Donnerstag, 15. April 2010
Island: der nächste Ausbruch
Der inzwischen drei Wochen alte Vulkanausbruch in Island dauert immer noch an, aber er war den Nachrichten keine Meldung mehr wert, weil die Lava in menschenleerem Gebiet so ungefährlich wie überlaufender Grießbrei in tiefe Schluchten suppte. Bis heute. Seit Mitternacht nahm auf einmal die Erdbebenhäufigkeit unter dem nahen Gletscher so signifikant zu, daß die Seismologen Alarm schlugen. Wieder einmal wurden die Anwohner unten an der Küste, etwa 800 Menschen, evakuiert, als in den frühen Morgenstunden die erste Rauch- und Dampfsäule aus dem Gletscher aufstieg. Nur eine halbe Stunde später begann der Pegel in den Gletscherabflüssen rasant zu steigen. Das deutete darauf hin, daß unter dem Gletschereis ein weiterer, stärkerer Ausbruch begonnen hatte. Nach einem ersten Erkundungsflug meldeten Vulkanologen drei sichtbare Löcher in der Gletscherkappe, unter der sie eine etwa zwei Kilometer lange Spalte in der Gipfelregion des Gletschers vermuten, die von dem gut 200 Meter dicken Eispanzer in jeder Sekunde etwa 1000 m³ zum Schmelzen und Verdampfen bringen. Die Dampfsäule erreichte inzwischen eine Höhe von 8 Kilometern. Das Schmelzwasser schoß die Gletscherflanken hinab in die Flüsse. Noch am Vormittag riß man an vier Stellen vorsorglich selbst den Damm mit der einzigen Straße an der Südküste auf, um den zu erwartenden Wasserdruck auf die Brücken über die Flußarme zu reduzieren. Gegen Mittag rollte die erste Flutwelle an. Luftaufnahmen hier: http://http.ruv.straumar.is/static.ruv.is/vefur/gos_vefur.wmv
Die inzwischen austretende Asche gefährdet den Flugverkehr im Nordatlantik und über Skandinavien bis nach Rußland. (Unten die Verbreitungsvoraussage für morgen.) Die norwegische Flugsicherheit hat den Luftraum über Nordnorwegen bereits gesperrt.
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Mittwoch, 31. März 2010
Kommentare von der Vulkaninsel
Auf etliche Meldungen hin, daß sich Leute bei dem Versuch, mal eben nach dem Sonntagskaffee den ausgebrochenen Vulkan zu besichtigen, selbst in Gefahr gebracht haben - einen hielt die Polizei laut Meldungen gerade noch davon ab, sich in Jeans und Lederjacke, auf Turnschuhen und mit einem Schokoriegel als Verpflegung auf den eisigen Weg zu machen -, schrieb mir heute ein Freund aus Island:
"So sind wir Isländer von heute inzwischen: wir kennen die Natur nicht mehr, halten ihre Urgewalt für eine Fernsehsoap, die wir uns gefahrlos ansehen können."
In der Netzzeitung eyjan.is kommentierte KVERÚLANTINN (31.03 2010 kl.09:43): Þetta er fullorðið fólk. Látum það sjá um sig sjálft. ("Das sind erwachsene Menschen. Laßt sie sich um sich selber kümmern.")
hress (= gesund & munter):
"Bin gestern von der Küste zum Ausbruch und zurück gelatscht, kann es nicht empfehlen, außer für Leute in extrem guter Form und in sehr guter Kleidung hoch 2. Es war irre schön, irre schwer, irre glatt und irre kalt."
Und ein Sigurrafn setzte noch hinzu:
Durch den Windchill-Faktor kann die Kälte auf dem Fimmvörðuháls - 30 C° erreichen. Unterkühlung kann sich schon einstellen, wenn man nur die Handschuhe auszieht, um etwas zu essen. Flüssigkeit gefriert im Rucksack, und keinem geht es gut, ohne zu trinken. Erkältung und Muskelkater kommen üblicherweise hinterher dazu.
Auf meine Rückfrage an JK, ob er sich am Wochenende auch auf den Weg gemacht habe:
"neibb. Of mikil túristalykt. Of mikill æsingur, vitleysa. Bíð bara eftir Kötlu, þá getur maður séð gosið héðan..."
(Nö. Zu viel Touristengeruch. Zu viel Aufgeregtheit, Blödsinn. Ich warte auf die Katla, dann kann man den Ausbruch von hier aus sehen...")
"So sind wir Isländer von heute inzwischen: wir kennen die Natur nicht mehr, halten ihre Urgewalt für eine Fernsehsoap, die wir uns gefahrlos ansehen können."
In der Netzzeitung eyjan.is kommentierte KVERÚLANTINN (31.03 2010 kl.09:43): Þetta er fullorðið fólk. Látum það sjá um sig sjálft. ("Das sind erwachsene Menschen. Laßt sie sich um sich selber kümmern.")
hress (= gesund & munter):
"Bin gestern von der Küste zum Ausbruch und zurück gelatscht, kann es nicht empfehlen, außer für Leute in extrem guter Form und in sehr guter Kleidung hoch 2. Es war irre schön, irre schwer, irre glatt und irre kalt."
Und ein Sigurrafn setzte noch hinzu:
Durch den Windchill-Faktor kann die Kälte auf dem Fimmvörðuháls - 30 C° erreichen. Unterkühlung kann sich schon einstellen, wenn man nur die Handschuhe auszieht, um etwas zu essen. Flüssigkeit gefriert im Rucksack, und keinem geht es gut, ohne zu trinken. Erkältung und Muskelkater kommen üblicherweise hinterher dazu.
Auf meine Rückfrage an JK, ob er sich am Wochenende auch auf den Weg gemacht habe:
"neibb. Of mikil túristalykt. Of mikill æsingur, vitleysa. Bíð bara eftir Kötlu, þá getur maður séð gosið héðan..."
