Mittwoch, 8. Oktober 2008
Wikingerschiffe unter Fahrtwind in den Tod
Oslo, Bygdøy, Kon-Tiki-Museum. Ich empfinde Respekt vor Thor Heyerdals Wagemut, und seine persönlichen Überzeugungen sind mir sympathisch. Doch der alles überragende Eindruck auf Bygdøy sind die Schiffe der Wikinger. Was für ein klobiger Eimer ist Amundsens Gjøa im Vergleich zu diesen stolz gebäumten Steven! Der Schwung ihrer Linien ist handwerkliches Meisterwerk, ästhetische Sensation und, so meine ich, auch eine ethische Proklamation.
... link (0 Kommentare) ... comment
"Uns ist Fahrtwind gegeben in den Tod"
Welche Haltung sich in den kraftvoll aufgebogenen Hälsen dieser Wogenpferde ausdrückt, spricht vielleicht am markantesten ein Strophenpaar aus der altnordischen (Lieder-)Edda aus. In ihren Heldenliedern werden unter anderem auch Stoff und Motive der im südgermanischen Raum entstandenen Siegfried- und Nibelungensage mit nordischen Stoffen verwoben oder in den Norden übertragen. Eine Lage oder acht Blätter des erhaltenen Manuskripts sind verloren, doch die sogenannten “Lieder der Lücke” lassen sich aus ihrer Prosanacherzählung in der Völsunga saga erschließen. Danach galt Sigurds (Siegfrieds) Vater Sigmund im Norden als Nachkomme Odins, der ihm ein wunderbares, siegbringendes Schwert verlieh. Doch als Sigmund im Alter noch einmal gegen den Nebenbuhler seiner Frau Hjördís kämpfte, erschien Odin selbst unter Tarnung im Getümmel und ließ das Schwert an seinem Speer zerbrechen. In der Nacht nach der Schlacht findet Hjördís ihren todwunden Mann auf dem Schlachtfeld. Er weist sie an, die Bruchstücke des Schwerts für ihr noch ungeborenes Kind aufzuheben. Später heiratet sie den Dänenkönig Álf. Ihr Sohn Sigurd, deutlich als Held angekündigt, als Mensch also, der menschliches Verhalten in extremen Situationen oder auch Extreme menschlichen Verhaltens auslotet, wächst bei seinem Stiefgroßvater Hjálprekr auf und bekommt den klugen, aber auch ränkevollen Zwerg Reginn zum Erzieher. Im Codex Regius der Edda enthalten ist Regins Lied (Reginsmál), das berichtet, wie der kunstfertige Zwerg für Sigurd aus den Schwertbruchstücken Sigmunds das neue Schwert Gram schmiedet, ihm von der Goldgier der Götter und dem Schatz erzählt, auf dem sein Bruder Fáfnir in Drachengestalt als Hüter liegt, und auch vom Ende seines Vaters. Sigurd ist klug genug, sich nicht für die habgierigen Interessen des Zwerges einspannen zu lassen, doch fühlt er sich verpflichtet, den Tod seines Vaters, nachdem er davon erfahren hat, zu rächen. Dafür erhält er von Hjálprekr ein Schiff und Mannschaft und geht mit Reginn an Bord.
Hialprecr konvngr fecc Sigvrþi scipalið til fa/ðvrhefnda, heißt es in den Reginsmál. Þeir fengo storm mikinn oc beitto fyr bergs-na/s na/cqvara. Maþr einn stoþ a berginv oc qvaþ:
«Hverir riþa þar
Revils hestom
hávar vnnir,
haf glymianda?
seglvigg ero
sveita stoccin,
mvnat vagmarar
vind vm standaz.»
Reginn svaraði:
«Her ’ro ver Sigvrþr
a setriam,
er oss byrr gefinn
við bana sialfan;
fellr brattr breki
brondom heri,
hlvnnvigg hrapa
Arnulf Krause übersetzt so: “König Hjalprek gab Sigurd eine Schiffsmannschaft für die Vaterrache. Sie bekamen einen schweren Sturm und kreuzten vor einem Vorgebirge. Ein Mann [kein geringerer als Odin selbst] stand auf dem Felsen und sprach:
Wer reitet dort mit Räwills Hengsten
durch hohe Wellen, über's rauschende Meer?
Die Segelpferde sind von Schaum bespritzt,
die Seerosse werden dem Sturm nicht standhalten.
Reginn antwortete:
Hier sind wir mit Sigurd auf den Seebäumen,
uns ist Fahrtwind gegeben für den Tod;
der steile Brecher fällt höher als die Steven,
die Rollenrösser stürzen.”
