Größter Rivale war die Familie der Sturlungen, ursprünglich homines novi, Aufsteiger aus dem Westen der Insel, der vor allem die besten Autoren des Mittelalters im Norden entstammten; z.B. der schon erwähnte Sturla Þorðarson oder sein Onkel, der berühmte Snorri Sturluson, der eine Edda, eine dreibändige Geschichte der norwegischen Könige von Odin bis auf seine Tage und vieles mehr verfaßte, ehe ihn Gissur und seine Männer in der Nacht des 23. September 1241 auf seinem Hof Reykholt überfielen und erschlugen.
Im Jahr darauf kam ein anderer Neffe Snorris, der sich in Norwegen aufgehalten hatte und dort in das Hofgefolge des Königs eingetreten war, mit Zuspruch, wenn nicht im Auftrag des Königs aus Norwegen und erhielt nach einer ersten Phase der Zurückhaltung viel Zulauf in den angestammten Gebieten seiner Familie. Am Tag nach Mittsommer 1244 kam es zwischen diesem Þórður Sighvatsson Kakali und den Nordisländern zum einzigen richtigen Seegefecht in der Geschichte der Insel, das mit Þórðurs Sieg endete. Auch zu Lande schlug er die Nordisländer ein Jahr später. Darauf begab er sich ebenso wie Gissur nach Norwegen, um den König zum Schiedsrichter zwischen ihnen anzurufen. Er bekam den Auftrag, das ganze Land an sich zu bringen (var hann þá skipadr yfir allt landit til forráða, Sturl.s. VII, 210), während Gissur keine Ausreiseerlaubnis erhielt. Doch sicherte sich der König auch gegen Þórður nicht nur durch Stellung von Geiseln ab.
In dem Jahr 1247 hielt sich gerade der vatikanische Kardinallegat Wilhelm von Sabina in Norwegen auf, um mit dem außerehelich gezeugten Hákon über einen Dispens für seine kirchliche Krönung zu verhandeln. Der Kardinal hielt es für außerordentlich ungebührlich, daß Island “þjónaði eigi undir konung sem öll önnur lönd í veröldu”, keinem König untertan sei wie jedes andere Land der Welt. Darum war er nur zu bereit, einen vom König ausgewählten norwegischen oder deutschen Kleriker namens Heinrich zum Bischof der nordisländischen Diözese Hólar zu ernennen und ihn mit einer Unterwerfungsaufforderung an die Isländer auf die Insel zu schicken.
Mit diesem Ansinnen fand Bischof Heinrich in Island nicht sonderlich viel Anklang. Argwöhnisch beobachtete er, daß auch Þórðurs Aktivitäten eher darauf auszugehen schienen, eine eigene Herrschaft als die des Königs in Norwegen aufzurichten. Darüber gerieten die beiden in Streit, und der Bischof fuhr zurück nach Norwegen, um den Sturlungen vor König Hákon anzuschuldigen, worauf Þórður umgehend vor den Thron zitiert wurde.
1252 schickte der König Bischof Heinrich erneut, diesmal mit Gissur an der Seite, nach Island und hielt (für immer übrigens) Þórður Kakali bei sich in Bergen zurück. Gissur fand Anerkennung nur im Südland, seiner Stammregion, und im Nordland, das vorher von einer mit der seinen liierten Sippe beherrscht worden war. Im Westen konnte er gegen die Sturlungen nichts ausrichten, und der Osten kommt in den Berichten nicht vor. Der nämlich stand seit Generationen unter der Kontrolle einer Familie, die man nach ihrem Stammhof Svínafell am Fuß von Islands höchstem Berg nannte.
Von ihrem Oberhaupt Ormr Jónsson Svínfellingur heißt es in der besten Quelle der Zeit, der von Sturla Þorðarsson geschriebenen Sturlunga saga: “Er war in jener Zeit in Island der beliebteste Anführer von allen, die ohne priesterliche Weihe waren, denn er hielt sich meist aus all den Streitigkeiten und Scharmützeln heraus, in die sich die anderen verstrickten, und er behauptete seinen Teil von allen ungeschmälert.”