(Nö. Zu viel Touristengeruch. Zu viel Aufgeregtheit, Blödsinn. Ich warte auf die Katla, dann kann man den Ausbruch von hier aus sehen...")
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Donnerstag, 25. März 2010
wortlos am 4. Tag des Ausbruchs
Am Tag 4 des Vulkanausbruchs auf dem Fimmvörðuháls in Island besserte sich das Wetter dort oben endlich so weit, daß die Ausbruchsstelle von einem Team von Geologen und Kameraleuten erreicht werden konnte. "Es dauerte eine Weile, bis sie nach dem ersten Blick auf das grandiose Schauspiel wieder Atem holten", heißt es im Pressebericht. Glühende Lava und Schlackebomben werden etwa hundert Meter hoch aus den Kratern geschleudert, und nicht weit davon entfernt stürzt der glühflüssige Lavastrom wie ein roter Wasserfall in eine hundert Meter tiefe Schlucht. Ein kurzer, aber eindrucksvoller Filmbericht ist im isländischen Fernsehen RÚV (unten auf die Zeile "horfa á myndir" klicken) und im Netz zu sehen, wenn man folgende URL eingibt:
Trockener Kommentar im offiziellen Bericht auf der Nachrichtenseite des Fernsehens: "Die umherfliegenden Lavabrocken sind so groß, daß sich, wer von ihnen getroffen wird, nicht mehr verbinden zu lassen braucht."
Der Ton der Sagas; es gibt ihn noch immer.
http:/http.ruv.straumar.is/static.ruv.is/vefur/24032010_eldgos.wmvObwohl die Gegend wegen der offensichtlichen Gefahren für Besucher zum Sperrgebiet erklärt wurde, gehen die Behörden davon aus, daß sich bei besser werdendem Wetter trotz Warnungen und Straßenabsperrungen der Polizei doch etliche Neugierige auf den Weg machen werden, um sich das Naturschauspiel mit eigenen Augen anzusehen. Das Ganze findet eben in Island statt, und man hat dort oft ein etwas anderes Selbst- und Obrigkeitsverständnis als bei uns. Was nicht explizit verboten ist, ist selbstverständlich sowieso schon mal grundsätzlich erlaubt. Und wenn die Polizei vor etwas warnt oder den Zutritt zu einem Gebiet untersagt, heißt das noch lange nicht, daß die Warnung mich von etwas abhält und das Verbot auch für mich persönlich gelten soll. Darüber entscheide ich als mündiger Bürger dieses freien Staates souverän selbst; denn überhaupt: wenn Geologen dahin dürfen und können, wieso sollte ich es dann nicht dürfen, wenn ich es auch schaffe. - Die ersten waren auch schon da. Vor den Wissenschaftlern. Hier das erste Privatvideo auf YouTube. Wie wenig man sich in Island wegen Übertretung eines polizeilichen Verbots Gedanken macht, zeigt schon der Umstand, daß die vier mutigen Schneescooterfahrer stolz ihre Namen im Abspann veröffentlichen. Titel ihres kessen Filmchens mit Begleitmusik von Altrocker Bubbi Morthens: "Wer zuerst kommt, sieht zuerst."
Trockener Kommentar im offiziellen Bericht auf der Nachrichtenseite des Fernsehens: "Die umherfliegenden Lavabrocken sind so groß, daß sich, wer von ihnen getroffen wird, nicht mehr verbinden zu lassen braucht."
Der Ton der Sagas; es gibt ihn noch immer.
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Montag, 22. März 2010
Fimmvörðuháls, Tag 2 des Ausbruchs
Die Auswurfstätigkeit an der Ausbruchstelle hat seit gestern eher noch etwas zugenommen, anstelle der zunächst aufgerissenen Spalte scheinen sich allmählich zwei Krater zu bilden, aus denen geringe Mengen schwarzer Asche und einiges an Lava austreten (Bild 1, oben). Auf dem zweiten Bild, einer Luftaufnahme aus Richtung Þórsmörk, ist zu erkennen, daß die schwarze Lava inzwischen einen Hang hinab in eine Schlucht fließt und dort Eis und Schnee verdampfen läßt.
Nachdem die Evakuierung abgelaufen ist wie am Schnürchen, beunruhigt die derzeitige Eruption die Isländer nicht weiter. Sie wissen allerdings, daß sie nur erst das Vorspiel zu einem viel gefährlicheren Ausbruch sein könnte.
Seit der Besiedlung der Insel haben sich etwa an der jetzigen Stelle nicht mehr als fünf Eruptionen ereignet. Jedesmal aber folgte ihnen im Abstand von einigen Wochen bis Monaten ein Ausbruch der Katla unter dem benachbarten Gletscher Mýrdalsjökull, und die Katla, Islands zweitgrößter Vulkan, gilt als sehr gefährlich. Ihre Ausbrüche werden oft sehr heftig, und zusätzlich kann sie noch rasant schnell riesige Mengen Eis im Gletscher zum Abschmelzen bringen, sodaß es obendrein zu einem Gletscherlauf mit gewaltigen Überflutungen kommen könnte, wie zuletzt 1996 weiter östlich beim Ausbruch im Vatnajökull. Die Katla ist ziemlich regelmäßig aktiv und im letzten Jahrtausend im Durchschnitt zweimal in jedem Jahrhundert ausgebrochen. Der bisher letzte Ausbruch ereignete sich im Katastrophenjahr 1918. Auch damals kam es zu einem Gletscherlauf, bei dem mehr Wasser vom Gletscher herabschoß, als der Amazonas an seiner Mündung führt. Statistisch betrachtet ist ein neuerlicher Ausbruch der Katla längst mehr als überfällig.
