
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© Jon Åslund


Medeltidsveckan, Visby '09
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© Jon Åslund

"Es war August und Vollmond, der Nebel senkte sich über den Sumpf von Dämba.
Die alten Häuser und die Mühle leuchteten."

(Ingmar Bergman: Laterna Magica

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Dienstag, 11. August 2009
Herbe Schönheit Fårö
Im Hinblick auf Fårö kann ich Bergman nur recht geben. Die Insel ist eine etwas herbe, manchmal auch rauhe Schönheit, die auch auf mich großen Reiz ausübt. Hier noch ein paar Aufnahmen:




Manche Ansichten lassen an Tarkowski zurückdenken, der hier 1985, ein Jahr vor seinem Tod, mit Bergmans Kameramann Sven Nykvist Offret drehte, “Das Opfer”.


Grasnelken

Karg und düster dürfte das Leben auf diesem armen Kalkboden früher oft gewesen sein. Heute haben sich anscheinend etliche Künstler, Aussteiger und Lebenskünstler auf Fårö niedergelassen, die die alten Häuser und Höfe oft bewohnbar gemacht haben, ohne die Spuren von bröckelndem Verfall restlos zu übertünchen. Bewohnte Geschichte, die zur Landschaft paßt und ihren Reizen einen weiteren hinzufügt.




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Sonntag, 9. August 2009
Die Schafsinsel: Fårö
Wer sich auskennt, dürfte in meinem letzten Eintrag eine leichte Ungenauigkeit festgestellt haben. Genau genommen ist da nämlich nicht mehr von Gotland die Rede, sondern von einer ihm nördlich vorgelagerten kleinen Insel: Fårö. Auf ihr ließ sich Bergmann Mitte der Sechziger Jahre sein abgeschottetes Refugium bauen. Die Geschichte dazu kann keiner besser erzählen als er selbst.
"1960 sollte ich einen Film mit dem Titel Wie in einem Spiegel machen. Er handelte von vier Menschen auf einer Insel. Im ersten Bild tauchen sie aus einem Meer in der Dämmerung auf, einem Meer mit starker Dünung. Ohne je dagewesen zu sein, wollte ich die Außenaufnahmen auf die Orkney-Inseln verlegen. Die Produktionsleitung rang angesichts der Kosten die Hände und stellte mir einen Hubschrauber zur Verfügung, damit ich schnell die schwedische Küste erforschen konnte. Ich sah sie mir an und kehrte noch entschlossener zurück, die Dreharbeiten auf den Orkney-Inseln zu machen. Eine nahezu verzweifelte Geschäftsleitung erwähnte Fårö. Fårö solle wie die Orkney-Inseln sein. Aber billiger. Praktischer. Erreichbarer.
Um allen Diskussionen ein Ende zu machen, reisten wir an einem stürmischen Apriltag nach Gotland, um in aller Hast Fårö anzusehen und uns dann definitiv für die Orkney-Inseln zu entscheiden. Ein klappriges Taxi nahm uns von Visby aus auf eine Fahrt durch Regen und Schnee zum Fähranleger mit. Nach starkem Seegang landeten wir auf Fårö. Wir ratterten auf glatten und gewundenen Wegen an der Küste entlang.
Im Film kommt ein an Land getriebenes Wrack vor. Wir bogen um eine felsige Ecke. Dort lag das Wrack, ein russischer Lachskutter, genau wie ich ihn beschrieben hatte. Das alte Haus sollte in einem kleinen Garten mit uralten Apfelbäumen stehen. Wir fanden den Garten. Das Haus konnten wir bauen. Es sollte dort einen steinigen Strand geben, und wir fanden einen steinigen Strand, der sich bis in die Ewigkeit erstreckte.
Das Taxi brachte uns schließlich zu den Raukar-Steinen auf der Nordseite der Insel. Wir stemmten uns gegen den Sturm und starrten diese geheimnisvollen Götterbilder an, die ihre schweren Stirnen gegen die Brandung heben, und den sich verdunkelnden Horizont, bis uns die Tränen kamen.
Eigentlich weiß ich gar nicht, was geschah. Wenn man es feierlich ausdrücken will, kann man sagen, daß ich meine Landschaft gefunden hatte, mein wirkliches Zuhause.”

