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Sonntag, 1. November 2015
Großmütter und Glücksspieler der Welfen
Die Welfen wären längst von der Bildfläche verschwunden, wenn sie nicht immer wieder äußerst tatkräftige Frauen geheiratet hätten. Damit meine ich nicht Caroline von Monaco. Aber Welf II. zum Beispiel (zum Glück sind die Welfe einigermaßen überschaubar durchnumeriert) hatte Irmentrud (genannt Imiza) von Gleiberg, eine Nichte der Kaiserin Kunigunde aus dem luxemburger Grafenhaus, zur Frau. Ob das für Welf persönlich eine Bereicherung und glückliche Ehe bedeutete, weiß man nicht; seit dem Jahr 1030 war Imiza verwitwet. Doch als 25 Jahre später auch noch ihr Sohn vor ihr starb, gab die alte Dame ihr Schicksal nicht etwa einfach verloren und ihren Reichtum nicht der Kirche. Vielmehr focht sie das Vermächtnis an, weil sie als Erbin dem Testament nicht zugestimmt habe, und schickte nach Italien.

Dort nämlich war ihre Tochter, die den Namen ihrer Großtante, der Kaiserin Kunigunde, und von deren Großmutter trug, einer Enkelin des westfränkischen Karolingerkönigs Ludwig der Stammler, mit dem reichen Mailänder Markgrafen Albert Azzo II. von Este verheiratet... gewesen; denn auch diese jüngere Kunigunde hatte im Jahr zuvor das Zeitliche gesegnet. Da der Markgraf sich wieder zu verheiraten gedachte (diesmal mit einer reichen Alleinerbin aus dem französischen Hochadel), hatte er nichts dagegen, seinen etwa zwanzigjährigen Sohn aus der Ehe mit Kunigunde zu seiner einsam kämpfenden Großmutter zu schicken. Die präsentierte ihn in Deutschland als Welf IV., und der nicht wenig zwielichtige und halbseidene Halbitaliener wurde durch einige weitere Winkelzüge und Glücksfälle der Begründer der jüngeren Linie der Welfen.

Mit vornehmer Zurückhaltung spricht Heinrichs des Löwen anderer Biograf, Karl Jordan, von seiner „zwiespältigen Rolle in der Reichsgeschichte”. Paul Barz bringt es herzhafter auf den Punkt. Für ihn ist Welf IV. ein „Glücksspieler”.

„In den Jahren zwischen 1056 und 1106 sieht man ihn wenigstens dreimal Front und Gesinnung wechseln. Er heiratet eine bayerische Prinzessin und verstößt sie wieder, schwört Freunden die Treue und verrät sie bei nächster Gelegenheit. Den eigenen Schwiegervater bringt er um das bayerische Herzogtum, um sich an seine Stelle zu setzen – Am Ende seines Lebens sieht man ihn dann als Herzog von Bayern, als einen reichen, alten Mann mit besten Verbindungen zum salischen Kaiserhaus, das er so oft verraten hat.” – Mit Welf IV., so Barz, kommen neue Züge ins Familienprofil der Welfen: „Züge des Hasardeurs, des Machtmenschen ohne Skrupel und Moral – und ganz werden sich diese Züge auch nicht mehr verlieren.”

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