Meanwhile... sind sich einige Leser der britischen Times nicht zu blöd, sich über den Ausbruch als “gerechte Bestrafung” der Isländer für die Icesave-Pleite zu freuen:
“I hope that there is no Humanitarian disaster caused by this eruption. Cant see the British public rushing to raise funds since they stitched us up with their banking!”, schreibt einer in seiner Zuschrift, und ein anderer stimmt hämisch ein: “Ooh, let's all run with lots of international aid..... NOT! Nice photos, think I'll sit back and enjoy them.”
Ein dritter spricht gar vom göttlichen Strafgericht:
“Good! I have, until now, not believed in divine intervention but now I'm not so sure... Leave the money stealing, cheating, whale killing fish eaters to their fate. And not a penny or cent in disaster aid - they have enough of our cash as it is.”
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Sonntag, 21. März 2010
Die Säfte steigen: Vulkanausbruch in Island
Nach gesteigerter Erdbebentätigkeit in den vergangenen Wochen ist letzte Nacht zum Frühlingsanfang in Island ein Vulkan ausgebrochen. Nach ersten Einschätzungen scheint es sich allerdings um einen der beliebten túristagos oder "Touristenausbrüche" zu handeln, die nicht viel Schaden anrichten, dafür aber atemberaubendes Spektakel bieten.
Die Ausbruchstelle liegt nun auch noch ganz in der Nähe eines beliebten Wanderwegs, nämlich auf dem Fimmvörðuháls, einem Bergsattel zwischen den beiden Gletschern Mýrdalsjökull und Eyjafjallajökull an der Südküste der Insel, über den man von der Küste in das waldbestandene und von Gletschern umringte Tal Þórsmörk im Landesinnern wandern kann. Dort oben hat sich in der Nacht eine etwa kilometerlange Spalte geöffnet, aus der 10-12 Feuersäulen aufsteigen und Lava fördern. Bislang eine überwiegend saure und zähflüssige Lava, die auch nicht von viel Asche begleitet wird. Immerhin regnet es bereits etwas Asche im besiedelten Tiefland, und man hat die Anwohner der dort liegenden Bauernhöfe, etwa 500 bis 600 Menschen, vorsorglich evakuiert. (Im Lauf des Tages sollen sie kurz auf ihre Höfe zurückkehren dürfen, um das Vieh zu versorgen.) Mit einem Gletscherlauf ist vorerst nicht zu rechnen, da sich der Ausbruch bislang nicht unter dem Eis der Gletscher ereignet. Die Flughäfen im Norden und Westen Islands (auch der internationale Flughafen in Keflavík) wurden erst einmal geschlossen. (Im Fall eines Vulkanausbruchs wird in Island obligatorisch der Luftraum im Umkreis von 120 Seemeilen um die Ausbruchstelle gesperrt, damit Flugzeuge nicht Gebiete überfliegen, in denen sie Aschepartikel in die Triebwerke bekommen könnten.)
Hier die Aufnahme eines isländischen Bloggers und Fotografen, die die Gegend zeigt. Der Wanderweg und die vermutliche Aussbruchsstelle sind eingezeichnet.
Die Ausbruchstelle liegt nun auch noch ganz in der Nähe eines beliebten Wanderwegs, nämlich auf dem Fimmvörðuháls, einem Bergsattel zwischen den beiden Gletschern Mýrdalsjökull und Eyjafjallajökull an der Südküste der Insel, über den man von der Küste in das waldbestandene und von Gletschern umringte Tal Þórsmörk im Landesinnern wandern kann. Dort oben hat sich in der Nacht eine etwa kilometerlange Spalte geöffnet, aus der 10-12 Feuersäulen aufsteigen und Lava fördern. Bislang eine überwiegend saure und zähflüssige Lava, die auch nicht von viel Asche begleitet wird. Immerhin regnet es bereits etwas Asche im besiedelten Tiefland, und man hat die Anwohner der dort liegenden Bauernhöfe, etwa 500 bis 600 Menschen, vorsorglich evakuiert. (Im Lauf des Tages sollen sie kurz auf ihre Höfe zurückkehren dürfen, um das Vieh zu versorgen.) Mit einem Gletscherlauf ist vorerst nicht zu rechnen, da sich der Ausbruch bislang nicht unter dem Eis der Gletscher ereignet. Die Flughäfen im Norden und Westen Islands (auch der internationale Flughafen in Keflavík) wurden erst einmal geschlossen. (Im Fall eines Vulkanausbruchs wird in Island obligatorisch der Luftraum im Umkreis von 120 Seemeilen um die Ausbruchstelle gesperrt, damit Flugzeuge nicht Gebiete überfliegen, in denen sie Aschepartikel in die Triebwerke bekommen könnten.)
Hier die Aufnahme eines isländischen Bloggers und Fotografen, die die Gegend zeigt. Der Wanderweg und die vermutliche Aussbruchsstelle sind eingezeichnet.
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Mittwoch, 6. Januar 2010
1 Mann stellt sich quer
Bekannt ist, daß Island in der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise vor allem durch irrsinnige bis kriminelle Machenschaften einiger seiner international operierenden Investoren und Bankiers wirtschaftlich beinahe zusammengebrochen ist und seine Steuerzahler nun Schulden in Höhe von 850% des BIP abzutragen haben. Bekannt ist weiterhin, daß die isländische Regierung, um einen akuten Staatsbankrott abzuwehren, erst einmal um Kredite des Weltwährungsfonds und der befreundeten nordischen Länder bitten mußte, und daß sie überzeugt war, eine Konsolidierung der eigenen Wirtschaft längerfristig nur durch einen Beitritt zur EU erreichen zu können. Bekannt ist auch, daß vor allem Großbritannien und die Niederlande ihre Zustimmung zu einem Beitrittsgesuch Islands davon abhängig machten, daß die Isländer, zusätzlich zu den bereits aufgelaufenen Schulden, auch die mit dem Bankrott ihrer Banken verloren gegangenen Einlagen ausländischer Anleger zurückzahlen. Im gerade abgelaufenen Jahr hat die isländische Regierung mit 33 gegen 30 Stimmen und gegen den Willen breiter Teile der Bevölkerung Gesetze beschlossen, in denen die Rückzahlungen der sogenannten Icesave-Gelder garantiert werden sollten.