Ein Halbbruder Orms war Brandr, 15 Jahre lang Abt des Augustinerklosters Þykkvabær, ehe er als Nachfolger Heinrichs zum Bischof von Hólar erhoben wurde. Er war ein sehr gebildeter, sprachlich und literarisch versierter Mann und übersetzte in seinen Klosterjahren das Hexameterepos Alexandreis – sive gesta Alexandri Magni des Walter von Chatillon aus dem Lateinischen in eine isländische Prosa, die einen Halldór Laxness in helles Entzücken versetzte und 1945 zu einer Neuausgabe veranlaßte. Im Anschluß verfaßte Brandr, gestützt auf verschiedene antike und apokryphe Quellen, selbst eine Geschichte der Juden (Gyðinga saga)von Alexanders Tod bis zum Tod Jesu.
Nach dem Tod Ormr Svínfellings hatte sein Sohn Sæmundr die Rolle des Oberhaupts im gesamten Osten der Insel übernommen, doch besaß er nicht die Souveränität seines Vaters und galt als überheblich, anmaßend und streitlustig in einem Maße, daß sich nach Übergriffen gegen den Ziehvater und Sachwalter seines um etliches jüngeren Bruders Guðmundur seine eigenen Cousins in der Angelegenheit gegen ihn engagierten. Allerdings vermochten Þorvarður und Oddr, die Söhne von Ormur Svínfellings Bruder Þórarinn, gegen den mächtigsten Mann im ganzen Osten nichts auszurichten und stimmten einem für sie teuren Vergleich zu. Unvermögende Männer waren die beiden keineswegs, was schon allein ihre Möglichkeit beweist, gegen Sæmundr ein Aufgebot zusammenzubringen und mit dem bewaffneten Haufen von vielleicht 100 Mann einen Überfall auf ihn zu versuchen, dem Sæmundr allerdings zuvorkam. Zwei Jahre später fielen Sæmundr und sein junger Bruder Guðmundur in einem Hinterhalt von Guðmundurs ehemaligem Ziehvater.
Es sieht so aus, als sei Abt Brandr dann für eine Weile der starke Mann in diesem Landesviertel gewesen, da der jüngste der Svínafellsbrüder, der nach seinem Vater benannte Ormr, zu diesem Zeitpunkt erst 11 Jahre alt war. In den Ostfjorden aber walteten die Þórarinssöhne Þorvarður und Oddr (zumal sich Þórður Kakali und Gissur Þorvaldsson beide in Norwegen aufhielten). Und wo wohnten sie? In Valþjófsstaðir.
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Aus der Zeit um 1200 stammt die mittelhochdeutsche Bearbeitung des Hartmann von Aue. Schon bald nach ihrer Entstehung wurde auf Schloß Rodenegg in Südtirol im Auftrag des Brixener Bischofs Konrad von Rodanc (=Rodenegg) ein Saal mit einem ganzen Freskenzyklus nach Szenen aus dem Iwein, “die älteste profane Wandmalerei im deutschen Sprachraum” (wikipedia), ausgemalt (Abb. rechts). 1460 wurde Oswald von Wolkenstein zum Hüter der Burg bestellt, die sich bis heute im Besitz seiner Familie befindet. Leider gehört der Drachenkampf dort nicht zu den dargestellten Szenen.
Wie aber kam diese Geschichte, die aus dem Umkreis keltischer Artus-Epik (Matière de Bretagne) in ein höfisches Ritterepos des Hohen Mittelalters umgeschmolzen worden war, ins bäuerliche Island?
Dazu gibt es zwei Theorien.
