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Donnerstag, 8. November 2007
Bleischeiben der Sonnen, grasgrüne Monde
Die Skaftárfeuer in der Laki-Spalte wirkten sich auf das Klima in fast ganz Europa aus.
"Am 19.6.1783 waren aus ganz Norddeutschland alarmierende Nachrichten eingelaufen, von einem 'Heerdrauch', wie er in solchem Ausmaß noch nie gleich lästig registriert worden war. Sonne & Mond verloren ihren Schein; Pflanzen waren morgens mit 'Meltau' belegt. Aberglaube aller Art regte sich; um ganz sicher zu gehen, forderte man ein Gutachten der Universität Göttingen an, das der hochangesehene Hofrat und glänzende Schriftsteller, der Professor für Mathematik und Physik, Georg Christoph LICHTENBERG, nach Prüfung der Sachlage gern ausstellte: Schuld an all dem Genebel waren die armen Kolonisten im Bourtanger Moor, an der holländischen Grenze und anderwärts, die im Juni Feuer anzulegen pflegten, um ihre Sümpfe für ein paar Jahre ertragsfähig zu machen.
Leider nur erklärte die gutgemeinte Theorie eines nicht: etwa wieso im Languedoc Südfrankreichs die Sonne wochenlang erst dann sichtbar wurde, wenn sie höher als 27 Grad über dem Horizont stand... oder warum ähnliche Berichte aus Schweden kamen, wie auch von der Nordküste Afrikas.
100 Jahre später erinnerte man sich, daß damals, zwischen Ende Mai 1783 und dem 18. Juni, der Vulkan Skaptar Jökull auf Island in einer Kette maßloser Explosionen in die Luft geflogen war." (Arno Schmidt: Krakatau)

Mittelbar wird der Ausbruch in Island von Historikern inzwischen auch für den Ausbruch der Französischen Revolution mitverantwortlich gemacht: Die Trübung und Verdunkelung der Atmosphäre durch die Asche führte zu etlichen Missernten in den folgenden Jahren, die in Frankreich Hungerrevolten auslösten.

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Mittwoch, 7. November 2007
Skaftáreldar 1783
Vor 224 Jahren mussten die Menschen an der Südküste Islands allerdings glauben, der jüngste Tag sei angebrochen. In Síða hielt Pfarrer Jón Steingrímsson den Pfingstgottesdienst bei schönem Wetter im Freien, als hinter den Küstenbergen auf einmal ein Rauchpilz in die Höhe schoss, aus dem sich binnen kürzester Zeit "schwarzer Sandnebel" über die gesamte Gegend legte, Staub "wie ausgebrannte Steinkohlenasche", der den Himmel verdunkelte. Zwei Tage später fiel saurer Niederschlag, "der unerträglich in den Augen und auf bloßer Haut brannte... Tropfen ätzten Brandflecken ins Fell der Schafe. Das Wasser im Fluss Skaftá versiegte vollkommen" notierte der Pfarrer in seinen Aufzeichnungen über den Ausbruch. Wiederum zwei Tage später brach "ein Feuerstrom mit rasender Geschwindigkeit unter großem Getöse aus der Schlucht der Skaftá hervor. Wo die Lava auf Tümpel traf, gab es heftige Explosionen. Die Lava füllte das Flußbett und floß über. - Drei Wochen hielt das Dröhnen und Donnern aus dieser Richtung an. Die Rauch- und Aschefahne war jetzt so hoch, dass sie im ganzen Land zu sehen war."
Nach einer Woche begann es zu regnen. "Der Regen war so übelriechend, dass die, die schwach auf der Brust waren, kaum Atem holen konnten und ohnmächtig wurden. Alle Vögel flogen davon, ihre Eier waren wegen eines starken Schwefelgeschmacks nicht genießbar. Eisen lief rostrot an, Holz wurde grau vom Salz- und Schwefelregen, das Gras welkte unter einer Ascheschicht. Das noch lebende Vieh fiel vom Fleisch und gab keine Milch mehr."
Am zehnten Tag stiegen drei Bauern auf die nach Norden abschirmenden Berge. Dahinter erblickten sie mehr als zwanzig Feuersäulen, die flüssige Lava in den Himmel schleuderten. "Ich sah, wie dunkelrotes Feuer hier und da aus Löchern in der alten Lava in die Höhe schoss", schrieb Sera Jón, "worauf die alte Lava knisternd aufbrannte wie Reisig in einer Kohlengrube. Aus der Skaftá-Schlucht quoll die Lava so schnell wie ein großer Fluss bei Frühjahrstauwetter. Mitten in diesem Feuerstrom wälzten sich glühende Felsstücke wie Wale."
Am 25. Juni trug Pfarrer Jón ein: "In den zurückliegenden drei Wochen fielen hier mehr Gift und Eiter zur Erde als man sagen kann, insonderheit Asche, Mineralhaar, Schwefel- und Salpeterregen mehr als je zuvor. Mäuler, Nüstern und Klauen des Viehs wurden wund, alle Gräser und Pflanzten welkten und brannten ab."
In der dritten Woche beobachtete er einen "unterirdischen Ausbruch. Zuerst wölbte sich die Erde unter Ächzen und Stöhnen, dann barst sie auseinander. Es zerriss und zerstückelte sie, wie ein wildes Tier etwas zerreißt. Feuer und Brand loderten aus jedem kleinsten Loch. Grasmatten und große Steine flogen mit lautem Knall, Blitz, Sandfontänen, Rauch und undurchdringlichem Qualm unsagbar hoch in die Luft.... Flüssiges Feuer wurde über alles geschleudert, so dass alles zusammenschmolz."
Am 14. Juli, der Ausbruch dauerte inzwischen fünf Wochen an, "an dem die Lava über den Wasserfall von Stapi herabzustürzen begann, ereignete sich zum vierten und letzten Mal ein schrecklicher Ausbruch in der Schlucht mit unbeschreiblichem Donnern und Krachen, als sollte alles einstürzen. Feuerschein umgab die Menschen im Freien wie in den Häusern... Die ganze Woche über sah man durch die dichten Asche- und Rauchwolken, die über uns lagen, weder den Himmel noch das Geringste von der Sonne.
Am 20. Juli, es war der fünfte Sonntag nach Trinitatis, lag noch immer die gleiche Düsternis mit Blitz und Donner, Gedröhn und Getöse über uns. Da das Wetter sich ansonsten ruhig verhielt, ging ich mit allen zur Kirche. Als wir bei ihr anlangten, waren die Hitzeschleier, die von der feurigen Lava herüberwehten, so dicht, dass sie nur durch starkes Flimmern zu erkennen war. Blitz und Donner entluden sich in so raschen Schlägen, dass es noch in der Kirche von Blitzen zuckte und in den Glocken vom Donner widerhallte. Die Erde war in ständiger Bewegung... Ich kann nichts anderes sagen, als dass jeder dort im Gotteshaus bereit war, sein Leben zu lassen, wenn ihm dieses Los bestimmt war, und nicht, wie es sich aufdrängte, zu fliehen, denn nirgends war zu erkennen, wo es noch sicher sein könnte."