(Ingmar Bergman: Laterna Magica)

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Freitag, 7. August 2009
Bergmans Insel
”Ich überredete Victor Sjöström, in Wilde Erdbeeren die Hauptrolle zu übernehmen... Victor war erschöpft und kränkelte; seine Arbeit sollte durch etliche Rücksichtnahmen unsererseits abgeschirmt werden. Unter anderem mußte ich ihm versprechen, daß er jeden Tag pünktlich um halb fünf zu seinem gewohnten Whisky-Soda zu Hause sein konnte.
Die Zusammenarbeit begann unglücklich. Victor war nervös und ich angespannt. Er übertrieb sein Spiel, und ich machte ihn darauf aufmerksam, daß er für die Galerie agierte. Er wurde sofort sauer und zog sich zurück.
Als die Mädchen ins Spiel kamen, besserte sich die Lage... Ich habe Bibi Andersson einmal in einem leicht ausgeschnittenen Kleid aus der Zeit der Jahrhundertwende unbemerkt und privat gefilmt. Sie sitzt auf einer abschüssigen Wiese und füttert Victor mit wilden Erdbeeren. Er schnappt nach ihren Fingern, und beide lachen. Die junge Frau ist offensichtlich geschmeichelt, der alte Löwe erkennbar entzückt...
Die Dreharbeiten gingen weiter, und eines Tages sollten wir die Schlußszene drehen... Wir hatten dafür eine Stelle auf dem Gelände der Filmstadt ausgewählt. Punkt fünf Uhr nachmittags strich das Sonnenlicht über das Gras hin und ließ den Wald dunkel erscheinen. Victor wurde wütend und boshaft. Er erinnerte mich an mein Versprechen: punkt halb fünf, nach Hause, Whisky. Ich flehte. Nichts half. Victor zog ab. Eine Viertelstunde später war er zurück: Wollen wir diese verfluchte Szene nicht drehen?
Unser Angebot, ihm hier einen Whisky zu servieren, lehnte er höhnisch ab. Als alles fertig war, kam er herangetrottet, auf den Regieassistenten gestützt, erschöpft von schlechter Laune. Die Kamera lief, und die Klappe fiel. Plötzlich öffnete sich sein Gesicht, seine Züge wurden weicher, er wurde still und sanft. Ein Augenblick der Gnade. Und die Kamera war da.”


Ich bin überrascht, wie gut Bergmann in seiner Autobiographie Laterna magica manchmal schreiben kann; sehr zupackend, direkt, oft ehrlich, auf den Punkt. Meist ist es gar nicht, was er schreibt, sondern viel mehr, wie er es schreibt, was mich bei der Stange hält. Ingmar Bergman, auch ein guter Short Story Autor. Hier sind wir in seinem Land, auf seiner Insel. 1960 wurde er von seiner Produktionsfirma gezwungen, sich die Insel als möglichen Drehort anzusehen. Der widerwillige Trip endete damit, daß er sich dort sein Haus baute. 2007 ist er darin gestorben. Bei Christie‘s Great Estates steht es zum Verkauf.