In einem eigens über diese Verse verfaßten Aufsatz hat der später erblindete Nordist Hans Kuhn 1977 besonders auf die Replik “Uns ist Fahrtwind gegeben in den Tod” hingewiesen als Zeugnis einer gewaltigen Hybris, “eines unerhört kühnen und stolzen Todestrotzes”.
Ich weiß, die Reginsmál gehören vermutlich zu den jüngeren Eddaliedern und wurden somit wahrscheinlich erst in christlicher Zeit verfaßt, demnach ist mit Synkretismen und christlichen Umwertungen zu rechnen usw. Es läßt sich aber selbst dann wohl kaum abstreiten, daß ihr Verfasser Menschen aus der Vergangenheit solchen Hochmut noch im Angesicht des Todes zutraute und zuschrieb.
Die trotzige Replik in den Reginsmál steht nicht allein.
Kuhn führt außerdem an, daß sich auch in Skaldenstrophen, auf wikingerzeitlichen Runensteinen und in einem weiteren Eddalied eine ähnliche Haltung ausdrückt, als etwa Helgi Hundingsbani in schwerem Sturm das Segel nicht reffen, sondern sogar noch höher ziehen läßt.
Draga baþ Helgi Helgi befahl,
há segl ofarr... das Segel höher zu ziehn...
þa er ógorlig als furchtbar
Egis dottir Ägirs Tochter
stagstiornma/rom die Tausteuerpferde
steypa vildi. stürzen wollte.
Datiert werden all die anderen Zeugnisse grob in die Zeit um 1000 ± drei Jahrzehnte, die Ära, in der die wikingische Expansion ihren Höhepunkt erreichte. Die Nordmänner schwammen von Nordamerika bis Konstantinopel buchstäblich auf einer Woge des Erfolgs und dürften sich entsprechend überschwenglich gefühlt haben. Eine derart selbstbewußte Hybris muß also nicht bloß literarische Überhöhung und Idealisierung sein, sondern ist durchaus als Lebensgefühl Einzelner oder ganzer Gruppen denkbar.
Für Kuhn wiesen die Gemeinsamkeiten anfangs nach England, genauer in das Danelag, jenen nordwestlichen Teil Englands, den sich die dänischen Könige damals mit außergewöhnlich großen Flottenverbänden aus den sogenannten Langschiffen der Wikinger unterworfen hatten. (Thietmar von Merseburg gibt ihre Stärke mit über 27.000 Mann auf 340 Schiffen an.) 1017 wurde der dänische König Knut der Große in aller Form auch zum König von England erhoben. “Niemals hat ein nordischer König über eine solche Macht und solches Ansehn verfügt wie er. In dieser Zeit, so glaubte ich lange, müßte der überströmende Stolz und Trotz... die nordischen Dichter und Künstler, und wohl auch die Völker ergriffen haben. Dies war aber offenbar ein Irrtum”, schreibt Kuhn (ZfdA, 1977, S. 153) Denn es gibt noch ältere Zeugnisse, die bis ins Jahr 985 zurückreichen. Es ist zum einen das Jahr, in dem der aus Island verbannte Eirik der Rote nicht nach Norwegen zurück, sondern kühn weiter nach Westen fuhr, wo er Grönland entdeckte, es ist das Jahr, in dem die berüchtigten Jómswikinger noch nach verlorener Schlacht so eindrucksoll ihre Todesverachtung unter Beweis stellten, daß die Sieger ihnen das Leben schenkten, und es ist das Jahr, in dem ein Neffe des schwedischen Königs Erik der Siegreiche gegen seinen Onkel zu Feld zog und nach der Landung bei Uppsala die Schiffe verbrennen ließ, damit es kein Zurück mehr gab.
Das vielleicht älteste Zeugnis, das sich mit dieser Haltung in Verbindung bringen läßt, reicht noch ein Jahrhundert weiter zurück. Entsetzt von dem “furor normannorum” fragten die christlichen Verteidiger von Paris einmal entsetzt die todesmutig wieder und wieder anstürmenden Wikinger, woran sie denn überhaupt glaubten. Worauf diese stolz zurückgegeben haben sollen: “á mátt sinn og megin”. An ihre eigene Kraft und Stärke.
Snorri Sturluson wiederholte später exakt die gleiche Formel, als er in seiner Geschichte der norwegischen Könige, der Heimskringla, berichtete, daß vor der Schlacht bei Stiklastaðir ein Mann namens Arnljótr zu König Olaf gekommen sei und ihm seine Unterstützung im bevorstehenden Kampf angeboten hätte. Als strenger Bekehrerkönig habe sich der bald danach heilig gesprochene Olaf erkundigt, ob der Mann Christ sei. Nein, habe er geantwortet, “hann tryði á mátt sinn og megin. „Hefir mér sá átrúnaður unnist að gnógu hér til.” Er glaube an die eigene Kraft und Stärke, “und bisher hat mir dieser Aberglaube gereicht.”