“Þar til hann sier drekann og einn leon og berriazt Þeir allgrimmliga.” 'Er ritt der Fährte nach, bis er den Drachen und dazu einen Löwen sah, die grimmig miteinander kämpften', erzählt die altnordische Þiðreks saga, eine Kompilation von Sagen um Dietrich (Þiðrekr) von Bern. Ihre älteste erhaltene Handschrift (wenigstens zwei andere sind später verbrannt) wurde um 1280 im norwegischen Bergen angefertigt und enthält den Hinweis, sie sei zusammengestellt nach Erzählungen “deutscher Männer”, was gut auf in Bergen ansässige (Hanse-)kaufleute aus Lübeck passen könnte (denn seit 1250 gab es ein Handelsabkommen zwischen Lübeck und der norwegischen Krone) - oder auf eine bereits im niederdeutschen Sprachraum kompilierte schriftliche Vorlage. Gegen Letzteres spricht allerdings ihre Form. In der wahrscheinlichen Entstehungszeit der Saga um 1200 dichtete der Kontinent Heldenepik noch ausschließlich in Versen; nur der Norden schrieb Prosa wie die vergleichbare Geschichte Karls des Großen, Karlamagnús saga, oder die ebenfalls um die gleiche Zeit entstandene legendarische Ólafs saga. Am wahrscheinlichsten ist die Þiðreks saga wohl in der königlichen Residenz Bergen aus dort mündlich oder eher noch schriftlich vorliegenden kürzeren altniederdeutschen Heldenliedern zusammengestellt worden.
In ihr kommen gegen Ende von Þiðreks Leben der Kampf eines Drachen mit einem Löwen und ein Ritter oder König vor, der zugunsten des Löwen in den Kampf eingreift. Zwar gehört auf dem Kontinent dieser Kampf eigentlich in den Heldenroman um Ortnit und Wolfdietrich (vor 1250), doch reichte vielleicht schon die Namensgleichheit, um Wolfdietrich im Norden mit Dietrich von Bern zu verschmelzen.
Ein oder zwei Schönheitsfehler bleiben der Theorie von der Verbildlichung der Þiðreks saga im isländischen Valþjófsstaðir dennoch. Ihre Verfechter stützen sich sehr auf die Wolfdietrich-Verbindung. So behauptete schon der norwegische Philologe Sophus Bugge in seinem Helge-digtene i den Aeldre Edda (Kopenhagen, 1896, ich zitiere aus der englischen Übersetzung The Home of the Eddic Poems, 1899):
“A church door, which cannot be older than 1180-1190, from Valþjófsstaðir in the eastern part of Iceland, has carvings which represent a knight conquering a dragon, and thereby freeing a lion. This knight is evidently Wolfdietrich; for in the accompanying runic inscription he is designated as 'King of the Greeks.'”
“König der Griechen” ist ziemlich weit weg für einen germanischen Sagenhelden, doch wird in der Überlieferung Wolfdietrichs nebulöser Vater Hugdietrich als König von Konstantinopel bezeichnet.
Das Problem ist nur, daß Bugge die Runen nicht richtig lesen konnte. Oder zumindest eine der isländischen Sonderrunen verwechselte. Da steht nämlich nach heutiger Deutung nicht “konungr greka”, König der Griechen, sondern “konung ... er vá dreka”, der König, der einen Drachen tötete.”
(s. http://www.arild-hauge.com/islandruner.htm Sigle: IS IR 181)
Entscheidender erscheint mir aber der Umstand, daß die Bilder in Valþjófsstaðir etwas ganz anderes darstellen als den Drachenkampf (Wolf-)dietrichs. Dort springt der König nämlich beim Anblick der miteinander kämpfenden Tiere von seinem Pferd, und beim ersten Hieb gegen den Drachen zerbricht sein Schwert. “Die Klinge fiel ihm aus der Hand und flog auf der anderen Seite des Wurmes auf die Erde”, heißt es in der deutschen Übersetzung. - Tja, peinliches Mißgeschick; und obwohl Dietrich noch einen Baum als Waffe ausreißt, greift ihn sich der Drache samt Löwen und fliegt mit ihnen zu seiner Behausung, wo er den Löwen seinen Jungen zum Fraß vorwirft. Exit Leo. Der Rest des Bildprogramms in Valþjófsstaðir kann also nicht mehr nach der Þiðreks saga gestaltet sein.