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Sonntag, 2. August 2009
Späte Erdbeeren
Natürlich ist man versucht. Wenn noch im Natur und Pflanzen weiß zudeckenden Winter die Supermärkte aus südlicher Wärme eingeflogene Erdbeeren anbieten, kann man nicht widerstehen und kauft eine Schale dieser rotroten Früchte. Vielleicht auch noch ein zweites Mal, um die Probe aufs Exempel zu machen; dann ist man kuriert. Erdbeeren sind Geschöpfe der im Frühling und Frühsommer stärker werdenden Sonne, deren warme Strahlen in ihnen nur mit der Zeit ganz allmählich das saftigsüße Aroma reifen läßt. Der Vorgang läßt sich beschleunigen, auf überheißen Beeten in der spanischen Estremadura oder im afrikanischen Sahel, in Gewächshäusern, durch Bestrahlung, Wärmezufuhr auch von unten, vielleicht chemisch, gentechnisch, was weiß ich. Aber dafür, daß der Landmann oder Händler früher Profit macht, bleibt eins auf der Strecke: der Geschmack. Holländische Erdbeeren schmecken wie holländische Tomaten.
Die Freude auf den Sommer im Mund und am Gaumen aber ist zu groß, man kauft diese Dinger doch, zwar nur zur natürlichen Erntezeit, aber die Erdbeeren schmecken nicht mehr so wie wir sie aus prägenden Kinderzeiten in Erinnerung haben. Sie sind im Lauf der Jahre fad geworden. Man gewöhnt sich auch daran, nimmt es als unumkehrbar hin, überstreut sie manchmal sogar mit Zucker, damit der ziehende Saft wenigstens eine ersatzweise Süße annimmt, und gibt sich am Ende der Täuschung hin, nimmt wider besseres Wissen ihre Wässrigkeit für Süße und Saft.
Eines Sommers fährt man nach Schweden. Kein sonderlich exotisches Land, die gleichen Fußgängerzonen wie bei uns, ein bißchen öder noch vielleicht, die gleichen Warenhausketten, einige auch bei uns sind ja schwedischer Herkunft, das gleiche Sortiment, auch an den Obstständen auf den Märkten alle gängigen Obst- und Gemüsesorten, die nahezu rund ums Jahr verfügbar gehalten werden. Irgendwann fällt mir ins Auge, daß die meisten Stände, fein säuberlich getrennt, “Erdbeeren” und “Schwedische Erdbeeren” feilbieten, letztere um ein Erhebliches teurer. Gängiger Marketinggag, denke ich. “Schützt unsere Arbeitsplätze, kauft einheimische Produkte!” Kennt man, die Masche. Trigema. Sogar die holländischen Obsthändler entblöden sich nicht, ihre Erdbeeren mit dem Zusatz “holländische” zu versehen, als ob das potentielle Käufer nicht vollends abschrecken würde. Aber in Holland hast du keine Wahl. Es gibt nur nederlandse aardbeien. Hier in Schweden ist das anders, du hast die Wahl, kannst billig Importware erstehen oder einen patriotischen Obulus entrichten. Etliche Schweden scheinen recht patriotisch gesinnt zu sein, ich beobachte, daß oft svenskar jordgubbar gekauft werden. Probieren wir doch mal, ob die vielleicht wirklich ein wenig blaugelb schmecken!
Wir kaufen ein Körbchen, setzen uns auf eine Bank und schieben skeptisch die erste schwedische Erdbeere in den Mund. Eine Sensation, eine Geschmacksexplosion am Gaumen. Die schmecken überhaupt nicht blaugelb, die schmecken tiefrot! Mit dem Saft breiten sich Aromen in deiner Mundhöhle aus, die du fast vergessen hattest, aber jetzt kehrt die Erinnerung schlagartig zurück. So haben Erdbeeren einst geschmeckt. So schmecken schwedische Erdbeeren in diesem schwedischen Sommer. So und nur so sollen Erdbeeren schmecken! Gebt mir mehr von diesen schwedischen Erdbeeren!