Nur hübsch kernige Anekdötchen aus alten Mären? Ich denke, mehr als das. Es sind doch literarisch kunstvoll ausgestaltete Antworten auf die vielleicht schwierigste Frage, die uns im Leben gestellt wird: Wie verhalten wir uns in dem Moment, in dem wir unausweichlich dem Tod ins Auge blicken müssen? Arnljótr gellini fällt als einer der ersten in der Schlacht von Stiklastaðir, und Reginn weiß genau, daß ihnen der als blutrünstig bekannte Óðinn da am Ufer diesen todbringenden Orkan auf den Hals gehext hat, und trotzdem findet er die innere Kraft (mátt sinn og megin), die Fassung zu bewahren und das Schicksal (oder den Gott) obendrein trotzig zu provozieren: “Hei, da haben wir doch günstigen Rückenwind in den Tod!”
So wahrt man auch in aussichtsloser Lage seine Würde als Mensch, seine Integrität, das höchste Gut, jedenfalls in den Wertvorstellungen der Nordeuropäer damals. Doch davon ein andermal.
Hialprecr konvngr fecc Sigvrþi scipalið til fa/ðvrhefnda, heißt es in den Reginsmál. Þeir fengo storm mikinn oc beitto fyr bergs-na/s na/cqvara. Maþr einn stoþ a berginv oc qvaþ:
«Hverir riþa þar
Revils hestom
hávar vnnir,
haf glymianda?
seglvigg ero
sveita stoccin,
mvnat vagmarar
vind vm standaz.»
Reginn svaraði:
«Her ’ro ver Sigvrþr
a setriam,
er oss byrr gefinn
við bana sialfan;
fellr brattr breki
brondom heri,
hlvnnvigg hrapa
Arnulf Krause übersetzt so: “König Hjalprek gab Sigurd eine Schiffsmannschaft für die Vaterrache. Sie bekamen einen schweren Sturm und kreuzten vor einem Vorgebirge. Ein Mann [kein geringerer als Odin selbst] stand auf dem Felsen und sprach:
Wer reitet dort mit Räwills Hengsten
durch hohe Wellen, über's rauschende Meer?
Die Segelpferde sind von Schaum bespritzt,
die Seerosse werden dem Sturm nicht standhalten.
Reginn antwortete:
Hier sind wir mit Sigurd auf den Seebäumen,
uns ist Fahrtwind gegeben für den Tod;
der steile Brecher fällt höher als die Steven,
die Rollenrösser stürzen.”
In einem eigens über diese Verse verfaßten Aufsatz hat der später erblindete Nordist Hans Kuhn 1977 besonders auf die Replik “Uns ist Fahrtwind gegeben in den Tod” hingewiesen als Zeugnis einer gewaltigen Hybris, “eines unerhört kühnen und stolzen Todestrotzes”.
Ich weiß, die Reginsmál gehören vermutlich zu den jüngeren Eddaliedern und wurden somit wahrscheinlich erst in christlicher Zeit verfaßt, demnach ist mit Synkretismen und christlichen Umwertungen zu rechnen usw. Es läßt sich aber selbst dann wohl kaum abstreiten, daß ihr Verfasser Menschen aus der Vergangenheit solchen Hochmut noch im Angesicht des Todes zutraute und zuschrieb.
Die trotzige Replik in den Reginsmál steht nicht allein.
Kuhn führt außerdem an, daß sich auch in Skaldenstrophen, auf wikingerzeitlichen Runensteinen und in einem weiteren Eddalied eine ähnliche Haltung ausdrückt, als etwa Helgi Hundingsbani in schwerem Sturm das Segel nicht reffen, sondern sogar noch höher ziehen läßt.
Draga baþ Helgi Helgi befahl,
há segl ofarr... das Segel höher zu ziehn...
þa er ógorlig als furchtbar
Egis dottir Ägirs Tochter
stagstiornma/rom die Tausteuerpferde
steypa vildi. stürzen wollte.
Datiert werden all die anderen Zeugnisse grob in die Zeit um 1000 ± drei Jahrzehnte, die Ära, in der die wikingische Expansion ihren Höhepunkt erreichte. Die Nordmänner schwammen von Nordamerika bis Konstantinopel buchstäblich auf einer Woge des Erfolgs und dürften sich entsprechend überschwenglich gefühlt haben. Eine derart selbstbewußte Hybris muß also nicht bloß literarische Überhöhung und Idealisierung sein, sondern ist durchaus als Lebensgefühl Einzelner oder ganzer Gruppen denkbar.