Damit werden wir zurückverwiesen auf den Löwenritter Chretiens de Troyes. Der beschreibt die Drachenkampfszene in seinem Yvain-Epos (in einer neufranzösischen Prosabearbeitung) so:
“Messire Yvain cheminait pensif dans une profonde forêt; soudain il entendit un grand cri de douleur. Il se dirigea vers l'endroit d'où venait le cri qu'il avait entendu. Quand il y parvint, il vit un lion dans un essart et un serpent qui le tenait serré par la queue et lui brûlait l'échine d'une flamme ardente qu'il vomissait. Messire Yvain ne s'attarda pas à contempler longtemps ce prodige. En lui-même il se demanda : auquel allait-il porter secours? Il se rangea du côté du lion, pensant qu'on ne doit faire du mal qu'à une bête venimeuse et félonne. Or le serpent est venimeux. Du feu lui sort de la bouche tant il est plein de félonie. Aussi messire Yvain décida de le tuer en premier. Il tire donc l'épée, s'avance et devant son visage met son écu pour éviter la brûlure des flammes que vomissait l'animal par une gueule plus large qu'une marmite. Avec son épée bien afilée, il attaque le serpent félon. Il le tranche jusqu'à terre et le tronçonne en deux moitiés et tant le frappe qu'il le démince et le dépièce. Mais il lui fallut couper un morceau de la queue de lion car la tête du serpent y était accrochée.”
Wenn es außer mir noch jemand hier verstehen könnte, könnte ich diese Passage in Altnordisch wiedergeben, denn Chretiens Versepos wurde bereits im Mittelalter im Norden übersetzt. In Saga-Prosa, wie es dort üblich und große Kunst war. Die deutsche Übersetzung (von Rudi Simek) dieses Abschnitts aus der Saga lautet:
“Nun zog Herr Iven seiner Wege und ritt in ein tiefes Tal und kam in einen dichten Wald. Er hörte ein klägliches Geschrei und Geräusch und lenkte sofort sein Pferd dorthin. Da sah er im Gebüsch einen großen Löwen und einen Drachen, der ihn am Schwanz festhielt und ihn mit dem Feuer und Gift, das er auf ihn blies, verbrannte, sodaß die Lenden des Löwen durch die Flammen und das Gift des Drachen versengt und verbrannt wurden. Als Herr Iven diesen sonderbaren Vorfall sah, da überlegte er, wem von ihnen er helfen sollte. [Die christlich moralistische Erwägung ist im altnordischen Text ausgelassen.] Er stieg vom Pferd und band es fest, damit es durch den Drachen keinen Schaden erleide. Er zog dann das Schwert und schützte sich mit dem Schild, damit ihm das Feuer nicht schade, das der Drache aus seinem Rachen blies, welcher so groß wie ein Ofenloch war. Da er merkte, daß ihn der Löwe zu Hilfe rief, wollte er ihm nun gerne helfen, wie auch immer er und der Löwe nachher miteinander zurechtkommen würden. Er schlug also den Drachen mittenauseinander und dann in kleine Stücke [...] Aber der Löwe kroch zu ihm und drehte den Bauch nach oben und benetzte seine Schnauze mit Tränen und unterwarf so Herrn Iven.” Und er wurde Herrn Ivens treuer Helfer und Begleiter bis an das Ende seines Lebens.
“Und hier schließt die Saga von Herrn Iven, er Hákon konungr gamli lét snúa ór Franzeisu í Norroenu” (die König Hákon der Alte aus dem Französischen ins Nordische übersetzen ließ).
Die Ivens saga war nicht die einzige, die König Hákon Hákonarsson von Norwegen, wegen seiner langen Regierungszeit von 1217-63 “der Alte” genannt, übersetzen ließ. Ein Bruder Robert fertigte in seinem Auftrag eine Tristrams saga an, es folgten eine Parcevals saga, eine Saga om Flores og Blankiflur und etliche weitere. Dahinter stand natürlich ein Programm. Hákon wollte seinem Hof und seiner Gefolgschaft etwas vom Geist der höfischen Kultur an den gesitteten Höfen Frankreichs und die ritterlichen Ideale vermitteln, wie er es noch direkter in Konungs skuggsjá, dem Königsspiegel, einem umfassenden Erziehungsbuch für seine Söhne, ausdrücken ließ. Zwar dürften Bruder Robert und auch der Verfasser des Königsspiegels Norweger gewesen sein; aber selbst nach Ansicht der Norweger waren Isländer die besten Schriftsteller des Nordens. So ließ König Hákon seine eigene Saga noch zu Lebzeiten von einem Isländer, dem Historiker Sturla Þorðarson, schreiben. Und die Isländer nahmen Abschriften der neuen höfischen Rittersagas mit auf ihre Insel, wo sie offenbar schnell populär wurden. Von der Ivens saga sind dort nicht weniger als 15 Handschriften erhalten geblieben. (Die jüngsten wurden noch im 19. Jahrhundert abgeschrieben.)