Heute nun hat der isländische Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson überraschend sein Veto gegen diese Gesetze eingelegt. Es ist überhaupt erst das zweite Mal in der Geschichte des Landes, daß der Präsident von seinem Vetorecht Gebrauch macht.
Am letzten Tag des Jahres war ihm eine von 40.000 Bürgern, das sind 25% aller Wahlberechtigten in Island, unterzeichnete Petition gegen die Icesave-Gesetze überreicht worden. Heute verweigerte Ólafur Ragnar seine Unterschrift unter die Gesetzesvorlage. Er tat dies mit dem Hinweis auf den Grundsatz der isländischen Verfassung, dem zufolge das Volk der Souverän und oberste Richter über die Geltung von Gesetzen sei. Seine Weigerung bedeutet nämlich, daß die Regierung den Gesetzesvorschlag nun zurückziehen oder dem Volk in einer Volksabstimmung zur Entscheidung vorlegen muß.
Laut Umfragen sollen bis zu 70% der Isländer dagegen sein, daß sie zusätzlich zu den ihnen und ihren Kindeskindern bereits aufgebürdeten Schulden auch noch die vom isländischen Volk nicht verursachten Verluste ausländischer Anleger erstatten sollen. Für die ohnehin unter ihren Schulden keuchende kleine Nation geht es dabei um große Beträge: Holland fordert Rückzahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, Großbritannien sogar fast das Doppelte, 2,5 Milliarden.
Wie Holländer und Briten auf sein Veto voraussichtlich reagieren würden, hat der isländische Präsident natürlich vorhergesehen. Deswegen fügte er am Ende seiner Erklärung hinzu, Großbritannien und die Niederlande gehörten zu den ältesten Demokratien Europas; deshalb sollten sie auch “tiefen Respekt für das demokratische Recht des isländischen Volkes empfinden”.
Ganz so tief scheint der Respekt zumindest des niederländischen Finanzministers Wouter Bos nicht zu reichen. In einer ersten öffentlichen Reaktion im holländischen Fernsehen sagte er: “Wir werden die Isländer so oder so wissen lassen, daß wir unser Geld zurückwollen, und wir werden es auch kriegen.”
Der britische Finanzminister Alistair Darling hatte schon im Vorfeld eine Warnung Richtung Island abgefeuert: Ein Scheitern der Gesetze würde “things a lot more difficult” machen. Aber von den Briten haben sich die Isländer noch nie gern kujonieren lassen, und vielleicht hat Darlings Schuß vor den Bug Ólafur Ragnar erst richtig den Kamm schwellen lassen. Jedenfalls dürfte der Ton zwischen allen Beteiligten erst einmal schärfer werden. Der britische Daily Telegraph zitiert in seiner heutigen Online-Ausgabe jedenfalls einen Analysten der Danske Bank: "The British and Dutch governments will do anything they can to hold the payout from the IMF". Mit anderen Worten, sie werden den Isländern jetzt erst einmal finanziell Daumenschrauben anlegen.
Oder wie es Jeremy Warner, der Leitartikler des Telegraph formulierte: "They are definitely not going to be allowed into the European Union now. In fact they will be lucky if we don’t set the gunboats on them. - Pay up Mr Grimmson (Iceland’s president), or the cod gets it."
Heute nun hat der isländische Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson überraschend sein Veto gegen diese Gesetze eingelegt. Es ist überhaupt erst das zweite Mal in der Geschichte des Landes, daß der Präsident von seinem Vetorecht Gebrauch macht.
Am letzten Tag des Jahres war ihm eine von 40.000 Bürgern, das sind 25% aller Wahlberechtigten in Island, unterzeichnete Petition gegen die Icesave-Gesetze überreicht worden. Heute verweigerte Ólafur Ragnar seine Unterschrift unter die Gesetzesvorlage. Er tat dies mit dem Hinweis auf den Grundsatz der isländischen Verfassung, dem zufolge das Volk der Souverän und oberste Richter über die Geltung von Gesetzen sei. Seine Weigerung bedeutet nämlich, daß die Regierung den Gesetzesvorschlag nun zurückziehen oder dem Volk in einer Volksabstimmung zur Entscheidung vorlegen muß.
Laut Umfragen sollen bis zu 70% der Isländer dagegen sein, daß sie zusätzlich zu den ihnen und ihren Kindeskindern bereits aufgebürdeten Schulden auch noch die vom isländischen Volk nicht verursachten Verluste ausländischer Anleger erstatten sollen. Für die ohnehin unter ihren Schulden keuchende kleine Nation geht es dabei um große Beträge: Holland fordert Rückzahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, Großbritannien sogar fast das Doppelte, 2,5 Milliarden.
Wie Holländer und Briten auf sein Veto voraussichtlich reagieren würden, hat der isländische Präsident natürlich vorhergesehen. Deswegen fügte er am Ende seiner Erklärung hinzu, Großbritannien und die Niederlande gehörten zu den ältesten Demokratien Europas; deshalb sollten sie auch “tiefen Respekt für das demokratische Recht des isländischen Volkes empfinden”.
Ganz so tief scheint der Respekt zumindest des niederländischen Finanzministers Wouter Bos nicht zu reichen. In einer ersten öffentlichen Reaktion im holländischen Fernsehen sagte er: “Wir werden die Isländer so oder so wissen lassen, daß wir unser Geld zurückwollen, und wir werden es auch kriegen.”