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Sonntag, 26. Juli 2009
Mickes biluthyrning
Gleich beim Hafen war uns eine höchstens saunagroße, in typisch schwedischem Ochsenblutrot gestrichene Holzhütte aufgefallen, weil sie unter dem überdimensionierten Firmenschild auf ihrem Dach fast hintenüber kippte:
MICKEs BILUTHYRNING

Mit “hürnen” etwa hat das nix zu tun, allenfalls mit Signalhörnern, die gemeinhin Hupe genannt werden, denn es handelte sich um einen sehr kleinen, sehr privaten Autoverleih gebrauchter Autos.
“Geniale Geschäftsidee”, sagte die Frau vom Balkan an meiner Seite, und wir mußten uns sogleich erkundigen. Die Preise waren in der Tat höchst wettbewerbsfähig, wie man so sagt, doch hegte ich stille Zweifel, ob die dafür zu mietenden Karossen es auch waren. Die aufschlußreichen Hinweise standen nämlich nur auf Schwedisch auf kleinen, an die Hüttenwand getackerten Zetteln. Zum Beispiel, daß man die Insel mit den Autos besser nicht verlassen solle, “weil wir euch sonst im Fall einer Panne nicht zurückholen können”. Oder “Vertraut nicht der Tankanzeige! Sie könnte ungenau sein. Für den Fall, daß ihr ohne Sprit liegenbleibt, berechnen wir fürs Ausrücken und Betanken 300 Kronen extra.”
Nun ja, wir bekamen einen mindestens 15 Jahre alten Passat, der mehr als offizielle 587.000 km auf dem nicht vorhandenen Buckel hatte, und rollten aus dem Hafengelände. Rollten, denn mehr als ein Rollen kam beim “Beschleunigen” zunächst kaum zustande. Als würde man das Gaspedal in einen lockeren Hefeteig treten. (Die Hupe ging übrigens auch nicht.)
Die Herzogin sah mich kurz aus den Augenwinkeln an und meinte dann souverän: “Gotland ist ‘ne kleine Insel. Da wären wir viel zu schnell am anderen Ende, wenn du rasen könntest wie sonst. - Du brauchst auch nicht so mit dem Oberkörper zu wippen, als wolltest du ihm damit Anschwung geben. Davon wird er auch nicht schneller.”
Wo sie recht hat, hat sie recht. Einer Dekra-Umfrage zufolge, die ich neulich gelesen hatte, hält sowieso nur noch 1 von vier Befragten Männer für die besseren Autofahrer. Frage mich, warum sie mich trotzdem so häufig ans Steuer läßt. Besonders, wenn wir‘s eilig haben. Mit dem Nasenbär hier hatten wir‘s definitiv nicht eilig. Immerhin rollten wir unter meinem besinnlichen Nachsinnen schon durch die Vororte der 21745-Einwohner-Metropole Visby... und heraus auf eine schöne, von Weiden und Waldstücken gesäumte Chaussee. Der Nasenbär erreichte schon bald die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Im Rückspiegel tauchte ein kleiner, hellblauer Punkt auf. Er kam näher - nein, wir standen nicht -, war heranundvorbei. Ich sah vor allem eine große Heckscheibe, die solchen Projektilen einmal den Spitznamen Schneewittchensarg eingetragen hatte. Sehr viel später, nachdem ich auf den schönen, freien Landstraßen Gotlands lange von ihm geträumt und mich gefragt hatte, warum "Mickes biluthyrning" eigentlich keine Volvos, Typ P 1800 ES, verlieh, sah ich ihn auf dem Parkplatz eines Rasthauses noch einmal wieder

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Freitag, 24. Juli 2009
Vom Überwinden mittelalterlicher Mauern
Gotland, ehemals reichste Kalksteinplatte in der Ostsee. Erste große Blütezeit: die frühe Völkerwanderungszeit, gerade als auf dem Kontinent die antike Welt im Hunnensturm und der von ihm angeschobenen Invasion germanischer Völker unterging. Wieso blüht ausgerechnet da diese Insel am äußersten Rand der bekannten Welt auf? Nachgehen!
Die zweite große Epoche Gotlands reichte vom 11. Jahrhundert bis in die Zeit der Hanse, der die Inselhauptstadt Visby selbst beitrat. 1361 überfiel König Valdemar Atterdag von Dänemark das reiche Gotland, schlachtete nacheinander drei Bauernheere und plünderte Visby, das sich nie wieder erholte. Es fiel hinter seiner dreieinhalb Kilometer langen und elf Meter hohen Stadtmauer in eine Art Dornröschenschlaf, in dem die mittelalterliche Altstadt bis heute mit über zweihundert Stein- und Holzhäusern aus der Hansezeit unversehrt erhalten blieb. Ein einzigartiges Stadtensemble, das zum Weltkulturerbe gehört.