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Dienstag, 6. November 2007
Lakagígar (IS'07, 7. Etappe)
Ich liege bei den Kratern der Laki-Spalte, die sich am Pfingstsonntag des Jahres 1783 öffnete und den größten nacheiszeitlichen Lavaausbruch auf der Erde auslöste, in einem Kessel windgeschützt im Moos und sehe im ganzen Umkreis nichts als schwarze Asche. Ich höre... nichts. Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben vollkommene Stille. Das blanke, aber in der unfruchtbaren Umgebung erloschene Auge des Lambavatn vor mir, rundum nur die Spalten, Schründe und Klüfte der riesigen Spalte mit den schwarzen Sandflächen, und noch immer kein Laut. Kein Vogelruf, nicht einmal mehr Windbrausen, einfach nur Stille. Die Stille des ersten Tages, der hier bis heute kein Ende genommen hat.

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Montag, 5. November 2007
Die Vergänglichkeit der Steine (II)

Eldgjá, Feuerschlucht. An ihrem Seitenrand ein malerischer Wasserfall, aufgenommen im Sommer dieses Jahres mit sehr niedrigem Wasserstand. Wie viel Wasser er sonst führen kann, deutet schon der Name des Flusses an, der ihn speist: Ófæra, die Unpassierbare. Im Frühjahr vor vierzehn Jahren müssen besonders heftige Schmelzwasserfluten hier herabgestürzt sein, denn vorher sah der Wasserfall noch so aus:

Wer sehen will, wie der Steinbogen über den Fall vorher Ross und Reiter getragen hat, schaue sich den Wikingerfilm Í skugga hrafnsins (Im Schatten des Raben, 1988) von Hrafn Gunnlaugsson an. Jetzt ist die natürliche Brücke weg, zerkrümelt. Vergänglichkeit der Steine.

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Freitag, 2. November 2007
Die Vergänglichkeit der Steine

So weit im Osten wie im vorigen Eintrag sind wir noch nicht. Wer zu Fuß geht hat Zeit und tauscht sie in kleiner Münze gegen Raum: Von Landmannalaugar langsam ostwärts zum Kirkjufell und die nördliche Fjallabaksleið entlang bis in die Eldgjá.
Allein mit Steinen, Moos und Flechten. Und dem Wind, unablässig kalt von den Gletschern herab. Scheinbar unbewegt liegen sie über das Land gebreitet, das einem seltsame Gedanken eingibt. “Hätten wir Augen aus Stein, sähen wir die Berge fließen.” (Eero Suvilehto) Oder auseinanderspritzen wie vor tausend Jahren in der Feuerschlucht (Eldgjá), der längsten Eruptionsspalte auf der Erdoberfläche. 600 Meter breit, heute noch 200 Meter tief und 40 Kilometer lang. In dieser Landschaft zersetzt sich die Vorstellung, dass Gestein etwas Dauerhaftes sei. Ganze Bergstöcke liegen da wie soeben hingeschleudertes Riesenejakulat, und doch frisst sie schon der Zahn der Zeit. Ihr massiger Fels wird vom Wind zu Staubkörnchen zerrieben oder in Scherben gesprengt durch Frost und ein wenig Wasser. Wo ist die Dauer? Dauer hat bloß das Nicht-Sein. Sein ist Entstehen und Vergehen. Insofern gehören auch die Steine dem Reich des Lebendigen an, wenn man sie mit steinigen Augen betrachtet.