Der britische Finanzminister Alistair Darling hatte schon im Vorfeld eine Warnung Richtung Island abgefeuert: Ein Scheitern der Gesetze würde “things a lot more difficult” machen. Aber von den Briten haben sich die Isländer noch nie gern kujonieren lassen, und vielleicht hat Darlings Schuß vor den Bug Ólafur Ragnar erst richtig den Kamm schwellen lassen. Jedenfalls dürfte der Ton zwischen allen Beteiligten erst einmal schärfer werden. Der britische Daily Telegraph zitiert in seiner heutigen Online-Ausgabe jedenfalls einen Analysten der Danske Bank: "The British and Dutch governments will do anything they can to hold the payout from the IMF". Mit anderen Worten, sie werden den Isländern jetzt erst einmal finanziell Daumenschrauben anlegen.
Oder wie es Jeremy Warner, der Leitartikler des Telegraph formulierte: "They are definitely not going to be allowed into the European Union now. In fact they will be lucky if we don’t set the gunboats on them. - Pay up Mr Grimmson (Iceland’s president), or the cod gets it."
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Montag, 2. November 2009
"Neues Island": Sukkið heldur áfram
Okay, guys, MacDonald‘s Island ist abgewickelt, der letzte Chicken MacNugget ist gelutscht. Und nachdem diese Nebelkerze verraucht ist, sieht man wieder erste Konturen jenes “Neuen Island”, dessen einfache Bürger sich vom Purgatorium der Immobilien-, Finanz- und Staatskrise auch erhoffen, daß endlich mit der so undurchsichtig ineinander verflochtenen Vettern- und Kliquenwirtschaft in ihrem Land, auf Isländisch sukk, aufgeräumt wird. Aber vielleicht erweisen sich die paar Finanzkriminellen, die den ganzen Schlamassel angerichtet haben, um sich daran schamlos zu bereichern, für den kleinen Inselstaat als das, was bei uns zu Lande die Hypo-Real-Estate ist: “to big to fail”.
An der Spitze dieser kleinen Schar von Auserwählten steht jetzt wieder Jón Ásgeir Jóhannesson, geboren im glorreichen Jahr 1968 und ein Nach-68er-Yuppie wie aus dem Westerwelle-Bilderbuch. Seine Holding-Gesellschaften besitzen auch nach dem Zusammenbruch seines in- und ausländischen Firmenimperiums (mit ehemals europaweit 65.000 Beschäftigten und rund 10 Milliarden britischen Pfund Jahresumsatz) noch immer die größten Supermarktketten Islands u.a.m., sind aber so hoch verschuldet, daß jetzt die während des Crashs verstaatlichte Kaupþing-Bank als Großgläubiger auf den Plan getreten ist und einen “Sanierungsplan” vorgelegt hat, der viele Isländer am Wochenende aus ihren Träumen von einem neuen, transparenten Island aufrüttelte.
Die leitenden Köpfe der Bank boten Jón Ásgeir an, wenn er binnen vier Monaten “irgendwo” frisches Kapital in Höhe von 7,5 Milliarden isländischen Kronen auftreibe, umgerechnet derzeit 41,5 Millionen Euro, werde man den Konkurs seiner Holding Hagar abwenden und er dürfe 60% der Anteile behalten. Die übrigen 40% werde Kaupþing übernehmen. Als Gegenwert würden Jón Ásgeirs Schulden bei der Bank verrechnet, sprich erlassen. Sie belaufen sich auf mehr als 260 Millionen Euro. - Was für eine großzügige Entschuldungsaktion!
Damit der arme Jón Ásgeir aber trotz des Mitspracherechts der Bank nicht die Kontrolle über “seine” Firma verliert, hat Kaupþing vorsorglich zwei Männer aus ihren Reihen in den dreiköpfigen neuen Aufsichtsrat von Hagar entsandt, von denen einer der Schwiegersohn von Jón Ásgeirs langjährigem Freund und Berater Ari Edwald ist.
Die alten Seilschaften funktionieren immer noch bestens im “neuen” Island, sukkið geht munter weiter. (Nicht zu vergessen der Skandal, daß im September ausgerechnet Davíð Oddsson neuer Chefredakteur der größten isländischen Tageszeitung geworden ist!)
“I‘ll be back”, hatte der Diet-Coke-Junkie Jón Ásgeir der Times nach seinem Bankrott im März dieses Jahres versprochen, und nachdem er eine Weile seine Adressen im Ausland schneller wechselte als andere ihre Hemden, sieht es jetzt ganz danach aus.
Man dürfe niemanden diskriminieren und müsse bei der Beurteilung der Schuldensituation von Unternehmen vernünftige Vergleichsmaßstäbe anlegen, schwafelte Finanzminister Steingrímur Sígfússon von den Linken/Grünen ins Allgemeine und wollte sich zum konkreten Fall bisher nicht äußern.
“Es fehlen einem die Worte”, schrieb ein Runi in der Kommentarspalte im Blog eines bekannten Fernsehmoderators. “Ich gebe auf... überlaßt dieser Bande doch diese Scheiß-Schäre... Ich ziehe nie wieder nach Island zurück.”
An der Spitze dieser kleinen Schar von Auserwählten steht jetzt wieder Jón Ásgeir Jóhannesson, geboren im glorreichen Jahr 1968 und ein Nach-68er-Yuppie wie aus dem Westerwelle-Bilderbuch. Seine Holding-Gesellschaften besitzen auch nach dem Zusammenbruch seines in- und ausländischen Firmenimperiums (mit ehemals europaweit 65.000 Beschäftigten und rund 10 Milliarden britischen Pfund Jahresumsatz) noch immer die größten Supermarktketten Islands u.a.m., sind aber so hoch verschuldet, daß jetzt die während des Crashs verstaatlichte Kaupþing-Bank als Großgläubiger auf den Plan getreten ist und einen “Sanierungsplan” vorgelegt hat, der viele Isländer am Wochenende aus ihren Träumen von einem neuen, transparenten Island aufrüttelte.