Morgen wende ich mich der Frage zu, warum der Löwenritter Yvain ausgerechnet auf dem Bauernhof Valþjófsstaðir Spuren hinterließ.
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Noch einige Kilometer weiter in dem zu den Bergen führenden Ende des Fljótsdalur steht eine unscheinbare kleine Kirche, wie es sie zu Tausenden gibt: einfaches Schiff mit steilem Satteldach, im Westen über dem Eingang ein kleiner, viereckiger Turm; beide mit rot gestrichenem Wellblech gedeckt. Natürlich ist dieses Kirchlein nicht das erste an diesem Ort. (Island ist schließlich seit über 1000 Jahren ein christianisiertes Land.) In seinen Vorgängerinnen, ich weiß nicht, wie viele es im Lauf der Jahrhunderte waren, wurde lange eine Kostbarkeit aufbewahrt, die noch älter ist als sie alle zusammen. Eine alte Tür aus Kiefernholz; dunkel geworden vor Alter und Rauch, denn sie war ursprünglich nicht für eine Kirche angefertigt worden, sondern für die Halle eines Häuptlingssitzes.
Das lassen zwei große, kreisrunde Reliefs erkennen, die ober- und unterhalb des großen bronzenen Türklopfers in die breiten Bohlen geschnitzt wurden und die sehr deutlich ein weltliches und kein geistlich-erbauliches Bildprogramm zeigen. Das untere stellt eine wahre Schlangengrube dar. In der verwirrenden Stilisierung germanischer Tierornamentik verschlingen und verbeißen sich dort, in vollendeter Kunstfertigkeit geschnitzt, vier krallenbewehrte, schlangenförmige Drachenleiber mit Klauen und Zähnen ineinander.
Das obere Relief ist unterteilt. In seiner unteren Bildhälfte sieht man ebenfalls einen Drachenleib mit Flügeln und krallenbewehrten Beinen; doch wird er gerade von einem Ritter zu Pferd mit dem Schwert durchbohrt. Der Ritter trägt einen spitzkonischen Helm und einen dreieckigen Schild nach Art der normannischen vom Bildteppich von Bayeux auf den Rücken geworfen und wird von einem Vogel, vielleicht einem Jagdfalken, begleitet. Links wendet sich ein von dem Drachen umschlungener Löwe zur Flucht.
Im oberen Bildfeld sieht man den Ritter friedlich durch die Lande tölten. Der Löwe folgt ihm wie ein Schoßhündchen auf dem Fuß. Ganz rechts sieht man den Löwen mit traurig gesenktem Kopf auf einem mit einem Kreuz bezeichneten Grab liegen. Darunter sind Runen eingeritzt. In lateinischer Umschrift lauten sie: ríkja konung hér grafinn er vá dreka þenna, “der Reiche König, der hier begraben liegt, tötete diesen Drachen.”
