Donnerstag, 8. Januar 2015
Amsterdam, Houthaven
Ich bin nicht Charlie, aber ich will unbedingt, daß Charlie und sein freier Geist weiterleben.
Nicht nur angesichts der tristen Wirklichkeit in den Pariser Vororten kommen einem dazu jedoch verschiedenerlei Gedanken, ebenso drängt sich, wenn man durch einige nördliche und westliche Vorstädte von Amsterdam außerhalb der 9 Straatjes und Grachten fährt, Bedenkliches auf. Bilden aufeinandergestapelte Container wirklich ein Wohnmilieu, in dem arme Niederländer und ‟Allochtone” ein friedliches Miteinander entwickeln werden?
Genau das aber praktizierte die Stadt bislang am alten Amsterdamer Holzhafen, der 1876 im Zuge des Durchstichs vom Ijsselmeer zur Nordsee angelegt wurde. Längst hat er seine ursprüngliche Bestimmung verloren und ist seit vielen Jahren schon alles andere als ein etwa malerisches oder gar idyllisches altes Hafengebiet. Er ist vielmehr zu einer Art Schiffsfriedhof heruntergekommen, in dem Wracks vor sich hin rosten und ausgeschlachtete Prähme übereinandergeworfen auf Pontons vergammeln. Dazwischen haben sich ein paar Menschen in Hausbooten angesiedelt, die sie mit massiven Zäunen, Ketten und Schlössern zur Landseite sichern und verrammeln. Nicht gerade Indizien für ein wohnliches Viertel.
Drüben am Silodam am nördlichen Ufer des IJ sind zwei ehemalige Silos zu Wohnungen umgebaut worden, überwiegend für Studierende und ‟Allochtone”, wie der niederländische Euphemismus für ‟Menschen mit Migrationshintergrund” lautet. Davor hat ein Architektenbüro einen Neubau ins Wasser gestellt, der in Aussehen (‟Anmutung”) und Bauweise der Ladung eines Containerschiffs nachempfunden wurde. Anheimelnd. Wohnraum ist in Amsterdam eben knapp und teuer. Darum hat man 2013 begonnen, den ganzen Houthaven um- und auszubauen. Im Lauf der nächsten zehn Jahre soll auf sieben anzuschüttenden Inseln ein neues Stadtviertel mit mehr als 2000 neuen Wohnungen, Geschäften, Büros, Schule und einer Pflegeeinrichtung entstehen. Mit Sicherheit ist es kaum für die jetzigen Bewohner der Gegend gedacht, aber der Umbau eines alten, verrottenden Industriegebiets muß ja nicht immer mit dem Vorwurf der ‟Gentrifizierung” sogleich in Bausch und Bogen abgelehnt werden.
Noch wirkt die Gegend ziemlich öde. Aber mit dem Pont 13, auf einer ausgedienten Fähre eingerichtet, hat sich schon mal ein originelles und eher unprätentiöses Restaurant angesiedelt, das zur Umgebung paßt und in eine gute Richtung weist.
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