Die leitenden Köpfe der Bank boten Jón Ásgeir an, wenn er binnen vier Monaten “irgendwo” frisches Kapital in Höhe von 7,5 Milliarden isländischen Kronen auftreibe, umgerechnet derzeit 41,5 Millionen Euro, werde man den Konkurs seiner Holding Hagar abwenden und er dürfe 60% der Anteile behalten. Die übrigen 40% werde Kaupþing übernehmen. Als Gegenwert würden Jón Ásgeirs Schulden bei der Bank verrechnet, sprich erlassen. Sie belaufen sich auf mehr als 260 Millionen Euro. - Was für eine großzügige Entschuldungsaktion!
Damit der arme Jón Ásgeir aber trotz des Mitspracherechts der Bank nicht die Kontrolle über “seine” Firma verliert, hat Kaupþing vorsorglich zwei Männer aus ihren Reihen in den dreiköpfigen neuen Aufsichtsrat von Hagar entsandt, von denen einer der Schwiegersohn von Jón Ásgeirs langjährigem Freund und Berater Ari Edwald ist.
Die alten Seilschaften funktionieren immer noch bestens im “neuen” Island, sukkið geht munter weiter. (Nicht zu vergessen der Skandal, daß im September ausgerechnet Davíð Oddsson neuer Chefredakteur der größten isländischen Tageszeitung geworden ist!)
“I‘ll be back”, hatte der Diet-Coke-Junkie Jón Ásgeir der Times nach seinem Bankrott im März dieses Jahres versprochen, und nachdem er eine Weile seine Adressen im Ausland schneller wechselte als andere ihre Hemden, sieht es jetzt ganz danach aus.
Man dürfe niemanden diskriminieren und müsse bei der Beurteilung der Schuldensituation von Unternehmen vernünftige Vergleichsmaßstäbe anlegen, schwafelte Finanzminister Steingrímur Sígfússon von den Linken/Grünen ins Allgemeine und wollte sich zum konkreten Fall bisher nicht äußern.
“Es fehlen einem die Worte”, schrieb ein Runi in der Kommentarspalte im Blog eines bekannten Fernsehmoderators. “Ich gebe auf... überlaßt dieser Bande doch diese Scheiß-Schäre... Ich ziehe nie wieder nach Island zurück.”
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Samstag, 31. Oktober 2009
Nachschlag
Man hätte es sich denken können. Die Isländer lassen doch keine Gelegenheit aus, selbst aus einem Abgesang noch eine (selbst-)ironische Lachnummer zu machen, und so meldete die Nachrichtenagentur Reuters gestern:
"Thousands line up for last Big Mac in Iceland"
"The outlets have been packed since the announcement, with lines at one restaurant on the east side of the city backing up out the door and onto the street. At lunchtime Friday the outlet's parking lot was full and staff inside were working furiously to keep up with the soaring demand. "It's my last chance for a while to have a real Big Mac," Siggi, a 28-year old salesman waiting in line, told Reuters."
Kopfschüttelnd und grinsend zugleich staunten die Kommentatorinnen Sigríður Jónsdóttir und Gerður Kristný im isländischen Fernsehen darüber, welche Beachtung bei all den echten Problemen, mit denen Isländer dieser Tage fertig zu werden hätten, nun ausgerechnet dieser Rückzug von MacDonald's in der Weltpresse finde. Gerður meinte, das Schicksal dieser Kette sei ihr herzlich egal, aber sie sei sehr froh darüber, daß nun endlich die an Kinder gerichteten schrecklichen Werbespots dieser Junk-Food-Läden aus dem Fernsehen verschwinden würden.
"Thousands line up for last Big Mac in Iceland"
"The outlets have been packed since the announcement, with lines at one restaurant on the east side of the city backing up out the door and onto the street. At lunchtime Friday the outlet's parking lot was full and staff inside were working furiously to keep up with the soaring demand. "It's my last chance for a while to have a real Big Mac," Siggi, a 28-year old salesman waiting in line, told Reuters."
Kopfschüttelnd und grinsend zugleich staunten die Kommentatorinnen Sigríður Jónsdóttir und Gerður Kristný im isländischen Fernsehen darüber, welche Beachtung bei all den echten Problemen, mit denen Isländer dieser Tage fertig zu werden hätten, nun ausgerechnet dieser Rückzug von MacDonald's in der Weltpresse finde. Gerður meinte, das Schicksal dieser Kette sei ihr herzlich egal, aber sie sei sehr froh darüber, daß nun endlich die an Kinder gerichteten schrecklichen Werbespots dieser Junk-Food-Läden aus dem Fernsehen verschwinden würden.
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Dienstag, 27. Oktober 2009
Schwerer Rückschlag bei Globalisierung
Die "Welt" meldet es, "Der Spiegel" meldet es und sein Konkurrent "Focus", die "Tagesschau" meldet es: Die im Zug der Globalisierung der Wirtschaft weit fortgeschrittene McDonaldisierung unseres Planeten erleidet zum Monatsende einen herben Rückschlag. Ein ganzes Land wird auf einen Schlag von der Standortkarte des weltgrößten Fast-Food-Unternehmens verschwinden. Am Wochenende wird die Neonbeleuchtung in den goldgelben Double Arches aller drei McDonald's-Filialen in Island für (hoffentlich) immer erlöschen.