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Der Ortsname Skriðuklaustur dürfte auch Sprachunkundige erkennen lassen, daß hier einmal ein Kloster gestanden hat. Es war das letzte, das in Island gegründet wurde. Höchstwahrscheinlich im Jahr 1493, als gerade eine zweite Welle der Pest um die Insel wütete. Eine Kirche (mit Friedhof) stand bereits seit langem auf Skriða; doch in jenem Jahr unternahm Bischof Stefán Jónsson aus dem südisländischen Bistum Skálholt eine Visitationsreise durch das seiner Diözese unterstehende östliche Landesviertel, und einige seiner Begleiter wurden Opfer recht ruppiger gewaltsamer Überfälle. Im Wilden Osten Islands fehlte es also an öffentlicher Ordnung. Vielleicht infolge der Pest. Da sollte die Gründung eines Klosters als Stützpunkt der noch am besten organisierten Macht im Land wohl Abhilfe schaffen. Außerdem bekam die Kirche durch die Klostergründung, nicht ganz unwichtig, eine gute Ausgangsbasis, um durch die Seuche herrenlos gewordene Bauernhöfe und Ländereien in ihren Besitz zu bringen. Die beiden ersten Prioren erwarben Landrechte an nicht weniger als 40 Höfen. Viele von ihnen am Meer gelegen, wo man gut zum Fischfang ausrudern konnte.
Nicht mehr als 4-6 Augustinermönche lebten jeweils im Kloster, doch wurden sie von einer größeren Schar von Laienbrüdern und anderen Helfern unterstützt, damit sie außer ihren geistlichen Aufgaben eine Schule und vor allem wohl ein Spital für Kranke und Alte unterhalten konnten. An den bislang exhumierten und obduzierten Skeletten ließen sich neben den üblichen Zahnerkrankungen und schlecht verheilten Knochenbrüchen jedenfalls auch Krankheiten wie Tuberkulose, Lepra und Syphilis nachweisen. Mit der vom dänischen König zwangsweise durchgeführten Reformation wurde das Kloster 1554 aufgelöst. Die abgebildete Marienfigur soll ein späterer Bewohner des Hofs in der Torfwand eines Stalles vergraben gefunden haben. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vielleicht in Lübeck geschnitzt.
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Nach so viel Häuslichkeit wie in den letzten Tagen war es an der Zeit, auch einmal wieder über die Talwände hinauszublicken. Zumal der Schnee zusammenschmilzt und die Straßen längst freigeräumt sind. Also ein neuerlicher Anlauf, über die Berge und die Paßstraße, auf der der Yaris vor Wochen noch klein beigeben und abdrehen mußte, hinab in die Fjorde zu kommen.
Diesmal ist die Straße über die Fjarðarheiði problemlos zu befahren, auch wenn das Wetter nicht gerade berühmt ist.
Sieh da, die kleine Lebensrettungshütte auf der Paßhöhe ist auch wieder aus den Schneemassen aufgetaucht.
Und jemand hat sogar die Wasserfälle wieder angestellt.
Dann liegt unten in dem gewinkelten Fjord Seyðisfjörður, im Sommer Fährhafen für die Norröna II aus Torshavn, Färöer, die Autotouristen vom Kontinent, Skandinavien und den Britischen Inseln über den Atlantik hierher schaukelt.
Im Winter geht es in dem kleinen Örtchen beträchtlich ruhiger zu. In diesem Winter sind auch noch die großen Schwärme der Lodde komplett ausgeblieben. Das bedeutet Arbeitslosigkeit und eine finanzielle Katastrophe für die Familien, die im Winterhalbjahr fast alle auf die eine oder andere Weise vom Fisch leben. Zusätzlich zur sowieso schon heftigen allgemeinen Wirtschaftskrise in Island dieser Tage. Im Landesdurchschnitt ist jeder Haushalt der Insel derzeit mit rund 100.000 Euro Hypothekenschulden belastet. Umfragen und Bewerbungen zeigen, daß wohl allein in diesem Jahr etwa 4000 Menschen vor allem nach Kanada auswandern werden.
