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Donnerstag, 27. März 2008
Epilog in Nizza
Seit Ende 1986 nahm Bruce Chatwin, wenn er sich im Ausland aufhielt, seinen Sitz gern im Schloss von Seillans im provenzalischen Departement Var unweit von Grasse, wo auch Max Ernst seine letzten Jahre verbracht hatte. Dort schrieb er seine Erzählung Utz, und dorthin begab er sich drei Jahre später im Rollstuhl, um womöglich noch einen letzten Aufschub im aussichtslosen Widerstand gegen seine hartnäckig geleugnete AIDS-Erkrankung zu erhalten.
Beim Abschied in Heathrow schilderte er Freunden seine Zukunftspläne. Nach Weihnachten wolle er nach San Francisco, dann weiter nach Australien. “Im Januar werde ich mit Delphinen schwimmen.” Dabei war sein Gesicht ein weißes Dreieck aus Schmerzen.
Stattdessen rief er im Januar Werner Herzog an sein Sterbebett. “I've got to be on the road again”, sagte er zum Regisseur seines Vizekönigs von Quidah. Doch wenig später erklärte er: “Ich werde nie wieder gehen. Werner, ich sterbe.” Dann vermachte er Herzog seinen Rucksack.
Mitte Januar war Chatwin so schwach, dass ihn seine Frau in ein AIDS-Hospiz in England verlegen wollte. Er delirierte, schrie jedesmal auf, wenn jemand das Wort sterben erwähnte. “Es war das Schlimmste, was ich je mitgemacht habe”, sagte sein langjähriger Freund, der Journalist Francis Wyndham, dem Chatwin-Biographen Nicholas Shakespeare. “Es war wie in der Hölle, und er war in der Hölle.”
Am Morgen des 16. Januar 1989 fiel Bruce Chatwin ins Koma. Mit dem Notarztwagen brachte man ihn ins Krankenhaus von Nizza. Dort starb er zwei Tage darauf.

Seine Asche wurde einen Monat später bei der alten byzantinischen Kirche Agios Nikolaos auf der Peloponneshalbinsel Mani am Fuß des Taigetos-Gebirges beigesetzt, in deren Nähe das von ihm mehrfach besuchte Haus seines englischen Schriftstellerkollegen Patrick Leigh-Fermor stand. Bei ihm in Kardamyli hatte Chatwin die Songlines geschrieben und die Kirche aus dem 10. Jahrhundert schon 1970 auf einer seiner Wanderungen entdeckt. Seitdem behauptete er, er möge die Griechen, weil sie die schönsten Bauplätze stets Gott vorbehielten. Kurz vor seinem Tod trat er der griechisch-orthodoxen Kirche bei.

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Montag, 17. März 2008
Eine große alte Hure
Der nächste Morgen begann schon etwas azurner; doch wem's in Nizza nicht mehr gefällt, der kann nach Cannes.

“Irgendwann, wenn die Leichtigkeit der frühen Jahre dahin ist, wenn der wahre Glanz verflogen und der Stolz gebrochen ist, bleibt jeder großen Hure nur noch die nackte Arroganz. Wenn die Hure aber schlau ist und genügend Erfahrung besitzt, wenn sie wirklich schön ist, die halbe Welt ausgenommen hat und sich alles kaufen kann, bevor der letzte aller Träume unerfüllt bleibt, dann wird sie diese Arroganz in Perfektion beherrschen. Sie wird diese Arroganz durch die Straßen tragen und durch die marmornen Hotelhallen, und gelegentlich wird sie diese Arroganz aufblitzen lassen wie ein kaltes, makellos gewetztes Messer. Die Côte d'Azur ist eine dieser großen Huren. Wahrscheinlich sogar die eleganteste, betörendste, durchtriebenste von allen.
Unten in Cannes stolziert sie dir entgegen, die betagte Diva, in ihrem Licht und in ihrer Grandezza, vor dem glitzernden Meer und den alten Häusern, den Gassen und den Bistros, in denen die derbgesichtigen alten Männer sitzen, barfuß in blauen Segeltuchschuhen vor ihrem Pastis. "Un Gin Tonic, Monsieur? Avec Plaisir!" Um schlanke 23 Euro erleichtert sie dich. Eiskalt lächelnd, damit du gleich weißt, woran du bist. Die Arme. Sie muss gelitten haben in den vielen Jahren. Wie jede Hure leidet, die alt wird und deren größte Gönner, deren Erfinder längst fort sind... Oder tot. Heute muss sich die Riviera mit dem Gemüse abgeben. Mit den Brad Pitts, Madonnas und George Clooneys. Den jämmerlichen Erben der altehrwürdigen Garde.”
(Die blaue Diva, von Marc Bielefeld, Der Spiegel, 14.1.2008)

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Sonntag, 16. März 2008
Nice-Nizza oder plus de pluie
In Europa nördlich der Alpen ist für die nächsten Tage Große Tropferei und gar eine Rückkehr des Winters vorhergesagt. Der Inder in Nizza hat's schon gewusst und sich entsprechend präpariert, während europäische Touristen noch bedröppelt aus der Wäsche gucken.
(sdračni pozdravi in die Weiße Stadt!)


Dabei lässt die blaue Küste auch bei Regen Reizvolles durchblicken.
Und ich bin mir keineswegs sicher...

...ob es hier im Sommer wirklich schöner ist.

Selbst wenn es nicht so weit kommen sollte.

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Donnerstag, 13. März 2008
Kot de chaussure*
Niederlande, Nordseeküste. Im März heißt das anscheinend: es stürmt, es regnet, stürmt und schüttet, abwechselnd oder alles auf einmal bei einstelligen Gradzahlen. Kein Wunder, dass man da anfängt, Fluchtpläne zu schmieden: Wo scheint schon jetzt warm die Frühlingssonne von einem ewig blauen Himmel? An der Côte d'azur natürlich, der (himmel)blauen Küste, laut Reiseprospekt sogar an 300 Tagen im Jahr. Kaum zu glauben, murmelt der leichtgläubige Nordeuropäer, der so gern sein blaues Wunder erleben möchte, und fährt los. - Wo kommt er an? Da:

Nizza in strömendem Regen.

“Coup de soleil” kann wohl bloß ein sarkastischer Witz der blauen Diva sein.

Dunkel dräuen die Wolken über der Place Masséna von Nizza.
(Die Schreibung Nice verbietet sich aus meteorologischen Gründen.)

Das Haus von Matisse täuscht bunte Farben nur vor.

Von wegen “Le bonheur de vivre”. - Maler!

Der Markt duckt sich unter Regenplanen. Selbst die Makrelen sind stumm vor Kälte.
Und das Element aus dem sie kamen, sieht so aus: Côte d'azur.

*Fußnote zum Titel: Da geschätzt jede zweite ältere Dame in Nizza einen Pinscher unter dem Arm oder einen Pekinesen in der Tragetasche mit sich herumschleppt und die goldigen kleinen Kerlchen ihr verdauungsgestört breiiges Geschäft mitten auf den Bürgersteigen verrichten, ohne dass Madame es für nötig hielte, den Kot hinterher zu beseitigen, liegen in Nizza derart viele Tretminen auf den Trottoirs, dass man es gar nicht vermeiden kann, irgendwann einmal in eine von ihnen schmatzend hineinzutreten.

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