Die Finanzkrise hat Island im letzten Jahr schwer gebeutelt, jetzt auch noch das. Es sei unfaßbar, wieviel er inzwischen allein für ein Kilo Import-Zwiebeln aus Deutschland zahlen müsse, wird der Geschäftsführer von McDonald's Iceland, Magnús Ögmundsson, in der Presse zitiert. Als ob in Island keine Zwiebeln wüchsen! McDonald's hat den isländischen Franchisepartnern aber zwingend vorgeschrieben, jedes Produkt vom Fleisch (?) über den Käse bis zum Verpackungsmaterial aus Deutschland zu importieren. Und durch den rasanten Verfall der isländischen Krone ist genau das für die isländischen Lizenznehmer inzwischen unbezahlbar geworden.
Island, das dritte Land, das nach Iran und Bolivien wieder McDonalds-frei wird. Beim nächsten Besuch nur noch Hamburger aus dem saftigen einheimischen Lammfleisch! Ich liebe es.
Die Finanzkrise hat Island im letzten Jahr schwer gebeutelt, jetzt auch noch das. Es sei unfaßbar, wieviel er inzwischen allein für ein Kilo Import-Zwiebeln aus Deutschland zahlen müsse, wird der Geschäftsführer von McDonald's Iceland, Magnús Ögmundsson, in der Presse zitiert. Als ob in Island keine Zwiebeln wüchsen! McDonald's hat den isländischen Franchisepartnern aber zwingend vorgeschrieben, jedes Produkt vom Fleisch (?) über den Käse bis zum Verpackungsmaterial aus Deutschland zu importieren. Und durch den rasanten Verfall der isländischen Krone ist genau das für die isländischen Lizenznehmer inzwischen unbezahlbar geworden.
Island, das dritte Land, das nach Iran und Bolivien wieder McDonalds-frei wird. Beim nächsten Besuch nur noch Hamburger aus dem saftigen einheimischen Lammfleisch! Ich liebe es.
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Montag, 4. Mai 2009
Hali
Auf dem Weg entlang der Südküste zurück nach Osten fährt man durch all diese grandiosen Landschaften, die so atemberaubend großartig sind, daß sie auch Nicht-Islandreisenden schon vielfach auf der Leinwand vorgeführt wurden, in isländischen Kinofilmen aus dem historischen Fach etwa wie z.B. Hrafn Gunnlaugssons Wikingerfilmen “Der Flug des Raben” u.a.m., die größtenteils am Fuß der Eyjafjöll gedreht wurden, Hollywood-Fellschuh-und-Keule-Produktionen à la “Beowulf” mit Szenen an den heute verlandeten Inselbergen wie Ingólfshöfði und besonders natürlich in zahllosen Werbespots. Selbst James Bond kurvte schon vor der Gletscherlagune Jökulsárlón herum, und den Hinweis auf neue, recht eigenwillige
Modeaufnahmen dort habe ich gerade dem Hermetischen Café von
kid37 entnommen.
Auch im Fahrtenbuch gab es schon Aufnahmen etwa von der beeindruckenden Steilwand des Lómagnúpur, die senkrecht 500 Meter hoch auf der Küstenebene steht, bevor es hinausgeht auf den 40 Kilometer breiten Sander vor Skaftafell, oder aus der Gletscherlagune oder von den einsamen Höfen, die so vereinzelt in dieser ungezügelten Natur liegen (siehe unter Themen: Island). Bei gutem Wetter ist wegen seines unvergleichlichen Panoramas vielleicht der am schönsten gelegene Hof an der gesamten Südküste Hali í Suðursveit. Es war bis 1974 auch einer der isoliertesten Höfe im ganzen Land. Gleich hinter ihm ragen Berge auf, die als Barriere Europas größten Gletscher, den Vatnajökull, zurückhalten, der sich dahinter korsikagroß und früher unüberquerbar ausbreitet. Links und rechts fließen seine unberechenbaren, ständig ihren Lauf ändernden breiten und reißenden Gletscherströme ab, die erst vor einer Generation überbrückt werden konnten. Davor mußten sie auf eigens dafür gezüchteten und abgerichteten “Wasserpferden” durchschwommen werden. Gleich vor der Haustür dehnt sich der endlose Ozean; aber der von den Gletscherflüssen unablässig ins Meer getragene Sand bildet überall vor der Küste Untiefen und Bänke, so daß an diesem gesamten Küstenstrich die Anlage eines Hafens vollkommen unmöglich war. Wir könnten uns sicher nicht vorstellen, wie das Leben auf diesem Hof noch bis weit ins 20. Jahrhundert ausgesehen hat, wenn nicht ausgerechnet von diesem Hof einer der drei besten und der vielleicht originellste Schriftsteller Islands stammte: Þórbergur Þórðarson.
Sein Name ist bei uns fast völlig unbekannt, denn sein Werk ist derart eigenwillig, daß es als unübersetzbar galt. Dabei waren seine Briefe an Laura von 1924 ein Skandalerfolg sondergleichen in Island und gelten heute als das (gattungssprengende) Werk, das neben Laxness‘ Der große Weber von Kaschmir die isländische Literatur des 20. Jahrhunderts eröffnete. Þórbergur war sein Leben lang Sozialist, daneben auch Esperantist und Spiritist (was ihm keineswegs unvereinbar erschien), und er war der erste Isländer, der Freiluftgymnastik und Joga praktizierte. Die meisten seiner Bücher, die sich fast nie einer der üblichen Gattungen zuordnen lassen (einen Roman hat er sein Leben lang nicht geschrieben), sind bis zu einem gewissen Maß autobiographisch geprägt und doch keine rein autobiographischen Werke. In Steinarnir tala (“Die Steine reden”) von 1956 erzählte er jedoch ausufernd von seiner Kindheit auf dem einsamen Hof am Rand des Weltmeers und der Gletschereinöden:
“Hali war ein Grassodenhaus wie auch andere Höfe in der Skaftafellssýsla. Die Gebäude standen eins neben dem anderen, die Giebelwände zeigten nach Süden (zum Meer) und die rückwärtigen Wände zur Bergwand. Es war ein schöner Anblick unten von der Hauswiese, sie dort Seite an Seite stehen zu sehen, als würden sie sich aneinander wärmen. Und man sah ihnen gleich an, daß sie gut miteinander auskamen. Wenn es dunkel wurde, sah es so aus, als schliefen sie, eins ans andere gelehnt, ein.”