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Sonntag, 21. Oktober 2007
Zu jener Zeit
"Í þann tíð vas Ísland viði vaxit á miðli fjalls og fjöru... Zu jener Zeit war Island zwischen Berg und Küste weithin bewachsen. Damals gab es hier Christen, die die Nordmänner Papar nannten, die aber fuhren dann fort, weil sie hier nicht mit Heiden zusammenleben wollten." (Ari hinn fróði Þorgilsson: Íslendingabók, um 1120/1133)

So ähnlich könnte es an der Südostecke Islands ausgesehen haben, nachdem die irischen Einsiedlermönche vor den ankommenden Wikingern reißaus genommen hatten.

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Donnerstag, 18. Oktober 2007
Ein ungelöstes Rätsel
Norwegische Wikinger waren also nicht die ersten Entdecker Islands; ein paar abgerissene Eremiten sind ihnen in ihren Curraghs zuvorgekommen. Vielleicht waren aber auch sie nicht die ersten Menschen auf der so fernen Insel. 1905 und 1933 hat man nämlich auf dem Hof Bragðavellir im Südosten römische Münzen aus dem 3. Jahrhundert gefunden. Kleine Kupfermünzen, Antoniniane, das nahezu wertlose Inflationsgeld Kaiser Caracallas, das bis zur Münzreform Diokletians im Umlauf war. Für die Wikinger, die an Gold oder Silber interessiert waren, besaßen sie keinen Wert. Und besonders schön oder ansehnlich waren sie auch nicht. Das lässt Zweifel an der These aufkommen, die Münzen seien jahrhundertelang in Skandinavien gehortet und schließlich von Auswanderern mit nach Island genommen worden. Wenn es nicht so gewesen ist, bleibt im Grunde nur die Annahme, dass Römer selbst, vielleicht Angehörige der damals noch in Britannien stationierten römischen Flotte, gegen Ende des 3. Jahrhunderts mit einem Schiff bis an die Südostküste Islands verschlagen wurden.

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Montag, 15. Oktober 2007
Zurück nach Island
Nicht einmal Ultima Thule, die ferne, sagenhafte Insel weit draußen im Nordatlantik blieb anachoretenfrei. Noch bevor sie von wagemutigen Wikingern in den hochseetüchtigsten Schiffen ihrer Zeit entdeckt wurde, ruderten eremitische Mönche aus Irland in winzigen Booten, deren Spanten bloß mit Leder bespannt waren, quer über den rauen Nordatlantik dorthin, um für einen hellen Sommer Ruhe vor ihren offenbar geschwätzigen Mitbrüdern zu finden. Eigentlich ein selbstmörderisch wahnwitziges Unterfangen, das günstigstenfalls von grenzenlosem Gottvertrauen zeugt. Vielleicht aber rochen die Klosterbrüder auch derart streng, dass es in einem für alle gemeinsamen Dormitorium einfach nicht auszuhalten war, denn dem strenggläubigen Mönch genügte es, für die Dauer seines irdischen Wandels hienieden zweimal mit Waschwasser in Berührung zu kommen, einmal nach der Geburt und das zweite Mal nach seinem Tod. Gänzlich unbefangen pries der irische Mönch Dicuil in seiner Weltbeschreibung De Mensura Orbis Terrae aus dem Jahr 825 als den größten Vorzug der Insel Thule ihre sommerliche Helligkeit, dann sei es selbst nachts so hell, dass man sich die Läuse aus der Kutte lesen könne.

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Sonntag, 30. September 2007
Laugavegur
... ist nicht nur der Name der längsten Einkaufsstraße in Reykjavík, sondern auch des bekanntesten Wanderwegs in Island: Von Landmannalaugar in die Þórsmörk (oder noch eine Tagesetappe weiter über den Sattel zwischen den Gletschern bis ins Küstentiefland), so bekannt, dass es manchmal nachts in den Hütten entlang der Route eng wird und man auch beim Wandern nicht wirklich allein ist. Also noch eine "übliche Route", die man eigentlich... dann doch lieber nicht einschlägt.

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Freitag, 28. September 2007
Landmannalaugar (IS '07, 5. Etappe)

Hätte, könnte, würde... Die übliche Route wäre... - war sie aber nicht. Wir verließen die Straße Nr. 1 und fuhren landeinwärts. Zwischen Búrfell und Hekla hindurch, durch das Dómadalur bis hinauf zum Ljótipollur, der "hässlichen Pfütze".

Am Fuß der Berge, die hinter ihrem schwarzen Rand zu sehen sind, das nächste Etappenziel: Landmannalaugar

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