Beim Abschied in Heathrow schilderte er Freunden seine Zukunftspläne. Nach Weihnachten wolle er nach San Francisco, dann weiter nach Australien. “Im Januar werde ich mit Delphinen schwimmen.” Dabei war sein Gesicht ein weißes Dreieck aus Schmerzen.
Stattdessen rief er im Januar Werner Herzog an sein Sterbebett. “I've got to be on the road again”, sagte er zum Regisseur seines Vizekönigs von Quidah. Doch wenig später erklärte er: “Ich werde nie wieder gehen. Werner, ich sterbe.” Dann vermachte er Herzog seinen Rucksack.
Mitte Januar war Chatwin so schwach, dass ihn seine Frau in ein AIDS-Hospiz in England verlegen wollte. Er delirierte, schrie jedesmal auf, wenn jemand das Wort sterben erwähnte. “Es war das Schlimmste, was ich je mitgemacht habe”, sagte sein langjähriger Freund, der Journalist Francis Wyndham, dem Chatwin-Biographen Nicholas Shakespeare. “Es war wie in der Hölle, und er war in der Hölle.”
Am Morgen des 16. Januar 1989 fiel Bruce Chatwin ins Koma. Mit dem Notarztwagen brachte man ihn ins Krankenhaus von Nizza. Dort starb er zwei Tage darauf.
Seine Asche wurde einen Monat später bei der alten byzantinischen Kirche Agios Nikolaos auf der Peloponneshalbinsel Mani am Fuß des Taigetos-Gebirges beigesetzt, in deren Nähe das von ihm mehrfach besuchte Haus seines englischen Schriftstellerkollegen Patrick Leigh-Fermor stand. Bei ihm in Kardamyli hatte Chatwin die Songlines geschrieben und die Kirche aus dem 10. Jahrhundert schon 1970 auf einer seiner Wanderungen entdeckt. Seitdem behauptete er, er möge die Griechen, weil sie die schönsten Bauplätze stets Gott vorbehielten. Kurz vor seinem Tod trat er der griechisch-orthodoxen Kirche bei.
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“Irgendwann, wenn die Leichtigkeit der frühen Jahre dahin ist, wenn der wahre Glanz verflogen und der Stolz gebrochen ist, bleibt jeder großen Hure nur noch die nackte Arroganz. Wenn die Hure aber schlau ist und genügend Erfahrung besitzt, wenn sie wirklich schön ist, die halbe Welt ausgenommen hat und sich alles kaufen kann, bevor der letzte aller Träume unerfüllt bleibt, dann wird sie diese Arroganz in Perfektion beherrschen. Sie wird diese Arroganz durch die Straßen tragen und durch die marmornen Hotelhallen, und gelegentlich wird sie diese Arroganz aufblitzen lassen wie ein kaltes, makellos gewetztes Messer. Die Côte d'Azur ist eine dieser großen Huren. Wahrscheinlich sogar die eleganteste, betörendste, durchtriebenste von allen.
Unten in Cannes stolziert sie dir entgegen, die betagte Diva, in ihrem Licht und in ihrer Grandezza, vor dem glitzernden Meer und den alten Häusern, den Gassen und den Bistros, in denen die derbgesichtigen alten Männer sitzen, barfuß in blauen Segeltuchschuhen vor ihrem Pastis. "Un Gin Tonic, Monsieur? Avec Plaisir!" Um schlanke 23 Euro erleichtert sie dich. Eiskalt lächelnd, damit du gleich weißt, woran du bist. Die Arme. Sie muss gelitten haben in den vielen Jahren. Wie jede Hure leidet, die alt wird und deren größte Gönner, deren Erfinder längst fort sind... Oder tot. Heute muss sich die Riviera mit dem Gemüse abgeben. Mit den Brad Pitts, Madonnas und George Clooneys. Den jämmerlichen Erben der altehrwürdigen Garde.”
(Die blaue Diva, von Marc Bielefeld, Der Spiegel, 14.1.2008)
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(sdračni pozdravi in die Weiße Stadt!)
Und ich bin mir keineswegs sicher...
...ob es hier im Sommer wirklich schöner ist.
Selbst wenn es nicht so weit kommen sollte.
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“Coup de soleil” kann wohl bloß ein sarkastischer Witz der blauen Diva sein.
Dunkel dräuen die Wolken über der Place Masséna von Nizza.
(Die Schreibung Nice verbietet sich aus meteorologischen Gründen.)
Das Haus von Matisse täuscht bunte Farben nur vor.
Von wegen “Le bonheur de vivre”. - Maler!
Der Markt duckt sich unter Regenplanen. Selbst die Makrelen sind stumm vor Kälte.
Und das Element aus dem sie kamen, sieht so aus: Côte d'azur.
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