Wenn auch inzwischen hinter Wellblech verkleidet, steht der Hof von Hali heute noch. Mittlerweile ist ein kleines, schmuckes Museum für den großen Sohn des Hofs hinzugekommen, und der Mann, der da manchmal Kaffee ausschenkt, sieht Þórbergurs Bruder zum Verwechseln ähnlich. Schließlich ist er sein Enkel und heutiger Bauer auf dem Hof.
Wenn das Wetter schön ist und die Aussicht freigibt, hat man von hier in der absolut klaren Luft einen Blick, der Hunderte von Kilometern umfaßt, von den markanten Zacken des Vesturhorn im Osten den Horizont auf dem offenen Nordatlantik entlang bis zum Massiv von Islands höchstem Berg im Öræfajökull im Westen. Ich war am Morgen schon vor 7 unterwegs, und der Wind schlief noch.
Modeaufnahmen dort habe ich gerade dem Hermetischen Café von
kid37 entnommen.
Auch im Fahrtenbuch gab es schon Aufnahmen etwa von der beeindruckenden Steilwand des Lómagnúpur, die senkrecht 500 Meter hoch auf der Küstenebene steht, bevor es hinausgeht auf den 40 Kilometer breiten Sander vor Skaftafell, oder aus der Gletscherlagune oder von den einsamen Höfen, die so vereinzelt in dieser ungezügelten Natur liegen (siehe unter Themen: Island). Bei gutem Wetter ist wegen seines unvergleichlichen Panoramas vielleicht der am schönsten gelegene Hof an der gesamten Südküste Hali í Suðursveit. Es war bis 1974 auch einer der isoliertesten Höfe im ganzen Land. Gleich hinter ihm ragen Berge auf, die als Barriere Europas größten Gletscher, den Vatnajökull, zurückhalten, der sich dahinter korsikagroß und früher unüberquerbar ausbreitet. Links und rechts fließen seine unberechenbaren, ständig ihren Lauf ändernden breiten und reißenden Gletscherströme ab, die erst vor einer Generation überbrückt werden konnten. Davor mußten sie auf eigens dafür gezüchteten und abgerichteten “Wasserpferden” durchschwommen werden. Gleich vor der Haustür dehnt sich der endlose Ozean; aber der von den Gletscherflüssen unablässig ins Meer getragene Sand bildet überall vor der Küste Untiefen und Bänke, so daß an diesem gesamten Küstenstrich die Anlage eines Hafens vollkommen unmöglich war. Wir könnten uns sicher nicht vorstellen, wie das Leben auf diesem Hof noch bis weit ins 20. Jahrhundert ausgesehen hat, wenn nicht ausgerechnet von diesem Hof einer der drei besten und der vielleicht originellste Schriftsteller Islands stammte: Þórbergur Þórðarson.
Sein Name ist bei uns fast völlig unbekannt, denn sein Werk ist derart eigenwillig, daß es als unübersetzbar galt. Dabei waren seine Briefe an Laura von 1924 ein Skandalerfolg sondergleichen in Island und gelten heute als das (gattungssprengende) Werk, das neben Laxness‘ Der große Weber von Kaschmir die isländische Literatur des 20. Jahrhunderts eröffnete. Þórbergur war sein Leben lang Sozialist, daneben auch Esperantist und Spiritist (was ihm keineswegs unvereinbar erschien), und er war der erste Isländer, der Freiluftgymnastik und Joga praktizierte. Die meisten seiner Bücher, die sich fast nie einer der üblichen Gattungen zuordnen lassen (einen Roman hat er sein Leben lang nicht geschrieben), sind bis zu einem gewissen Maß autobiographisch geprägt und doch keine rein autobiographischen Werke. In Steinarnir tala (“Die Steine reden”) von 1956 erzählte er jedoch ausufernd von seiner Kindheit auf dem einsamen Hof am Rand des Weltmeers und der Gletschereinöden:
“Hali war ein Grassodenhaus wie auch andere Höfe in der Skaftafellssýsla. Die Gebäude standen eins neben dem anderen, die Giebelwände zeigten nach Süden (zum Meer) und die rückwärtigen Wände zur Bergwand. Es war ein schöner Anblick unten von der Hauswiese, sie dort Seite an Seite stehen zu sehen, als würden sie sich aneinander wärmen. Und man sah ihnen gleich an, daß sie gut miteinander auskamen. Wenn es dunkel wurde, sah es so aus, als schliefen sie, eins ans andere gelehnt, ein.”
Wenn auch inzwischen hinter Wellblech verkleidet, steht der Hof von Hali heute noch. Mittlerweile ist ein kleines, schmuckes Museum für den großen Sohn des Hofs hinzugekommen, und der Mann, der da manchmal Kaffee ausschenkt, sieht Þórbergurs Bruder zum Verwechseln ähnlich. Schließlich ist er sein Enkel und heutiger Bauer auf dem Hof.
Wenn das Wetter schön ist und die Aussicht freigibt, hat man von hier in der absolut klaren Luft einen Blick, der Hunderte von Kilometern umfaßt, von den markanten Zacken des Vesturhorn im Osten den Horizont auf dem offenen Nordatlantik entlang bis zum Massiv von Islands höchstem Berg im Öræfajökull im Westen. Ich war am Morgen schon vor 7 unterwegs, und der Wind schlief noch.
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