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Sonntag, 5. Oktober 2008
Auf dem Nordweg
Ab und zu muß ich einfach mal raus. Zum Beispiel um dieses Gefühl eines wütenden bis angeekelten Überdrusses abzuschütteln, das aus meinem vorigen Eintrag spricht.
"Waldgang" empfahl Ernst Jünger in seinem »Brevier für den geistig-politischen Partisanen« in solchen Lagen. "Der Wald ist der Ort des Widerstands, wo neue Formen der Freiheit aufgeboten werden gegen neue Formen der Macht."
So hoch will ich gar nicht hinaus, sondern lediglich, wie gesagt, einfach mal raus. Ich brauche das gelegentlich als seelische Reinigungsmaßnahme, muß den ganzen Sumpf einmal hinter mir lassen, das Innere auslüften und hinaus ins möglichst Menschenleere. Útgarðr. Jenseits des Zauns. Draußen. Im Freien.

Ein vergleichsweise kurzer Weg dorthin ist der Norðvegr, der Weg in den Norden. Ein ganzes Land ist nach ihm benannt: Norwegen. Dorthin ging die Fahrt diesmal.
Vor bald zwei Wochen landeten wir an einem vollkommenen Spätsommertag in Oslo: klare Luft, hemdwarm, blauer Himmel, am Nachmittag in goldenes Leuchten getaucht. Erste Herbstfarben im Laub der Birken und Obstbäume. Von Toyen (Munch-Museum) flanierten wir hinab ins Zentrum und die Karl Johan zum Schloß hinauf. Der alte Ibsen stand natürlich immer noch griesgrämig auf seinem Sockel vor dem Nationaltheater.
Die Denkmalerei in Oslo gebärdet sich überhaupt vorwiegend in Formen von realistischem bis monumentalistischem Nationalkitsch des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Stadthaus, natürlich ein architektonisches Großereignis, schmückt sich auch nur mit einer sozialdemokratischen Variante gleichartigen Schmonzes. Aker brygge, ein Stück weiter am Ufer der Pipervika, bietet dann gleich das aus Beton und Glas geformte Abbild des wild gewordenen Neoliberalismus und Yuppietums. Wir ergriffen die Flucht und bestiegen das Boot hinüber nach Bygdøy, wo die Reichen noch schön und geschmackvoll wohnen, was ja längst nicht mehr häufig vorkommt.
Bei dem Wetter war es eine idyllische Ferienkolonie aus alten Holzvillen und dezent dazwischen errichteten modernen Häusern, sparsam, aber gediegen, in reduzierten, einfachen Formen, mit viel Holz, eingebettet in helles spätsommerliches Grün und sonnenglitzernde Buchten.

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