Für Kuhn wiesen die Gemeinsamkeiten anfangs nach England, genauer in das Danelag, jenen nordwestlichen Teil Englands, den sich die dänischen Könige damals mit außergewöhnlich großen Flottenverbänden aus den sogenannten Langschiffen der Wikinger unterworfen hatten. (Thietmar von Merseburg gibt ihre Stärke mit über 27.000 Mann auf 340 Schiffen an.) 1017 wurde der dänische König Knut der Große in aller Form auch zum König von England erhoben. “Niemals hat ein nordischer König über eine solche Macht und solches Ansehn verfügt wie er. In dieser Zeit, so glaubte ich lange, müßte der überströmende Stolz und Trotz... die nordischen Dichter und Künstler, und wohl auch die Völker ergriffen haben. Dies war aber offenbar ein Irrtum”, schreibt Kuhn (ZfdA, 1977, S. 153) Denn es gibt noch ältere Zeugnisse, die bis ins Jahr 985 zurückreichen. Es ist zum einen das Jahr, in dem der aus Island verbannte Eirik der Rote nicht nach Norwegen zurück, sondern kühn weiter nach Westen fuhr, wo er Grönland entdeckte, es ist das Jahr, in dem die berüchtigten Jómswikinger noch nach verlorener Schlacht so eindrucksoll ihre Todesverachtung unter Beweis stellten, daß die Sieger ihnen das Leben schenkten, und es ist das Jahr, in dem ein Neffe des schwedischen Königs Erik der Siegreiche gegen seinen Onkel zu Feld zog und nach der Landung bei Uppsala die Schiffe verbrennen ließ, damit es kein Zurück mehr gab.
Das vielleicht älteste Zeugnis, das sich mit dieser Haltung in Verbindung bringen läßt, reicht noch ein Jahrhundert weiter zurück. Entsetzt von dem “furor normannorum” fragten die christlichen Verteidiger von Paris einmal entsetzt die todesmutig wieder und wieder anstürmenden Wikinger, woran sie denn überhaupt glaubten. Worauf diese stolz zurückgegeben haben sollen: “á mátt sinn og megin”. An ihre eigene Kraft und Stärke.
Snorri Sturluson wiederholte später exakt die gleiche Formel, als er in seiner Geschichte der norwegischen Könige, der Heimskringla, berichtete, daß vor der Schlacht bei Stiklastaðir ein Mann namens Arnljótr zu König Olaf gekommen sei und ihm seine Unterstützung im bevorstehenden Kampf angeboten hätte. Als strenger Bekehrerkönig habe sich der bald danach heilig gesprochene Olaf erkundigt, ob der Mann Christ sei. Nein, habe er geantwortet, “hann tryði á mátt sinn og megin. „Hefir mér sá átrúnaður unnist að gnógu hér til.” Er glaube an die eigene Kraft und Stärke, “und bisher hat mir dieser Aberglaube gereicht.”
Nur hübsch kernige Anekdötchen aus alten Mären? Ich denke, mehr als das. Es sind doch literarisch kunstvoll ausgestaltete Antworten auf die vielleicht schwierigste Frage, die uns im Leben gestellt wird: Wie verhalten wir uns in dem Moment, in dem wir unausweichlich dem Tod ins Auge blicken müssen? Arnljótr gellini fällt als einer der ersten in der Schlacht von Stiklastaðir, und Reginn weiß genau, daß ihnen der als blutrünstig bekannte Óðinn da am Ufer diesen todbringenden Orkan auf den Hals gehext hat, und trotzdem findet er die innere Kraft (mátt sinn og megin), die Fassung zu bewahren und das Schicksal (oder den Gott) obendrein trotzig zu provozieren: “Hei, da haben wir doch günstigen Rückenwind in den Tod!”
So wahrt man auch in aussichtsloser Lage seine Würde als Mensch, seine Integrität, das höchste Gut, jedenfalls in den Wertvorstellungen der Nordeuropäer damals. Doch davon ein andermal.
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 5. Oktober 2008
Auf dem Nordweg
Ab und zu muß ich einfach mal raus. Zum Beispiel um dieses Gefühl eines wütenden bis angeekelten Überdrusses abzuschütteln, das aus meinem vorigen Eintrag spricht.
"Waldgang" empfahl Ernst Jünger in seinem »Brevier für den geistig-politischen Partisanen« in solchen Lagen. "Der Wald ist der Ort des Widerstands, wo neue Formen der Freiheit aufgeboten werden gegen neue Formen der Macht."
