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Sonntag, 19. Oktober 2008
So schwarz konnte Schiller gar nicht sehen
Die Räuber. - Wer denkt bei Schiller nicht mit Schaudern an die obligatorische Schullektüre über den edlen Räuber aus "sittlicher Verzweiflung" und betriebsblindem Idealismus? Und wer denkt nicht jetzt an sie zurück, in diesen Wochen, in denen sich selbst uns notorischen Wegsehern nicht länger verheimlichen läßt, in welch gigantischem Ausmaß uns die Spiegelbergs unserer Zeit ausplündern und sich in schamloser Gier selbst die Taschen vollstopfen? Die unglaublichsten und skandalösesten Enthüllungen überbieten sich fast von Tag zu Tag, und die Unverfrorenheit, mit der diese Raubritter und Wegelagerer unserer Zeit uns weiterhin ihr falsches Credo mit der unbelehrbaren Unermüdlichkeit einer Gebetsmühle in die Ohren leiern, als wären Alternativen zu ihrer Ideologie und ihrem Treiben nicht einmal denkbar, macht einen nahezu sprachlos.

Kaum hat die Politik seiner und anderen Banken einen Rettungsring aus 500 000 000 000 Euro hingeworfen, bekommt ein Herr Ackermann zum Beispiel schon wieder Oberwasser und möchte am liebsten sogleich wieder als Hai im Hechtteich seiner Freßgier freien Lauf lassen. In einem Interview mit der bekannt systemkritischen Bild am Sonntag erteilte er der Frage, ob nicht nur die Steuerzahler, sondern auch die Banken selbst sich in dem Schlamassel, den sie angerichtet haben, jetzt nicht wenigstens gegenseitig aus der Krise helfen sollten, eine deutliche Abfuhr: "Mir wäre es viel lieber, wenn die Deutsche Bank nur für die Deutsche Bank einzustehen und die Einlagen ihrer eigenen Kunden abzusichern hätte", sagte er dem Blatt. "Ein Schokoladenhersteller freut sich doch auch, wenn sein Konkurrent untergeht." Und dann bekennt sich Ackermann, der in jedem Monat weit mehr als 1 Million Euro verdient, in aller wünschenswerten Offenheit zu seiner unersättlichen Gier: "Ist es Gier, wenn man möglichst erfolgreich sein will? Das will doch jeder im Leben. Davon lebt unser System. Auch der Wettbewerb um höhere Renditen hat die Menschheit weitergebracht. Diesen Wettbewerb sollten wir auf keinen Fall aufgeben." -

Sage bitte keiner mehr, er habe nicht wissen können, woran er bei diesen Herren ist.

Ich sag's ja: Das Skandalöse hat ein Ausmaß angenommen, daß andere Ungeheuerlichkeiten dagegen so weit verblassen, daß man sie fast nur noch mit einem Achselzucken zur Kenntnis nimmt.
Anfang des Monats meldete die WAZ ein auf den ersten Blick bloß putziges Kuriosum: Die zurecht berüchtigte GEZ hatte einer Grundschule im sächsischen Weigsdorf-Köblitz bei Dresden wiederholt Zahlungsaufforderungen geschickt. Ein gewisser Friedrich Schiller, nach dem die Schule benannt ist, habe sich nicht angemeldet und solle gefälligst seine 17 Euro Rundfunkgebühren im Monat nachüberweisen. „Das ist ein Massenverfahren, das darf man nicht vergessen”, entschuldigte die Pressereferentin der GEZ die peinliche Panne und wollte noch weiter beruhigen: „Wir bekommen die Anschriften durch Adressanbieter und lassen sie durch unser System laufen und abgleichen.” - Wie bitte? Gehört etwa die öffentlich-rechtliche Gebühreneinzugszentrale auch zu denjenigen, die ihnen angebotene persönliche Daten erwerben und nutzen? Ihnen angeboten wo und von wem?? Von den Verbrechern, die vertrauliche Datensätze klauen und unter der Hand verhökern? Profitiert eine öffentliche Einrichtung wie die GEZ von kriminellem Datenmißbrauch, Herr Bundesinnenminister? Vielleicht hat sie ja auch schon die 17 Millionen vertraulichen Datensätze gekauft, die bei der Telekom seit zwei Jahren so leicht zugänglich waren. Was muß eigentlich noch passieren, ehe wir diese ganze Kanaille zum Teufel jagen?

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