Vor einer Mauer und einem verschlossenen Tor stehen auch wir bei der Ankunft. Mitten in der historischen Altstadt gelegen, funktioniert unser B&B trotzdem vollautomatisch; oder auch nicht. Das Tor zum Hof ist elektronisch mit einem Zahlencode gesichert, und der, den wir bei der Buchung erhalten haben, funktioniert nicht. Eine Rezeption mit einem lebenden Menschen gibt es nicht mehr. Unter der Telefonnummer, die ich mir sicherheitshalber notiert habe, antwortet ein Automat. Freundliche Passanten, die unsere ratlosen Gesichter bemerken und helfen wollen, tickern irgendwelche Lottozahlen in die Türschloßtastatur. Nej, auch Tante Kajsa-Stinas Geburtsdatum ist gemeinerweise nicht das gesuchte Sesam-öffne-dich.
Nach einer ergebnislosen Viertelstunde fällt mir ein, daß der Schlüssel zu unserer Hütte “in einem Kasten hinter der Mauer gleich links vom Eingang” liegen soll. Das könnte nicht etwa schlicht der Briefkasten sein? ... Ein großherzoglich schmaler Unterarm wird trotz der inzwischen einsetzenden Abendkühle entblößt und die dazugehörige Hand mit einer Miene in den Briefschlitz eingeführt, als wäre er einer dieser steinernen Münder in Italien, in die man zur Wahrheitsprobe seine Schwurhand legen mußte. Ich halte die Klappe offen - man kann ja nie wissen, aus welchen Gründen sie vielleicht zubeißen will -, und die sensiblen Fingerspitzen der Herzogin ertasten am Grund des Briefkastens etwas... Wolliges. Eine tote Maus? Der Unterarm steckt ziemlich fest, und kann gar nicht so schnell herausgezogen werden. Iiieh! Beim zweiten Versuch klappert etwas leise metallisch. Beherzt greift die herzogliche Hand zu (tote Mäuse quietschen nicht) und fördert ein kleines Schaf aus Wolle zutage, an dem zwei Schlüssel hängen. Einer paßt aufs Tor, der zweite schließt uns das schnuckelige Gartenhäuschen auf, in dem wir unsere erste Nacht auf Gotland verbringen werden.

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Samstag, 18. Juli 2009
Kurs Gotland

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Samstag, 18. Juli 2009

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Donnerstag, 16. Juli 2009
Söder
”Es gibt kaum eine andere Stadt mit einer so tiefreichenden und lebendigen Schilderung von Plätzen und Milieus, Nahaufnahmen von Ansichten und Alltagsleben, Mentalitäten und Denkweisen, Gepflogenheiten und Ungezogenheiten vergangener Zeiten wie Bellmans Stockholm.” (Göran Hassler)
Ein, zwei Generationen nach dem katastrophalen Zusammenbruch der schwedischen Großmacht im Nordischen Krieg war auch die zuvor so prachtvoll aufgebaute Hauptstadt samt ihren Bewohnern auf den Hund gekommen. Der Professor für Medizin Cederskjöld schrieb in einem Bericht, “die Luft ist mit ungesunden Dünsten sumpfiger Wasserläufe, riesiger Misthaufen und abfallverseuchter Rinnsteine geschwängert. Das Wasser ist verschmutzt und zur Essensbereitung unbrauchbar. Man wäscht unmittelbar neben den Latrinen.” Infektionen, Epidemien waren an der Tagesordnung, von zehn Neugeborenen starben sechs im ersten Lebensjahr. Die überlebenden imprägnierte man früh mit Alkohol. Für die rund 70.000 Einwohner damals gab es mehr als 700 Branntweinkneipen in der Stadt. Ein polnischer Geistlicher, der Stockholm besuchte, hielt entsetzt fest: “Selbst Kinder lassen selten einen Tag verstreichen, ohne sich einen Schluck zu genehmigen.” Armut zwang zur Prostitution in einem heute kaum mehr vorstellbaren Ausmaß. Auf der südlich der Altstadt gelegenen Insel Södermalm entstanden die ersten Arbeiterslums. Unternehmer errichteten dort in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mehr als dreißig Seidenwebereien und Spinnereien, in denen schon Fünfjährige beschäftigt wurden. In diesen Barackenslums lebte auch Bellman einige Jahre mit seiner Familie in einem kleinen Steinhaus, das heute sein Museum beherbergt. Movitz