Entsprechende Tristesse macht sich in dem kleinen Örtchen unten auf der Sohle des Fjords breit. Kaum vorzustellen, daß es fast Islands Hauptstadt geworden wäre. Immerhin ist es seit 1843 Handelsort, und mit dem Aufschwung der Fischerei und der Niederlassung norwegischer Reeder und Kaufleute blühte es um 1900 beachtlich auf. Spötter behaupten, in Seyðisfjörður habe in Island zuerst das Mittelalter geendet. Im Jahr 1911, als das erste Überseetelefonkabel von Dänemark hier an Land kam. Es wurde hierher verlegt, weil der geschützte Hafen in dem engen Fjord Europa am nächsten liegt. Besseres Wetter als der Westen hätte Seyðisfjörður im langjährigen Mittel immerhin vorzuweisen, aber wenn man sich die heutige Ausdehnung Reykjavíks vor Augen hält, ist gar nicht auszudenken, wo dessen Häuser und Wohn- und Gewerbeviertel hier alle Platz finden sollten. So ist es wohl besser so, wie es gekommen ist. Und statt der zahlreichen stillstehenden Baukräne in Reykjavík wühlt hier ein einsamer Bagger trübsinnig im Schlamm am Ende des Fjords.
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Wenn in der Dämmerung wieder einmal der Wind kalt heulend um die Hausecken pfeift und man sich ganz allein in dem 600m²-Haus befindet, die Sturmlaterne des nächsten Hofs als einziges Zeichen menschlicher Nachbarschaft winzig klein und verloren gerade noch in Sichtweite, eine Diele knackt irgendwo oder es rüttelt auf einmal an einem der Fenster...
dann ist die Stunde gekommen, in dem alten Kachelofen Feuer zu machen und sich mit Vikivaki, dem Roman der toten Seelen, in dem alten Polstersessel davor niederzulassen. Und nach ein paar Seiten darin würde man sich gar nicht mehr wundern, wenn es irgendwann über die Dielen auf dem langen Flur draußen tapsend oder schleifend näher käme und Séra Sigvalde, der kopflose Rumpf oder am Ende sogar der Meister selbst, GG, als Großer Geist einträten.
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Davon legt schon sein 600 m²-Wohnhaus in Skriðuklaustur mit seinen halbmeterdicken Außenmauern, dem zur Hälfte umlaufenden Balkon, den vielen Fenstern, den gediegenen Holzdielen im Inneren und vielem mehr beredtes Zeugnis ab.
400 Schafe, ein halbes Dutzend Kühe, Schweine, Pferde und natürlich Federvieh hielt er schließlich in seinen Ställen und beschäftigte zur Erntezeit im Sommer ein Dutzend Knechte und Mägde. Doch der Betrieb stockte. Zum einen fehlte Geld, denn dadurch daß Island seit 1940 von den Alliierten besetzt war, Dänemark hingegen von der deutschen Wehrmacht, konnten GG die Erlöse seiner Bücherverkäufe dort nicht mehr überwiesen werden. Anfang 1944 wies sein Betrieb ein Defizit von 20.000 Kronen auf, und es sah nicht danach aus, als würde sich das Blatt noch einmal zum Besseren wenden. Zum anderen gingen GG's Vorstellungen von der Landwirtschaft nämlich von den Zuständen vor seinem Weggang aus Island aus und beruhten damit auf einer falschen, weil veralteten Idee: der mehr als ausreichenden Verfügbarkeit billiger menschlicher Arbeitskraft. Im und nach dem Krieg aber nahm das isländische Wirtschaftsleben durch steigende Nachfrage und Infrastrukturmaßnahmen der Besatzer einen kräftigen Aufschwung, besonders in und um die Hauptstadt Reykjavík entstanden immer mehr besser bezahlte Arbeitsplätze in Gewerbebetrieben und Unternehmen. Die bis heute anhaltende Landflucht begann, den Bauern lief das Gesinde einfach davon. Im Sommer 1948 kamen GG und seine Frau eines Tages von einer Spazierfahrt zurück und fanden im Wind klappernde offene Türen, Kühe auf der Hauswiese und frei herumlaufende Schafe vor. Die letzten Mägde und Knechte hatten sich vom Hof gemacht. Im Dezember 1948 schenkte GG Skriðuklaustur der erst vier Jahre alten isländischen Republik mit der Auflage, den Hof zu kulturellen Zwecken zu nutzen.