So hoch will ich gar nicht hinaus, sondern lediglich, wie gesagt, einfach mal raus. Ich brauche das gelegentlich als seelische Reinigungsmaßnahme, muß den ganzen Sumpf einmal hinter mir lassen, das Innere auslüften und hinaus ins möglichst Menschenleere. Útgarðr. Jenseits des Zauns. Draußen. Im Freien.
Ein vergleichsweise kurzer Weg dorthin ist der Norðvegr, der Weg in den Norden. Ein ganzes Land ist nach ihm benannt: Norwegen. Dorthin ging die Fahrt diesmal.
Vor bald zwei Wochen landeten wir an einem vollkommenen Spätsommertag in Oslo: klare Luft, hemdwarm, blauer Himmel, am Nachmittag in goldenes Leuchten getaucht. Erste Herbstfarben im Laub der Birken und Obstbäume. Von Toyen (Munch-Museum) flanierten wir hinab ins Zentrum und die Karl Johan zum Schloß hinauf. Der alte Ibsen stand natürlich immer noch griesgrämig auf seinem Sockel vor dem Nationaltheater.
Die Denkmalerei in Oslo gebärdet sich überhaupt vorwiegend in Formen von realistischem bis monumentalistischem Nationalkitsch des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Stadthaus, natürlich ein architektonisches Großereignis, schmückt sich auch nur mit einer sozialdemokratischen Variante gleichartigen Schmonzes. Aker brygge, ein Stück weiter am Ufer der Pipervika, bietet dann gleich das aus Beton und Glas geformte Abbild des wild gewordenen Neoliberalismus und Yuppietums. Wir ergriffen die Flucht und bestiegen das Boot hinüber nach Bygdøy, wo die Reichen noch schön und geschmackvoll wohnen, was ja längst nicht mehr häufig vorkommt.
Bei dem Wetter war es eine idyllische Ferienkolonie aus alten Holzvillen und dezent dazwischen errichteten modernen Häusern, sparsam, aber gediegen, in reduzierten, einfachen Formen, mit viel Holz, eingebettet in helles spätsommerliches Grün und sonnenglitzernde Buchten.
"Waldgang" empfahl Ernst Jünger in seinem »Brevier für den geistig-politischen Partisanen« in solchen Lagen. "Der Wald ist der Ort des Widerstands, wo neue Formen der Freiheit aufgeboten werden gegen neue Formen der Macht."
So hoch will ich gar nicht hinaus, sondern lediglich, wie gesagt, einfach mal raus. Ich brauche das gelegentlich als seelische Reinigungsmaßnahme, muß den ganzen Sumpf einmal hinter mir lassen, das Innere auslüften und hinaus ins möglichst Menschenleere. Útgarðr. Jenseits des Zauns. Draußen. Im Freien.
Ein vergleichsweise kurzer Weg dorthin ist der Norðvegr, der Weg in den Norden. Ein ganzes Land ist nach ihm benannt: Norwegen. Dorthin ging die Fahrt diesmal.
Vor bald zwei Wochen landeten wir an einem vollkommenen Spätsommertag in Oslo: klare Luft, hemdwarm, blauer Himmel, am Nachmittag in goldenes Leuchten getaucht. Erste Herbstfarben im Laub der Birken und Obstbäume. Von Toyen (Munch-Museum) flanierten wir hinab ins Zentrum und die Karl Johan zum Schloß hinauf. Der alte Ibsen stand natürlich immer noch griesgrämig auf seinem Sockel vor dem Nationaltheater.
Die Denkmalerei in Oslo gebärdet sich überhaupt vorwiegend in Formen von realistischem bis monumentalistischem Nationalkitsch des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Stadthaus, natürlich ein architektonisches Großereignis, schmückt sich auch nur mit einer sozialdemokratischen Variante gleichartigen Schmonzes. Aker brygge, ein Stück weiter am Ufer der Pipervika, bietet dann gleich das aus Beton und Glas geformte Abbild des wild gewordenen Neoliberalismus und Yuppietums. Wir ergriffen die Flucht und bestiegen das Boot hinüber nach Bygdøy, wo die Reichen noch schön und geschmackvoll wohnen, was ja längst nicht mehr häufig vorkommt.
Bei dem Wetter war es eine idyllische Ferienkolonie aus alten Holzvillen und dezent dazwischen errichteten modernen Häusern, sparsam, aber gediegen, in reduzierten, einfachen Formen, mit viel Holz, eingebettet in helles spätsommerliches Grün und sonnenglitzernde Buchten.
... link (0 Kommentare) ... comment