Epistel No. 23 oder ein Soliloquium, da Fredman vor der Kneipe Kriechherein gegenüber dem Bankhaus im Rinnstein lag, in einer Sommernacht des Jahres 1768 (übersetzt von H.C. Artmann)

Ach, liebe Mutter! sag, wer dich sandte
auf meines Vaters Stroh?
Wo mir zuerst mein Lebensfunke entbrannte
Unter dem Plumeau.
Wegen dir trage
Ich Müh und Plage,
Müde wankt mein Schritt.
Du lagst auf dem Rücken,
Heiß vor Entzücken,
Da ich in dich glitt.
Also ward hingerafft
Deine Jungfernschaft.

Pfui all deinen Jungfernschwüren,
Alles Weibertrug!
Pfui jener Stunde
Im Liebesbunde,
Der du dich erfreut!
Pfui deinen Brüsten,
Die du in Lüsten
Schwellend ihm gebeut!
Oder wars an der Wand,
Wo mein Bild entstand?

Hier liege ich im Rinnstein und betrachte
Meine alten Schuh.
Recht zum Entsetzen
Hose in Fetzen,
Hemd schwarz wie Ruß,
Ohne Perücke,
Mit einer Krücke
Für den lahmen Fuß.
Mir läuft die Kleiderlaus,
ist es nicht ein Graus?...

Ich bin ein Heide, Herz, Mund und Kräfte
Preisen nur den Wein.
Arm und versoffen,
Gurgel stets offen,
Das ist meine Welt.
Selbst vor dem Tode:
Zechen was es hält.
Noch in der letzten Stund
Bleibt mein Glas am Mund.


“Söder” hat inzwischen den vielerorts üblichen Weg beschritten: vom Arbeiterstadtteil mit billigen Mietskasernen, in denen auch mittellose Künstler bezahlbaren Wohnraum fanden, über die Bildung von Künstlerzirkeln zur Entstehung eines Milieus, das dann von den Parasiten der Künstler “entdeckt” und zur “Szene” ausgebaut wurde, was den Stadtteil attraktiv machte mit den ebenfalls üblichen Folgen von steigender Nachfrage, zunehmend aufwendiger Renovierung, Bau von neuen Luxusappartments, Ansiedlung gehobener Restaurants, von “in”-Cafés und coolen Lounges, kleinen, schicken Boutiquen, teuren Galerien und Ateliers und aus all dem resultierender allgemeiner Verteuerung von Wohnraum und Lebenshaltungskosten, kurz, Söder ist seit Jahren “in”, wer von dort kommt, trägt den Sticker dezent bohèmeverruchten Stockholmer Stadtadels am Jackenaufschlag.
Natürlich pflegt man an den Rändern einen gewissen Multikulturalismus, der jedoch vor allem das Ziel hat, die kulinarische Palette um exotische Spezialitätenrestaurants zu bereichern und aus der alten Markthalle einen Delikatessentempel zu machen. Aber in Wahrheit ist es wahrscheinlich ganz toll, in Söder zu leben, wenn man nicht so von einer zunehmend misometropolitanen Abwehrhaltung mit anschließendem Fluchtreflex geschädigt ist wie ich.

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