Die Erfüllung dieser Auflage sollte GG aber nicht mehr erleben. Jahrzehntelang nutzte der Staat Skriðuklaustur lediglich als landwirtschaftliches Versuchsgut. Erst 1989, 14 Jahre nach seinem Tod, richtete er dort eine Gästewohnung für Künstler und Wissenschaftler ein, und erst 1997 wurde die Anlage endlich einer Stiftung, dem Gunnar-Gunnarsson-Institut, übergeben.
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Deutschen Betrachtern erscheint es für ein Haus jener Zeit vielleicht gar nicht so fremd, und das überrascht nicht, denn es wurde von einem deutschen Architekten gezeichnet. Und zwar von keinem unbekannten, sonderm vom Erbauer u.a. des Chilehauses in Hamburg, Fritz Höger.
Höger war sicher kein unproblematischer Mensch, der sich den Nazis andiente, wie er nur konnte, aber vor Hitlers Augen mit seinen programmatisch norddeutschen Backsteinfassaden wegen dessen neoklassizistischer Vorlieben keine Gnade fand.
Gunnar Gunnarsson (GG) dürfte ihn bei den Versammlungen der Nordischen Gesellschaft in Lübeck kennengelernt haben, die den Isländer aus Dänemark in den Anfangsjahren des Dritten Reichs als eine Art Vorzeigenordländer immer wieder zu Lesungen einlud. Beide stammten aus vergleichbaren bäuerlichen Verhältnissen und scheinen sich fast miteinander befreundet zu haben. Jedenfalls bat GG Höger, ihm für das Land, das er im Osten Islands erworben hatte, ein Haus zu entwerfen - und Höger legte los.
Er entwarf einen herrschaftlichen Gutshof mit Wirtschaftsgebäuden und Stallungen für 800 Schafe, Kühe und Pferde, wie er ihn sich als Trutzburg eines nordischen Odalbauern vorstellen mochte. Die Wände sollten wie ein Stauferkastell aus Basaltwackersteinen errichtet werden. Auf seinen Bauzeichnungen wird das Haupthaus von hohen Bäumen beschattet. Mit den Gegebenheiten in Island hatte das alles wenig zu tun.
Gebaut wurden letztlich lediglich das Haupthaus und ein Seitenflügel, und die Ausführung wurde von den örtlichen Handwerkern auch recht anders gelöst, als sich der Architekt das vorgestellt hatte.
Trotzdem ist das Ergebnis ein bis heute völlig einzigartiges Bauwerk in Island.
Wer an die traditionellen Bauernhäuser aus Grassoden denkt oder an die mit Wellblech gedeckten und verkleideten Holzhäuschen jener Zeit, dem erscheint dieses Haus, das damals etwa den Gegenwert von zehn Einfamilienhäusern in Reykjavík gekostet hat, geradezu grotesk.
Besonders wenn man es wie die meisten Touristen im Sommer besucht, wenn das harte Schwarzweiß seiner Fassaden gleichsam aus den grünen Hängen und Wiesen herauszuspringen scheint wie gebleichte Knochen.
Erst im Winter fügt es sich besser in die dann ebenfalls schwarzweiße Umgebung ein.
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Während die einen auf den Schneepflug warten, treibt der viele Schnee andere zur Futtersuche in die Täler.
Der Osten Islands ist dafür bekannt, daß dort die einzigen Rentiere der Insel leben. Ihre Vorfahren wurden im späten 18. Jahrhundert aus der norwegischen Finnmark eingeführt und in verschiedenen Teilen der Insel ausgesetzt. Die ersten drei Versuche schlugen fehl: keines der Tiere überlebte einen isländischen Winter. Erst eine vierte Herde, die man 1787 im Vopnafjörður im Nordosten an Land setzte, fand dort im Hinterland genügend Rentierflechte, um den Winter zu überstehen.
Ihr Bestand beträgt heute in guten Jahren bis zu 4000 Tiere. Um die empfindliche Vegetation auf der Hochlandtundra vor Überweidung zu schützen (und Geld mit Jagdlizenzen zu verdienen), werden jährlich zwischen 1000 und 1300 Tiere zum Abschuß freigegeben.
Sie sind inzwischen die Wappentiere für das Ostland geworden, und auch ein Kunstfestival trägt ihren Namen.
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